Schwerdt: Von der Straße auf die Steherbahn

24.7.2014, 09:03 Uhr
Schwerdt: Von der Straße auf die Steherbahn

© Sportfoto Zink / JüRa

Als alles vorbei ist, entfernt er sich mit eierndem Gang vom Podest. Sein Gesicht, seine Körperhaltung, seine Gesten – alles schreit die Erschöpfung heraus. Dennoch versucht er sich an einem Lächeln, als er bemerkt, dass ihn da jemand an seinem Plan hindern will: sich hinzusetzen, die langen Beine auszustrecken, etwas zu trinken. Christoph, nur kurz, ein paar Fragen? „Gerne.“

Christoph Schwerdt hat gerade 50 Kilometer Fahrt hinter sich. 125 Runden, nur ein paar Zentimeter hinter einem donnernden Kraftrad. Neben, unter, über ihm andere Radsportler, auch sie mitgesogen von der Gewalt der Maschinen, über den fleckigen Asphalt des Ovals.

Manchmal fahren drei Gespanne gleichzeitig in die enge Steilkurve ein, liefern sich Überholmanöver. Dann hält die Tribüne die Luft an. Wenn sie vorbeidonnern, eine Armlänge entfernt, kann man in ihre Gesichter sehen. Keine Zweifel, keine Unsicherheit, keine Angst. Es gibt darin nur zwei Ausdrucks-Variationen: Versteinerte Konzentration; und wenn sich die Versteinerung löst: Erschöpfung. Alles andere hat keinen Platz.

Ein Steherrennen – das hat für die Zuschauer etwas faszinierendes, nach wie vor. Aber den psychologischen Anspruch, mit bis zu 100 Sachen hinter einem schwarzen Ungetüm von Schrittmacher zu kleben, können wohl nur die fühlen, die es einmal erlebt haben. Der Herpersdorfer Schwerdt kennt dieses Gefühl erst seit vier Jahren, zuvor war er lange in einer anderen Radsport-Disziplin zu Hause.

Er fuhr Straßenrennen, in denen es nach Gras und Natur roch, in denen die Strecken manchmal eben und schnurgerade waren, bei denen man aber wusste: Hinter dem Horizont liegt das Ziel. Bei den Stehern riecht es nach Benzin. Die Strecke ist ein 400 Meter langes Oval, der Start, das Ziel: der gleiche simple Strich.

Christoph Schwerdt begann im Alter von zehn Jahren beim RC Herpersdorf mit dem sportlichen Radfahren, wurde einer der Besten im süddeutschen Raum und Teil des Mapei- Teams. Im Jahre 2010 machte er sich selbstständig, übernahm einen Fahrrad-Fachhandel. Allerdings übernahm er nicht nur ein Geschäft, sondern auch etwas anderes von seinem Vorgänger Gerhard Duschl. Duschl war einst selbst Deutscher Meister der Steher. „Die Zeit hat nicht mehr gereicht, also bot sich diese kurze Disziplin an. Da ist weniger Training nötig“, sagt er, gefragt nach seinen Gründen für den Disziplin-Wechsel. Etwa zehn Stunden sitzt er in der Woche auf dem Rad – neben seiner Sechs-Tage-Arbeitswoche ein anspruchsvolles Programm.

Schwerdt: Von der Straße auf die Steherbahn

© Sportfoto Zink

Aber es zahlt sich aus, vor allem in dieser Saison: Wenn es im Jahr 2014 am Reichelsdorfer Keller zu Entscheidungsrennen kommt, ist Schwerdt immer oben dabei. Bayerischer Meister wurde er dieses Jahr schon, beim Preis der Sparkasse war er bester Lokalmatador. Auch am vergangenen Mittwoch, beim „Großen Sommerpreis von Franken Fernsehen“: Als der Startschuss fällt, rast er drauflos; aggressiv vorne weg, während die anderen es zurückhaltender angehen lassen. Bei der Bayerischen Meisterschaft ist ihm ein Start-Ziel-Sieg gelungen.

„Wir wollten die frische Luft an der Spitze nutzen“, wird er seine Taktik nach dem Rennen erklären. „Frische Luft“ – so nennen die Steher es, wenn ihnen keine Luftverwirbelungen das Leben schwer machen. Nach wenigen Augenblicken hat er schon 100 Meter Vorsprung. Der markante Schnauzer seines Schrittmachers Johannes Fuchs zittert im Fahrtwind.

Und Schwerdt bleibt vorne, das halbe Rennen lang. Es ist eine Sprintwertung ausgerufen worden, und man erkennt, dass Schwerdt die gewinnen will. Denn das Rennen können sie nicht gewinnen, dafür ist die Konkurrenz an diesem Mittwoch zu groß. Und so kommt es auch: Nachdem er bei den drei Zwischenwertungen immer vorne dabei war, kann er sich dem Angriff des bärenstarken Schweizer Europameisters Mario Birrer nicht mehr erwehren.

Ein Hauptpreis in Miniatur

Während Birrer vorneweg das restliche Rennen in einer eigenen Liga fährt, muss sich Schwerdt auch noch vom Aachener Robert Retschke Platz zwei abnehmen lassen. Am Ende wird er Dritter. „Unser Ziel war es, die für die Sprintwertung nötigen Runden vorne dabei zu bleiben, ich bin überrascht, dass es so lange gut ging“, sagt er, als er von der Siegerehrung wankt.

Wieder mal stand er auf dem Podest, zusammen mit seinem Schrittmacher Johannes Fuchs, mit dem er seit dieser Saison fährt. „Wir harmonieren sehr gut“, sagt Schwerdt über diesen Baustein seines Aufschwungs. Außerdem trainiert er häufiger. „Aber eigentlich kann ich mir es selber nicht erklären, warum es so gut läuft.“ Für seinen Sieg in der Sprintwertung erhält Schwerdt einen Porsche. Seine geschundenen Muskeln kann er damit aber nicht nach Hause fahren: Der Porsche hat einen Maßstab von 1:43.

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