Senkrechtstarter Schäffer: Ab in das Erlanger Rampenlicht

22.5.2018, 05:57 Uhr
Senkrechtstarter Schäffer: Ab in das Erlanger Rampenlicht

© Sportfoto Zink

2014 sprach der damalige HCE-Coach Frank Bergemann nach dem 27:25-Sieg über die Rhein-Neckar Löwen von einem "Jahrhundertspiel". Nur vier Jahre später hat der HC Erlangen die Sensation um ein Haar wiederholt. Das 25:25 war für den Deutschen Meister und Pokalsieger glücklich. Daher widmen wir eine halbe Seite diesem Spiel – den Spielbericht finden Sie wie gewohnt im Hauptteil.

Es war längst früher Abend geworden, da war Jan Schäffer immer noch nicht auffindbar. Michael Haaß, der Kapitän, saß schon mit kleinem Söhnchen auf dem Schoß im VIP-Bereich, auch Nicolai Theilinger unterhielt sich mit Sponsor Alexander Fackelmann. Nur Jan Schäffer war nirgends zu finden. Dann roch man ihn plötzlich, bevor man ihn sah.

Immer noch in Trikot, Hose und Sportschuhen steckte der 27 Jahre junge Kreisläufer, als er über den feinen Parkettboden in der Arena gelaufen kam. Ein paar Autogramme wollte er schreiben vor der Halle, wo sie eine Art Mini-Bergkirchweih aufgebaut hatten. Und an allen anderen Tagen wäre Schäffer wahrscheinlich auch früh fertig geworden: Der Neuzugang kam ja erst von der DJK Rimpar aus der zweiten Liga. Statt Senkrechtstart gab es erst einmal Zwangspause: Im Training hatte er sich die Schulter schwer verletzt. Es drohte gar das vorzeitige Saisonende – der Maschinenbau-Student war "in der Hierarchie ganz unten", wie er selbst sagt.

Parkett brennt

Auch vor einer Woche in Melsungen beim 21:32, wo er erstmals wieder mitwirken durfte nach Blitzgenesung "dank einer gigantischen Leistung der medizinischen Abteilung", wie er fand: Nicht lang war Schäffer dabei, da musste er schon mit Platzverweis zum Duschen, nach einem ungestümen Einsatz.

Nun aber, vor über 7000 Zuschauern in der Arena gegen den amtierenden Deutschen Meister und Pokalsieger, war Jan Schäffer plötzlich da. Und wie: Vorn traf er vier Mal ins Tor, holte obendrein mit Cleverness, Willen und Masse mehrere Siebenmeter heraus. Hinten half er auf Halblinks, das Erlanger Tor von einem unglaublichen Nikolas Katsigiannis zu vernageln, die HCE-Deckung zur vermutlich besten Saisonleistung zu treiben.

"Seit fünf, sechs Jahren möchte ich Jan Schäffer in meiner Mannschaft haben", freute sich Adalsteinn Eyjolfsson, "jetzt habe ich es geschafft." Für den HCE-Coach war Schäffer einer der Schlüssel zum Punktgewinn gegen eine der besten Mannschaften Europas: "Er hat ein sensationelles Spiel in der Deckung gemacht." Und das, obwohl Schäffer, der aus der HCE-Jugend stammt, vor einem halben Jahr noch gegen Mannschaften wie den Dessau-Roslauer HV 06 gespielt hat. "Ich habe versucht auszublenden, gegen wen es heute ging", sagt Schäffer. "Ich wollte reingehen und einfach meinen Stiefel runterspielen. Nur weil die in vier, fünf Aktionen eine Liga besser sind, ist es trotzdem am Ende nur Handball." Herausragend guter Handball eben, den die Erlanger mit beeindruckendem Kampf und großer Klasse zerstörten.

Ungewohnte Kulisse

"Dass ich mich so wohl fühle nach der Verletzung liegt auch an Adli", sagt Schäffer, "er hat mir nie das Gefühl gegeben jetzt aus der Abstellkammer zu kommen." Eyjolfsson hat ihm immer wieder Vertrauen geschenkt. Das hat Jan Schäffer nun zurückgezahlt: "Wir haben viel am Zusammenspiel gearbeitet, Feinjustierungen vorgenommen. Heute hat alles super gut funktioniert."

Das, obwohl er die Kulisse nicht gewohnt war: "Ich dachte noch: über 7000, Wahnsinn. Vor so vielen Menschen habe ich noch nie gespielt. Aber ich habe es gar nicht wahrgenommen, so fokussiert war ich." Angepeitscht hat Schäffer die Atmosphäre aber doch: "Wenn die Halle Gas gibt nach einer geilen Aktion, dann kribbelt alles", sagt er: "Das breitet sich rasend schnell aus wie ein Lauffeuer in alle Richtungen. Man fühlt sich, als wäre man fünf Zentimeter größer."

Ob er das wirklich ist, müsste man nachmessen. Gewachsen aber ist Jan Schäffer am Samstagnachmittag definitiv ein sehr großes Stück.

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