Sontheimer in Fürth: Früher Fan, jetzt Leistungsträger

14.12.2017, 14:50 Uhr
Sontheimer in Fürth: Früher Fan, jetzt Leistungsträger

© Sportfoto Zink / WoZi

Es ist jetzt genau ein Jahr her, als Patrick Sontheimer zum letzten Mal ein Auswärtsspiel der Spielvereinigung vom Stehblock aus verfolgt hat. Mit einem 1:1 in der Alten Försterei von Union Berlin ging das Kleeblatt damals in die Winterpause. Zum ersten Spiel im neuen Jahr stand der Fan dann tatsächlich als Spieler auf der anderen Seite des Zaunes – und machte mit einem starken Auftritt gegen 1860 München (1:2) auf sich aufmerksam. Der damalige Trainer Janos Radoki hatte den Mittelfeldspieler aus der A-Jugend, die er noch bis November betreut hatte, in den Profikader hochgezogen.

Ein atemberaubendes Jahr 

Ein Jahr später ist Radoki längst weg. Doch Sontheimer ist immer noch nicht wieder hinter den Zaun zurückgekehrt. Stattdessen darf er über ein atemberaubendes Jahr referieren, in dem ein 19-Jähriger bereits 24-mal in der zweiten Bundesliga auf dem Platz stand. Viermal legte er seinen Mitspielern dabei ein Tor auf.

"Ich bin für jedes Spiel dankbar", kommt es erst einmal ein wenig auswendig gelernt aus seinem Mund, "ich weiß, dass ich immer noch der jüngste Spieler im Kader bin." David Raum ist zweieinhalb Monate älter und lief bislang 14-mal auf (ein Tor, drei Vorlagen). Für Sontheimer ist es "keine Selbstverständlichkeit, dass ich fast jedes Spiel randarf zurzeit".

Schließlich weiß er, wo er herkommt. In der vergangenen Rückserie schickte ihn Radoki viermal zu seiner A-Jugend, um im Abstiegskampf zu helfen – erfolgreich. Dass einer wie er nun fehlt, merken sie im bald erneut mit drei Sternen zertifizierten Nachwuchsleistungszentrum (NLZ); die Fürther A-Junioren liegen abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz der Bundesliga Süd/Südwest. 

"Das ging natürlich ziemlich schnell"

In dieser Saison hat sich Sontheimer auch bei den Profis unentbehrlich gemacht. 13-mal setzten ihn Radoki und Buric ein. Auch wenn es für das Kleeblatt eine Hinrunde zum Vergessen war, für ihn war es ein steiler Aufstieg. "Das ging natürlich ziemlich schnell", reflektiert er, "dass ich so viele Spiele habe, das ist nicht selbstverständlich in meinem Alter. Das muss man verarbeiten." 

Das Problem sei laut Buric auch nicht unbedingt die körperliche Anstrengung, schließlich regenerieren junge Spieler sogar schneller, "das Problem ist der Kopf". Die jubelnden und im selben Atemzug schimpfenden Fans, der Druck der Medien, der Konkurrenzkampf, die Zweifel, die Überheblichkeit nach zu vielen Schulterklopfern . . . Eine Profikarriere birgt viele Gefahren, manche zerbrechen früh daran. Selbstbewusst sagt Sontheimer über sich: "Ich glaube, ich habe das ganz gut gemacht. Ich bin zufrieden."

Auf dem Feld warten nun regelmäßig Gegenspieler im Format eines Kleiderschranks, was nicht selten zu lustigen Szenen führt, wenn jemand mit ihm ins Wortgefecht geht. Johannes Flum vom FC Sankt Pauli etwa ist zwei Köpfe größer; beim Trash Talk während der Partie redete Sontheimer auf dessen Brustkorb ein. 

 

"Ja, man muss alles reinhauen. Ich bin ja nicht gerade der Größte", scherzt er über seine 1,68 Meter. Es kann sogar hilfreich im Zweikampf sein. "Zum einen ist es ein Vorteil, weil ich wendig bin und den kleinen Vorsprung habe vor den großen Spielern. Aber im Endeffekt gilt es für meine Person, alles reinzuwerfen gegen größere – und den anderen halt zu ärgern", sagt er und grinst.

"Die haben viel durchgemacht"

Der Allgäuer ist am Kleeblatt-NLZ zum zentralen Mittelfeldspieler ausgebildet worden. Er sei zuständig für die "Restesicherung", "dass immer noch einer vor der Kette ist" bei Ballbesitz, "und offensiv natürlich auch mal mit anschieben". Die verkorksten Spiele dieser Hinrunde führt er auch genau darauf zurück: "Das Umschaltspiel war einfach zu schlecht, aber das machen wir jetzt gut." Prompt gewann das Kleeblatt als einziges Zweitliga-Team seine jüngsten vier Heimspiele.

Das freute vor allem seine alten Kumpels auf der Tribüne, zu denen der Draht nie abgerissen ist. Als die Stimmung auf dem Tiefpunkt war, trat er anstelle der älteren Spieler vor die grimmigen Fans. Dass da nicht immer mit Engelszungen argumentiert wird, ist für den einstigen Auswärtsfahrer klar: "Die haben ja auch alle viel durchgemacht in letzter Zeit." Was ihm Mut macht, ist, dass trotz aller Abstiegsangst und Enttäuschung niemand das Team abgeschrieben hat: "Trotzdem glauben sie an uns. Und es ist ganz wichtig, dass die Verbindung dableibt, dass das Vertrauen da ist, dass wir das Ding noch wuppen."

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