Todestag von Max Morlock: Abschied von einem Sportidol

10.9.2014, 08:00 Uhr
Todestag von Max Morlock: Abschied von einem Sportidol

© dpa

Zu seiner Beisetzung auf dem Friedhof von St. Leonhard reisten die Weltmeister von 1954 an: Fritz Walter und sein Bruder Ottmar, Helmut Rahn, Horst Eckel, Werner Liebich, Jupp Posipal und Hans Schäfer. Sie wollten ihrem Nürnberger Mannschaftskollegen, der vierzig Jahre zuvor das „Wunder von Bern“ erst möglich gemacht hatte, auf seinem letzten Weg begleiten.

Bei der Trauerfeier ehrte der Deutsche Fußballbund Morlock als herausragende Persönlichkeit. Er habe wesentlich dazu beigetragen, dem deutschen Fußball in der Nachkriegszeit wieder Weltgeltung zu verschaffen. Berührende Worte fand der Pfarrer mit Blick auf Morlocks Bescheidenheit: Er sei nie als Star aufgetreten, sondern habe für seine Heimatstadt Nürnberg und Deutschland gespielt. Auch über 1500 Nürnberger Bürger nahmen von „ihrem Maxl“ Abschied.

Die ersten Fußballschuhe

In Gleißhammer aufgewachsen hatte der spätere Ausnahmespieler schon als kleiner Bub überall und immer gekickt: Auf dem zugefrorenen Zeltnerweiher und natürlich in der Schloßstraße, in der er mit seiner Familie wohnte. Oft kam er nach dem Bolzen nicht nur mit zerschundenen Knien und kaputter Hose nach Hause. Es ging auch so manches Fenster zu Bruch, bis es dem Vater zu bunt wurde. Er kaufte seinem Spross die ersten Fußballschuhe und meldete ihn bald darauf bei der Eintracht Nürnberg an. Denn zum ruhmreichen 1. FCN traute sich der Junge nicht. Zwei Jahre später aber fiel er dessen Talentspähern auf, die ihn in die Club-Jugend holten. Hier wurde der kleine Max zum großen Morlock.

Das nur 1,72 Meter kleine Energiebündel vereinigte alle wichtigen Fußballtugenden in sich. Ein Redakteur der Nürnberger Nachrichten schrieb: „Gefürchtet waren seine Flachschüsse, die nur so über den Rasen zischten, und seine Grätschen vor dem gegnerischen Tor, mit denen er noch manches Spiel herumgerissen hat“. So auch am 4. Juli 1954 im WM-Finale Deutschland gegen Ungarn. Als die Gegner in der neunten Minute schon 2:0 in Führung gingen, war es Morlock, der seine resignierten Kollegen anfeuerte und die deutsche Mannschaft wieder ins Spiel brachte.

Das Wunder von Bern

Hier ein Auszug aus dem Buch „Maxl Morlock erzählt“, in dem er die Spannung in Bern beschreibt: „Instinktiv stürmte ich auf das ungarische Tor zu. Jetzt müsste die Flanke kommen! Ich hatte den Gedanken kaum gefasst, da schoss der Boss schon in die Mitte. Auf dem nassen Boden bekam der Ball eine Mordsfahrt. Mit einem energischen Satz ließ ich mich in die Vorlage hineinrutschen, Grosics schaute entgeistert, und an ihm vorbei rollte der Ball ins Netz. 2:1!

Die Ungarn waren unsicher geworden. Fritz trat zwei Ecken hintereinander. Gleich gab es die dritte. Der Ball senkte sich auf den Fuß von Helmut Rahn. Bums! Es tat einen dumpfen Schlag: 2:2!  In der 84. Minute ist des dann passiert. Nach einem schönen Zusammenspiel von Fritz und Schäfer kommt der Ball haargenau vor Rahns Füße, der stoppt, schaut - Helmut schieß doch -, nein er umspielt noch einen Mann und jagt den Ball ins flache lange Eck! 3:2 für uns.“ Nach einem ungültigen Abseitstor von Puskas sind die bangen Schlussminuten überstanden. „Das Unfassliche ist wahr geworden. Deutschland, der krasse Außenseiter hat das Unmögliche möglich gemacht", so Morlock.

Die Franken jubeln

Die Nürnberger bereiteten ihrem Maxl einen triumphalen Empfang. Die ganze Stadt war auf den Beinen. Morlock durfte sich ins Goldene Buch der Stadt eintragen und erhielt die erste goldene Ehrennadel des 1. FCN. Er wurde mit Geschenken überhäuft. Eines der kuriosesten Präsente: Morlock konnte sich beim einem Friseur ein Jahr lang umsonst die Haare schneiden lassen.

Dem bescheidenen Franken war dieser Trubel entschieden zu viel.  Die NN zitieren ihn mit den Worten, der Empfang sei das Peinlichste gewesen, was er in der Laufbahn als Fußballspieler erlebt habe. „Nach meiner Rückkehr wurde ich im offenen Wagen durch Nürnberg gefahren, als wäre ich ein Staatsmann. So einen Rummel um meine Person, nur weil ich ein bisschen besser den Ball traf, als andere.“ Wenige Tage nach dem „Wunder von Bern“ stand er wieder wie gewohnt in seinem Toto-Laden hinter dem Hauptbahnhof und bediente freundlich seine Kunden.

Imposante Bilanzen

In 900 Pflichtspielen hat er 700 Tore für seinen Club geschossen. Auch seine Bilanz in der Nationalmannschaft ist imposant: In 26 Spielen erzielte er 21 Tore. Zweimal war er Deutscher Meister, einmal Pokalsieger, im Meisterjahr 1961 wurde er als 36-Jähriger zum „Fußballer des Jahres“ gekürt.

Er widerstand allen Abwerbeversuchen anderer Vereine. Nach seiner aktiven Karriere betrieb er weiterhin seinen Laden und eröffnete mit einem Darlehen von Sepp Herberger ein Sportgeschäft. Im Gegensatz zu heute waren damals mit Fußball keine Millionen zu machen. Diese Treue macht ihn bis heute, da die Bundesliga ein Wanderzirkus geworden ist, für die Club-Fans zur Legende.

"Max-Morlock-Stadion"

Seit Jahren fordern sie, die Fußball-Arena in „Max Morlock Stadion“ umzubenennen. Bisher vergeblich. Aus dem Frankenstadion wurde 2006 das easyCredit-Stadion. Die Bevölkerung empörte sich damals über eine solche Kommerzialisierung des Fußballs. Es folgte eine symbolische Taufe zum „Max Morlock-Stadion“ durch die Fans. Umsonst: Seit 2013 spielt der Club im Grundig-Stadion, benannt nach dem aktuellen Sponsor. Der Vertrag läuft bis 2017. Was wohl danach kommt?

Immerhin: Das Zentrum Industriekultur widmete Morlock 2004 die Ausstellung „Ein Weltmeister aus Nürnberg“, die ihn als Sportidol und Mensch zeigte. Und der Fanbereich der Fußball-Arena trägt seinen Namen. Kurz nach seinem Tod eingeweiht worden war außerdem der Max-Morlock-Platz vor dem Stadioneingang. Statt eines satt grünen Fußballrasens ein karges Stück Pflaster.

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