Tour de France: Martin und Degenkolb feiern Doppelsieg

7.7.2015, 18:15 Uhr
Tour de France: Martin und Degenkolb feiern Doppelsieg

©  Yoan Valat (dpa)

Tony Martin ballte vor lauter Freude immer wieder die Faust und konnte sein Glück kaum fassen. Ausgerechnet in der "Hölle des Nordens" ist für den ewigen Pechvogel der sehnlichste Traum bei der Tour de France endlich in Erfüllung gegangen. Der dreimalige Zeitfahr-Weltmeister eroberte mit einem famosen Solosieg auf dem berüchtigten Kopfsteinpflaster Nordfrankreichs im vierten Anlauf doch noch das erste Gelbe Trikot seiner Karriere. Martin fuhr nach einer Attacke 3,3 Kilometer vor dem Ziel zum Sieg und löste damit den bisherigen Spitzenreiter Christopher Froome an der Spitze der Gesamtwertung ab.

John Degenkolb, der im Frühjahr mit seinem Sieg bei Paris-Roubaix auf gleichem Terrain Radsport-Geschichte geschrieben hatte, sicherte sich nach 223,5 Kilometern von Seraing nach Cambrai im Sprint vor dem Slowaken Peter Sagan den zweiten Platz und machte damit den deutschen Doppelerfolg perfekt.

Mann des Tages aber war Martin. Hinter der Ziellinie ließ sich der 30-Jährige überglücklich zu Boden fallen. Seine Teamkollegen waren als erste Gratulanten zur Stelle. Sogar der in Zivil erschienene Ex-Weltmeister Tom Boonen eilte zur kleinen Feier des Etixx-Quick-Step-Teams herbei. "Das ganze Pech der letzten Tage hat sich heute in Glück gewandelt", sagte Martin in der ARD, er sei "Alles oder Nichts" gefahren.

Es wurde "Alles" und es war ein Sieg des Willens von Martin, nicht einmal von einem Reifenschaden 19 Kilometer vor dem Ziel ließ er sich aufhalten. Noch am Vortag hatte Froome dem Deutschen um die Winzigkeit von sieben Hundertstelsekunden die Spitzenposition entrissen. Martin ist der 15. Deutsche, der in der 112-jährigen Geschichte der Rundfahrt das begehrte Gelbe Trikot holte.

Auf dem Weg nach Nordfrankreich ging es auf den letzten sechs von sieben Kopfsteinpflaster-Sektoren mächtig zur Sache. Das Astana-Team um Vorjahressieger Vincenzo Nibali schlug ein Wahnsinns-Tempo an, doch seine Rivalen im Kampf um den Gesamtsieg waren allesamt auf der Hut. Sogar der kolumbianische Kletterspezialist Nairo Quintana, dem ein schwerer Tag prophezeit worden war, ließ sich nicht abschütteln.

So hatte sich am Ende der insgesamt 13,3 Kilometer langen Kopfsteinpflaster-Passagen eine gut 25 Mann starke Spitzengruppe gebildet, aus der Martin schließlich attackierte.

Und diesmal stoppte ihn keiner. Martin war an den ersten drei Tagen der 102. Tour zur tragischen Figur geworden. Am ersten Tag hatte er das Gelbe Trikot um fünf Sekunden verfehlt. In Zeeland missglückte sein Coup nur, weil Fabian Cancellara Zeitgutschriften gesammelt hatte. Und am Montag trennte Martin an der „Mur von Huy“ nicht einmal eine Sekunde von der Spitze. Froome war 0,93 Sekunden hinter Tagessieger Joaquin Rodriguez geblieben, wodurch er gerade noch mit der gleichen Zeit gestoppt worden war. „Ich habe mich an das Gelbe herangepirscht. Die logische Konsequenz ist, dass ich es jetzt auch übernehme“, hatte Martin schon vor dem Start neue Angriffslust gezeigt und Wort gehalten.

Sieben seiner Kollegen hatte er am Start nach dem schlimmen Massensturz am Vortag nicht mehr wiedergesehen. Prominentestes Sturzopfer war der viermalige Zeitfahr-Weltmeister Fabian Cancellara (Schweiz), der zwei Brüche im Lendenwirbelbereich erlitt. Außerdem hatte es den Niederländer Tom Dumoulin (ausgekugelte Schulter und im Schultergelenk), den früheren Mailand-San-Remo-Gewinner Simon Gerrans (Handgelenkbruch), Daryl Impey (Schlüsselbeinbruch), William Bonnet (Bruch des zweiten Halswirbels und Gehirnerschütterung) sowie Dimitri Kosontschuk (Brüche an Schlüsselbein und Schulterblatt) erwischt. Dazu hatte der Amberger Andreas Schillinger vom deutschen Team Bora-Argon mit einem Infekt das Rennen aufgegeben, bei dem Martin am Dienstag so beeindruckend triumphierte.

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