Tragende Säulen in der fränkischen Football-Hochburg

13.6.2012, 15:00 Uhr
Tragende Säulen in der fränkischen Football-Hochburg

© Doris Seybold-Wollmershäuser

Wer die Philosophie verstehen möchte, muss sich bei einem Heimspiel auf den stadionnahen Parkplätzen umsehen. Die Fans kommen aus Würzburg oder Schwäbisch Hall, aus Fürth oder Tauberbischofsheim. Ein Verein nicht nur für Rothenburg wollen die Franken Knights sein. Und darüber aber nicht vergessen, wo sie herkommen.

Martin Habelt aus dem nahen Gebsattel ist mit American Football groß geworden, einer für alles, er liebt seinen Sport. Zwölf Jahre hat er gespielt in Rothenburg, danach kümmerte er sich um das von ihm mit aufgebaute Jugendteam, war zwischendurch Vorstand, von 2005 bis 2009 zudem Cheftrainer der Zweitligamannschaft. Aus der 2011 nach sechs Jahren wieder eine Erstligamannschaft wurde.

Auch in Deutschlands höchster Spielklasse läuft es gut. Mit 6:4 Punkten stehen die „Ritter“ aktuell auf Platz drei der Süd-Staffel, aber seit Samstag hinter den Stuttgart Scorpions. Mit 16:28 kassierten die Rothenburger trotz früher 9:0-Führung ihre erste Heimniederlage, die letztlich verdient war. Weil es der Defensive in Abwesenheit eines wichtigen US-Amerikaners an Widerstandsfähigkeit und Stabilität mangelte und die Offensive zu sehr von Cedric Townsend abhing. Was der 1,93 Meter lange Quarterback jedoch mal wieder zeigte, verzückte nicht nur die über 700 Zuschauer; Townsend warf und trickste und rannte, als sei ein NFL-Scout im Stadion.

Drei Jahre ist Townsend mittlerweile schon da, obwohl er auch besser dotierte Angebote hatte. Aber Townsend, der am North Carolina Wesleyan College gleich 13 Rekorde hält, fühlt sich einfach wohl im malerischen Rothenburg ob der Tauber. Auch die Atmosphäre im Verein hat in den vergangenen Jahren schon anderen US-Amerikanern sehr gut gefallen. „Wir sind wie eine große Familie“, schwärmt Habelt, mit Townsend verbindet ihn nicht nur eine enge Freundschaft. Der Quarterback arbeitet zudem als Trainer in Habelts Fitnessstudio. 

Eines von vielen Erfolgsgeheimnissen der Knights, die nicht im Geld schwimmen, aber sich immerhin auf einen stattlichen Sponsorenpool stützen können. Die Werbedurchsagen am Samstag wollten fast nicht enden. Das war auch schon anders; 1995 zog man gar nach Würzburg um und nannte sich fortan Franken und nicht mehr Rothenburg Knights, 2005 konnte und wollte man sich die Erste Liga nicht mehr leisten.

Der Traum von einer regionalen Football-Hochburg aber lebte weiter, fortan jedoch vor allem basierend auf akribischer Nachwuchsarbeit. Wovon jetzt auch Habelt profitiert, „eine wichtige und tragende Säule des Vereins“, wie ihn seine Knights im vergangenen November in einer Pressemitteilung nannten. Als es galt, einen neuen Cheftrainer zu finden. Und Habelt präsentierten. Wen sonst.

Seine Rothenburger würde er nie im Stich lassen, also ließ er sich überreden. „Wenn man zu seinem Verein steht, sagt man Ja“, erzählt Habelt, wenngleich er rund 30 Stunden pro Woche für die Knights opfert und fast jedes Wochenende. Wer ihn jetzt wieder an der Seitenlinie beobachtet, kann kaum glauben, dass er erst eine einjährige Auszeit vom Football gebraucht hatte, um sich neu zu motivieren. Und den Kopf frei zu kriegen.

Das Fieber hat ihn längst wieder gepackt. Und die Play-offs sind vielleicht näher, als viele glauben. Vier Mal standen die Knights schon im Viertelfinale, auch heuer könnte es durchaus klappen. Die Konkurrenz ist stark, aber nicht unschlagbar, man müsste mindestens Vierter werden. Und will bei allem sportlichen Ehrgeiz aber erst mal drin bleiben. „Die Tabellenführung verteidigen und weiter wichtige Punkte für den Klassenerhalt sichern“ wollte man deshalb am Samstag, wie das Stadionblatt verriet, ein paradox anmutendes Unterfangen.

Dass Stuttgart kürzlich auch den Deutschen Meister aus Schwäbisch Hall geschlagen hat, wird Habelt möglicherweise seiner Mannschaft nach dem Schlusspfiff erzählt haben, als er seine Spieler zur Nachbesprechung bat – die zum Großteil aus Ulm, Hof, Bamberg, Nürnberg oder Ansbach kommen. Aus Liebe zum Spiel. „American Football“, sagt Martin Habelt, „,muss man auch leben.“

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