Vitale Tangomesse

26.9.2016, 18:00 Uhr
Vitale Tangomesse

© Foto: Tim Händel

Zum Tango muss man tanzen. Einfach nur still da zu sitzen und mit dem Fuß zu wippen, das ist zwar möglich, auf längere Sicht aber schwer auszuhalten. Das Ensemble „Faux Pas“ bot seinem Publikum eine reichhaltige Mischung aus klassischem Tango und Tango Nuevo. Dabei dominierte die Zwiesprache aus Katharina Pfänders Violine und Marlène Cléments Akkordeon, dicht unterlegt von Gitarre, schabendem Kontrabass und Piano.

Doch Instrumentalmusik allein macht noch nicht satt, hinzu kommen Balladen der Sänger Michael Fanger und vor allem der Gastsängerin Maria Fernanda Barbaresco. Letztere wirkt in ihrer Ausstrahlung, als hätte sie sämtliche Liebes- und Eifersuchtsdramen Argentiniens als Augenzeugin oder gar leibhaftig erlebt — und als gebe sie nun als Schwarze Witwe mit geschlitzter Robe ihre Lebensweisheiten sowohl als Warnung wie als Anstachelung zu unerlaubten Begierden freigiebig weiter.

Ist zwar alles auf Spanisch, aber irgendwie errät man den Inhalt doch. Ah, da wird Mann ganz narrisch, wenn der Rauch der Zigarette die Silhouette der Geliebten formt, wenn ein Astor Piazolla vom „Tod eines Engels“ raunt, wenn Mann und Frau beim Tanz sich näher kommen, doch ein gewisser Mindestabstand gewahrt bleiben muss. Contenance ist eben alles.

Wo die Sünde am Dampfen ist, muss das Weihwasser als Löschwasser die Gemüter befluten. Nach der Pause gibt es höchst Ungewohntes auf die Ohren: Die „Misa a Buenos Aires“, eine katholische Messe im musikalischen Tango-Idiom. Kann das gutgehen? Kann es.

Ein Ritual

Vier Sänger — Bass, Tenor, Alt und Sopran — zelebrieren den lateinischen Text, die Titel — Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Benedictus, Agnus Dei — folgen getreu der Abfolge des religiösen Rituals. Die Musik des Komponisten Martin Palmeri hingegen vermeidet allzu sakrale Anklänge, lässt aber auch das Tanzbein ruhen.

Es wäre ja auch zu naheliegend gewesen, das Akkordeon als Minikirchenorgel einzusetzen. Genau dieses akustische Angebot schlägt Palmeri aber aus. Stattdessen überrascht die Musik mit einem dramatischen, stellenweise aggressiven Zugang zu den sakrosankten Texten.

Beim Gesang alternieren Solonummern mit Duetten, Ensembleleistungen, und Frage-/Antwort-Schema. Gerne gesellen sich gerade beim Textbeginn alle Stimmen nacheinander hinzu. Erst beim Benedictus löst sich die Tonsprache vom Tango-Idiom und mischt liebliche Klaviermelodien hinein, wie auch die Singstimmen vom heiligen Ernst zu fröhlich beschwingten Weisen überleiten.

Mit dem Agnus Dei und seiner vielfach wiederholten Bitte „dona nobis pacem“ klingt die Messe tatsächlich in sakraler und pastoraler Weihestimmung aus. Starker Beifall des hingerissenen Publikums. Was wohl Papst Franziskus dazu sagen würde?

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