"Weg nicht zu Ende": Ice-Tigers-Kapitän Reimer will jetzt Gold

23.2.2018, 21:38 Uhr

© AFP

Als sich der wilde Haufen von schreienden Männern in der Rundung auflöste. Als nur noch die beschlagene Plexiglasscheibe von der ersten Eskalation auf dem Eis des Kwandong Hockey Centres kündete, da blieben zwei der neuen deutschen Eishockey-Helden zurück. Yasin Ehliz aus Bad Tölz und Patrick Reimer aus Mindelheim, jene ungleichen Profis, die in Nürnberg zusammenfanden, teilten auch diesen einen unvergesslichen Moment mit einer Umarmung.

Die deutsche Nationalmannschaft hatte soeben Kanada besiegt, im Eishockey, wird deshalb am Sonntag (5.10 Uhr/MEZ) gegen die Auswahl der Olympischen Athleten aus Russland um die Goldmedaille spielen. Und sie beide, die Stürmer der Thomas Sabo Ice Tigers, werden ebenso mit dabei sein wie der gebürtige Nürnberger Gerrit Fauser und vielleicht auch wieder der zuletzt überzählige Leo Pföderl.

Verrückt, traumhaft, abartig 

Nach dem 4:3 gegen Kanada versuchten sie alle zu erklären, was sie selbst kaum verstehen konnten. "Verrückte Welt", fiel dem Bundestrainer Marco Sturm ein, "ich weiß gar nicht, was ich sagen soll." Der Kölner Verteidiger Moritz Müller rief: "Warum sollen wir nicht Olympiasieger werden? Wir spielen doch das Finale - lass mal Olympiasieger werden!"

Patrick Reimer, der Kapitän der Ice Tigers, schüttelte den Kopf, grinste und sagte: "Der Traum ist wahr geworden." Yasin Ehliz brauchte hingegen nur ein Wort: "Abartig." Und dann zogen sie sich in die Kabine zurück.

Marco Sturm hatte den Moment der Schlusssirene wie in Trance erlebt. Als die Spieler vor ihm vor Stolz zu platzen drohten, als Reimer den Puck zum letzten Mal aus dem deutschen Drittel schoss, als der wuchtige David Wolf vor ihm wie auf einem Trampolin auf- und abhüpfte – da stand der Bundestrainer mit unbewegter Miene da und blickte auf den Videowürfel. Auch da konnte er lesen: Germany 4. Canada 3. Verstanden hat er wohl nicht. Später gratulierten ihm Boris Becker, Bastian Schweinsteiger, diverse Minister und Lukas Podolski. Vielleicht hat er dann kapiert, was seine Mannschaft da in Südkorea geleistet hatte: nicht weniger als die größte Sensation im Welteishockey seit dem "miracle on ice", der wundersamen Goldmedaille einer US-amerikanischen Studentenmannschaft in Lake Placid 1980.

Und hier kommt die Eistonne! Powered by Yasin Ehliz 

Erst als er die Kabine betrat und hinterrücks den kompletten Inhalt einer Eistonne über den Rücken geschüttet bekam, wird er wohl schlagartig in der Realität angekommen sein. Getrocknet versuchte er sich später an einer Einschätzung dieses Turniers, das durch die Entscheidung der National Hockey League nach langen und fruchtlosen Verhandlungen über Versicherungsprämien, sonstige Kosten und Vermarkungsmöglichkeiten, keine NHL-Spieler nach Südkorea zu entsenden, eine so unvorhersehbaren Verlauf genommen hat: "Es ist mir egal. Ich hoffe wirklich, dass alle NHL-Spieler wieder auf dem olympischen Eis dabei sein werden, die besten Spieler sollen bei Olympia spielen. Aber in diesem Moment ist es egal. Wir haben eine Medaille, das ist das Einzige, was zählt."

Er weiß, wie's geht 

Silber haben sie schon sicher, es wäre der größte Erfolg in der Geschichte des deutschen Eishockeys. Gold würde das Wunder von Lake Placid ablösen. Reimer glaubt daran. "Unser Weg ist noch nicht zu Ende", so lautet einer seiner Standardsätze bei diesen Spielen. Er war schließlich dabei, als die Nationalmannschaft bei der WM in der Slowakei eine (nominell sogar stärkere) russische Mannschaft besiegt hatte. Reimer selbst hatte 2011 mit dem 2:0 den Endstand hergestellt.

Wohlklingende WhatsApp-Gruppe 

Und seine Kollegen glauben auch daran. Vor dem Abflug nach Südkorea hatte der Mannheimer Marcus Kink das gesamte Team in eine WhatsApp-Gruppe eingeladen. Der Name der Gruppe lautet: Mission Gold. 

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