"Werden 22 Krieger sein": Frankreich und Kroatien sind bereit

15.7.2018, 10:07 Uhr

© AFP PHOTO / FRANCK FIFE

Für den unvergesslichen Moment eines WM-Triumphs mobilisieren die Fußball-Helden aus Frankreich und Kroatien ihre allerletzten Kräfte. Auch nach sechs harten Spielen, drei davon für das kleine Balkanland sogar mit Verlängerung, fiebern alle Hauptdarsteller dem Endspiel der Weltmeisterschaft entgegen und wollen den Goldpokal von Deutschland 2014 übernehmen. "Wir sind hierher gekommen, um es zu genießen", betonte Kroatiens Erfolgscoach Zlatko Dalic am Samstag. Ebenso wie sein Kapitän Luka Modric wirkte der 51-Jährige 30 Stunden vor dem Anpfiff ziemlich entspannt.

"Die ganze Welt schaut zu. Ich werde den Spielern keinen Druck machen, wir wollen nicht verkrampfen oder in Ehrfurcht erstarren", sagte Dalic. Erstmals kann die Auswahl des Vier-Millionen-Volkes an diesem Sonntag (17.00 Uhr MESZ/ZDF und Sky) im Moskauer Luschniki-Stadion gegen den Weltmeister von 1998 den Titel erobern.

Nur drei Tage hatten Modric und seine Teamkollegen, um sich von dem 120-Minuten Krimi am Mittwoch gegen England zu erholen. Frankreich, das all seine K.o.-Spiele bei der Fußball-Weltmeisterschaft in der regulären Spielzeit regelte, hat einen Tag mehr Zeit, um sich nach dem 1:0 über Belgien auf das "Spiel unseres Lebens" (Mittelfeldspieler Blaise Matuidi) einzustimmen.

"Im Endspiel holt man die Kraft, woher auch immer", betont Kroatiens Routinier Ivan Rakitic. Und Dalic erklärte: "Wir haben nichts mehr zu trainieren, wir müssen uns nur ausruhen."

Einen Tag nach dem Nationalfeiertag in Frankreich wollen die Spieler der Équipe tricolore den Fans in der Heimat und in Russland mit einem Sieg danken. "Wir haben Bilder gesehen und Videos. Wir wollen die Freude zurückgeben", kündigte Offensivstar Antoine Griezmann an.

Für die Franzosen wäre es der zweite Titel, bei der Heim-WM vor 20 Jahren setzten sie sich im Halbfinale gegen Kroatien mit 2:1 durch. "Wir haben 1998 gewonnen, weil es davor die Generation Platini und Tigana gab, denen der WM-Titel zwar versagt blieb, die uns aber den richtigen Weg zeigten. Genau wie jetzt unsere Erben wissen, dass der Traum realisierbar ist, weil wir ihn schon wahr gemacht haben", sagte der damalige Halbfinal-Doppeltorschütze Lilian Thuram in einem Interview der Zeitung Die Welt (Samstag), das in Kooperation mit der italienischen Zeitung La Repubblica durchgeführt wurde.

Nach Uruguay kleinste Nation

Die Kroaten wollen sich nicht verrückt machen lassen. "Unser Coach will, dass wir relaxen und das Finale genießen", sagte Modric. Und Dalic erklärte: "Was auch immer geschehen wird: Wir werden glücklich und stolz sein, das haben wir uns verdient. Wenn wir den Pokal gewinnen, wird niemand stolzer sein als wir, weil wir aus einem so kleinen Land kommen."

Nach Uruguay 1930 und 1950 wäre Kroatien die kleinste Nation, die je Weltmeister wurde. Die Begeisterung für den Außenseiter geht aber über die Grenzen des gerade mal 56.538 Quadratkilometer großen Landes hinaus. "Ich habe das Gefühl, Hunderte von Millionen sind für uns am Sonntag. Ich habe Nachrichten aus Deutschland, von überall aus der Welt. Was mich wirklich glücklich macht", sagte Rakitic.

20 Jahre alte Rechnung offen

Frankreich und Kroatien haben dank höchster individueller Klasse gepaart mit taktischer Disziplin, Leidenschaft und Teamgeist das Finale erreicht. Dass gerade die Franzosen wegen ihrer nicht immer berauschenden und einzig auf Erfolg ausgerichteten pragmatischen Spielweise auch Kritik einstecken mussten, interessiert sie nicht. "Es ist mir völlig egal wie: Ich will diesen Stern!", sagte Griezmann. "Ein Finale spielt man, um es zu gewinne"“, betonte Luka Modric und versprach: "Wir werden 22 Krieger sein."

Zumal sich dem Star von Real Madrid und seinen Mitstreitern die einmalige Chance bietet, sich für die Niederlage vor 20 Jahren zu rächen. "Jeder erinnert sich in Kroatien an dieses Spiel", sagte Dalic. Von einer Revanche wollte er nicht reden, meinte aber: "Vielleicht hat uns der liebe Gott ja die Möglichkeit gegeben, dieses Ergebnis zurechtzurücken."

Kroatiens Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic weiß gar nicht, "wie ich es bis Sonntag aushalten soll". Auch Frankreichs Emmanuel Macron fiebert der Partie entgegen. Er will wieder nach Moskau reisen und die Équipe Tricolore im Stadion unterstützen. "Ein Wettkampf ist dann gelungen, wenn er gewonnen wird. Bringt uns zum Träumen", hatte der Staatschef der Mannschaft vor der WM gesagt.

Rekord für Deschamps möglich

Trainer Didier Deschamps will diesen Auftrag nun erfüllen. Für den 49 Jährigen wäre es der zweite WM-Titel, 1998 nahm er die Trophäe als Kapitän entgegen. Nur Franz Beckenbauer und der Brasilianer Mario Zagallo waren bislang als Spieler und Trainer Weltmeister.

Deschamps kroatischer Kollege Dalic eroberte die Weltmeisterschaftsbühne als Nobody, zuletzt arbeitete er im arabischen Raum. Seine Stars wie Modric, Rakitic oder Mario Mandzukic aber hat er genauso im Griff wie Deschamps seine Topleute Griezmann, Kylian Mbappé oder Paul Pogba. Gelernt haben der Franzose und seine Spieler, die vor zwei Jahren bei der Heim-EM mit dabei waren, auch aus dem größten Fehler von damals. Nach dem Sieg gegen Weltmeister Deutschland im Halbfinale sei man zu euphorisch gewesen, betonte Matuidi. Das Endspiel verlor Frankreich nach Verlängerung gegen Portugal mit 0:1. Ein Déja-vu wollen die Franzosen unbedingt vermeiden.

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