Wittmann: Mit angezogener Handbremse in die Geschichtsbücher

15.9.2014, 05:58 Uhr
Wittmann: Mit angezogener Handbremse in die Geschichtsbücher

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Als das Rennen vorbei war, sich die drei Besten mit Champagner geduscht hatten und die Fahrer mit der obligatorischen Pressekonferenz nur noch eine Pflichtaufgabe bewältigen mussten, da saß auch Marco Wittmann auf dem Podium. Ganz rechts außen, ein wenig abseits der Hauptdarsteller, hatte man ihm einen Stuhl hingestellt. Als die drei Schnellsten alle Fragen beantwortet hatten, durfte auch Wittmann noch ein paar Takte sagen. Das Rennen sei nicht optimal gelaufen, aber insgesamt könnte man durchaus zufrieden sein mit diesem sechsten Platz, meinte der 24-Jährige.

Nun ist der gelernte Karosseriebauer, der in seiner Freizeit immer noch im elterlichen Kfz-Betrieb mithilft, für seine Bescheidenheit bekannt, aber so bescheiden, dass er den größten Tag seiner bisherigen Rennfahrer-Karriere nur mit dem Adjektiv "zufrieden" beschreiben würde, so bescheiden ist er dann doch nicht.

Ende Juni saß Marco Wittmann nach dem Rennen auf dem Nürnberger Norisring mit auf dem Podium, obwohl er nur Sechster geworden war. Robert Wickens, Jamie Green und Mattias Ekström hatten an diesem Wochenende die Schlagzeilen bestimmt, dennoch war von den Organisatoren jemand auf die kluge Idee gekommen, auch Wittmann zur Pressekonferenz einzuladen. Immerhin war der Markt Erlbacher, der inzwischen in Fürth lebt, als Lokalmatador an den Norisring gekommen und außerdem, vielleicht dachten sie sich das auch noch, könne es ja nicht schaden, den Gesamtführenden und eines der größten Talente der DTM noch einmal den Journalisten zu präsentieren.

Sonntagnachmittag war es dann so weit. Marco Wittmann war wieder als Sechster über die Ziellinie gefahren, Talent wird man ihn fortan aber nicht mehr nennen. Mit dem sechsten Platz auf dem Lausitzring hat sich der Franke als jüngster deutscher DTM-Champion in die Geschichtsbücher eingetragen. Das Team gratulierte per Boxenfunk, Wittmann bedankte sich für ein "unglaubliches Gefühl" und griff sich mit der Hand unters Visier, um sich die Freudentränen wegzuwischen.

Fast machte man sich Sorgen, ob Wittmann noch den Weg zurück in die Boxengasse finden würde, so oft griff er sich nach Rennende unter das Visier, es war eigentlich der einzige Moment in dieser Saison, in der man sich um den jungen Rennfahrer ein wenig Sorgen machen musste.

Vier von acht Rennen hat Wittmann gewonnen, nur ein einziges Mal landete er nicht in den Punkten, meistens sahen seine härtesten Konkurrenten nur seine Rücklichter. So auch auf dem Lausitzring. Edoardo Mortara und Mattias Ekström, die bei einem eigenen Erfolg und einem schlechten Abschneiden des BMW-Piloten in den verbleibenden zwei Rennen noch eine Chance gehabt hätten, kamen erst gar nicht ins Ziel, Mike Rockenfeller, der Vorjahresmeister, landete auf dem zehnten Platz. Wittmann fuhr mit angezogener Handbremse und konnte seinen Vorsprung trotzdem noch ausbauen. "Es war nicht einfach, sich aus den Duellen herauszuhalten", sagte Wittmann hinterher über ein Rennen, das der 19-jährige Pascal Wehrlein gewinnen konnte und sich damit ebenfalls in die Geschichtsbücher eintragen durfte – als jüngster Rennsieger der DTM-Historie.

Als Marco Wittmann seinen Wagen abgestellt und den Helm abgenommen hatte, durfte er im Kreis seiner Familie noch ein paar weitere Freudentränen verdrücken. "Das war ein besonderer Moment", sagte Wittmann ein paar Stunden später, als die Pressestelle von BMW die zahlreichen Gratulationen langsam in geordnete Bahnen gelenkt hatte. "Wenn man seit dem sechsten Lebensjahr gemeinsam eine Leidenschaft verfolgt, dann müssen alle Beteiligten auch auf viel verzichten."

Freudentränen mit der Familie

Die Familie war immer da, erzählte Wittmann in diesem Jahr auch vor seinem Besuch auf dem Norisring. Sie war da, als er sich in ganz jungen Jahren als Kartfahrer probierte, sie war da, als er sich durch die Nachwuchs-Rennserien kämpfte und oft nicht wusste, ob man ihm im Jahr darauf noch ein Cockpit anbieten würde. Vor zwei Jahren kam er dann zunächst als Testfahrer in die DTM, in der vergangenen Saison fuhr er erstmals um Punkte, nun darf er sich bereits Meister nennen.

Ob sein Triumph in seiner fränkischen Heimat nun einen kleinen Hype entfachen könnte, wollte man noch wissen. "Ich weiß es nicht", sagte der BMW-Pilot, "aber ich habe schon gemerkt, dass dank meiner Erfolge in der Region immer mehr Menschen bei den Übertragungen einschalten."

Darüber darf sich Wittmann Gedanken machen, wenn er die Meisterfeier überstanden hat. "Wir werden heute sicherlich mit ein paar Bieren anstoßen", sagte Wittmann. Ein Chauffeur, falls es ein Bier zu viel wird, dürfte sich am Tag danach sicherlich problemlos finden lassen. Er wird dann wieder ganz rechts außen sitzen, wie auf dem Podium am Norisring, aber diesmal wird er mehr als zufrieden sein.

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