WM-Kolumne: Der DFB kann von Frankreich lernen

11.7.2018, 10:40 Uhr
Was die letzten Jahre nicht funktioniert hat, wurde jetzt behoben. Frankreich ist wieder zu einer Einheit auf dem Platz geworden.

© dpa/Christian Charisius Was die letzten Jahre nicht funktioniert hat, wurde jetzt behoben. Frankreich ist wieder zu einer Einheit auf dem Platz geworden.

Woran es lag, dass der deutsche Fußball während dieser Weltmeisterschaft so schlecht ausgesehen hat, darüber streiten noch immer die Gelehrten. Wobei diejenigen, die diese Frage recht schnell mit Mesut Özil beantwortet haben, glücklicherweise im Diskurs kaum noch ernst genommen werden. Womit man schon bei Reinhard Grindel angekommen wäre. Der DFB-Präsident also, der in der Schuld-Frage gerne auf Özil deuten würden, sich das aber nicht so deutlich zu tun traut, wie das der Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff getan hat.

Dass Grindel überhaupt in so prominenter Rolle mitreden darf und nicht nur eine der ungezählten Troll-Stimmen im täglichen Internet-Fluss ist, verwundert einen noch mehr, als jetzt ein paar Sätze des einstigen Bundestags-Hinterbänklers Grindel bekannt werden.

"Multikulti ist in Wahrheit Kuddelmuddel", hat Grindel schon 2004 erkannt, dann noch ein wenig wirrer weiter schwadroniert – und es trotzdem zum Präsidenten eines Verbandes gebracht, der sich mit seinen Marketing-Strategien doch irgendwann mal zur Integration bekannt hat. Vielleicht war das aber auch nur ein Fehler, der selbst nach dreimaligen Drüberlesen nicht erkannt worden war und jetzt korrigiert werden soll.

Frankreich blieb multikulturell

Wie alles enden kann, wenn man sich einigermaßen treu bleibt in Sachen Moral und Anerkennen gesellschaftlicher Realitäten, hat man am Dienstagabend gesehen. Die zwölf Jahre nach der bislang letzten Final-Teilnahme bei einer Weltmeisterschaft hat Frankreichs Nationalmannschaft größtenteils damit zugebracht, sich auf großer Bühne leidenschaftlich zu blamieren.

Schuld waren auch dort dann meist "die Ausländer", also die vielen dunkelhäutigen Spieler oder einfach nur der algerischstämmige Karim Benzema, der einst festgestellt hat: "Treffe ich, bin ich Franzose. Treffe ich nicht, bin ich Araber."

WM-Kolumne: Der DFB kann von Frankreich lernen

© Bronislav Hava

Benzema darf – aus anderen Gründen – längst nicht mehr mitspielen in der Equipe, die aber trotzdem multikulturell geblieben ist. Nur nach Kuddelmuddel mag der französische Fußball derzeit in Russland so gar nicht aussehen. Stattdessen wirkt das sehr diszipliniert, man sah unter anderem gegen Belgien den Angreifer Olivier Giroud nach der Führung einen sehr formidablen Verteidiger abgeben. 

Den deutschen Fernseh-Experten Thomas Hitzlsperger hat das zu der Frage getrieben, wie denn wohl die deutschen Fans reagieren würden, hätte sich die deutsche Nationalmannschaft diesen eher zynischen Ansatz zu eigen gemacht?


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Sie würden sich, das kurz zur Antwort, wahrscheinlich sehr freuen, auch deshalb, weil ein Großteil von ihnen mit dieser Art des Fußballs sozialisiert worden ist und erst durch unter anderem Özil eine neue, atemberaubende Art des Spiels kennen gelernt hat.

Was man also von Frankreich lernen sollte: Dass es auch mal ein paar Jahre schlecht laufen kann und man trotzdem wieder herausfindet aus diesem Loch. Und man könnte daraus lernen, dass man vielleicht nicht immer "den Ausländern" die Schuld gibt, was auch für das richtige Leben ein ganz guter Ratgeber ist, wenn man sich eine Sekunde des Nachdenkens gestattet. Ansonsten bedient sich diese Kolumne sich an ihrem Ende sehr gerne bei der vom Vortag: Du bist raus, Bierhoff! Du bist raus, Grindel! 

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