WM-Kolumne: Die beste Weltmeisterschaft des Jahres

15.7.2018, 13:50 Uhr
Zwei Präsidenten unter sich: Gianni Infantino, Fifa-Boss, und der russische Staatschef Wladimir Putin sind davon überzeugt, eine tolle WM organisiert zu haben.

© Yuri Kadobnov/POOL AFP/dpa Zwei Präsidenten unter sich: Gianni Infantino, Fifa-Boss, und der russische Staatschef Wladimir Putin sind davon überzeugt, eine tolle WM organisiert zu haben.

Es sind schwere Wochen für die Nörgler, die Epo-Schnüffler, die Haare-in-der-Suppe-Sucher, die Defätisten, die Spaßbremser und Fähnchen-Knicker unter uns Weltmeisterschaftsbeobachtern: Kein Dopingfall, keine Hooligan-Schlachten, noch keine Truppenbewegungen an den Grenzen zum Baltikum, keine offensichtlichen Fehlentscheidungen zu Gunsten von Rossija. Stattdessen: begeisterte Gäste, lachende Gastgeber, Rekordzahlen, Sonnenschein - vier Wochen lang. Ist diese 21. Fußballweltmeisterschaft tatsächlich die beste Fußballweltmeisterschaft in der Geschichte von Fußballweltmeisterschaften?

WM-Kolumne: Die beste Weltmeisterschaft des Jahres

© Bronislav Hava

Vielleicht. Wer kann das schon seriös beurteilen, wer war sowohl am 13. Juli 1930 im Estadio Pocitos gestanden und hat miterlebt, wie André Maschinot und Marcel Langiller die Schottische Furche Mexikos immer wieder entblößten, als auch an diesem 15. Juli 2018 im Olimpijski kompleks Luschniki in Moskau? Wer hat die Größe und den Überblick, das Turnier von 1954 mit dem vom 1974 zu vergleichen? Gut, außer Joao Havelange, Joseph Blatter und Gianni Infantino, die jedes WM-Turnier unter ihrer Anleitung zum besten erklärt hatten. Nach welchen Kriterien darf sich jemand anmaßen, diese Turniere zu vergleichen? Was ist wichtiger: Stimmung oder Profit? Die Anzahl der Tore oder die TV-Quoten? Und ist das nicht eigentlich auch völlig egal?

Selbst die Lichtgestalt ist verblasst

Wichtig ist doch nur, was bleibt von diesen vier Wochen, die so viele Menschen im Rausch verbringen, wobei sie sich vom Fußball, von Alkohol, von der Schönheit des Lebens oder von allem zusammen beglücken lassen. 2006 hatte man noch ironiefrei vom Sommermärchen schreiben dürfen, weil eine Fußball-WM tatsächlich ein buntes, freundliches, strahlendes Deutschland offengelegt hat. Zwölf Jahre später aber ist nur noch wenig übrig von diesem vermeintlich unverkrampften Patriotismus, von der Gastfreundschaft - selbst die Lichtgestalt ist verblasst. Vielleicht war es tatsächlich nur ein Märchen.

Gerade aus dieser Erfahrung heraus kann man diesem riesigen Russland nur wünschen, dass es sich tatsächlich mit einem Fußballturnier weiterentwickelt hat; dass das tausendfache Lachen keine Momentaufnahme war; dass künftig für alle Russen gilt, was für die Gäste aus aller Welt in diesen vier Wochen selbstverständlich war; dass niemand unter den horrenden Ausgaben leiden muss; dass die beeindruckenden Stadien auch weiterhin mit fröhlichen Fans gefüllt werden; dass Regimekritiker, Homosexuelle und Journalisten nicht mehr in Angst leben müssen; dass diese WM als perfekt organisiertes Turnier in Erinnerung bleibt, auf das man stolz sein darf, und nicht als Inszenierung eines Sommermärchens, das allein Wladimir Putin genutzt hat. 

Es war ein schönes Turnier, die bestmögliche Fußballweltmeisterschaft des Jahres 2018. Hoffentlich bleibt sie das auch.

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