WM-Kolumne: Wenn Sepp Blatter sich als Fifa-Präsident sieht

21.6.2018, 07:01 Uhr
WM-Kolumne: Wenn Sepp Blatter sich als Fifa-Präsident sieht

© Aaron Chown/dpa

"Er ist wieder da" heißt der Bestseller von Timur Vernes, in dem plötzlich ein alter Mann mit Seitenscheitel und markantem Oberlippenbart durch das Berlin des Jahres 2014 spaziert - und nach anfänglichen Orientierungsproblemen in seiner stinkenden Nazi-Uniform tatsächlich versucht, sein fürchterliches Lebenswerk zu vollenden. Er gibt sich als der Führer aus.

Joseph S. Blatter gibt sich dieser Tage als der Fifa-Präsident aus, was nicht annähernd so verwerflich ist, aber ebenfalls nicht wirklich jugendfrei. Und vor allem: falsch. Deshalb hat sich selbst der Kreml jetzt ein wenig distanziert vom schmerzfreien Schweizer, der einfach keine Ruhe geben mag. Der steif und fest behauptet, einer Einladung seines langjährigen Geschäftspartners Wladimir Putin zu folgen. Einer ausschließlich privaten, wie ein Kreml-Sprecher jetzt klarstellte. 

Er ist wieder da: Dementsprechend stolziert Joseph S. Blatter frech durch die russische Hauptstadt, als sei nicht viel passiert seit seiner Exthronisierung 2015; seine Sperre, ausgesprochen durch die Ethikkommission der Fifa und bestätigt durch den Internationalen Gerichtshof, gilt noch bis 2021. 

Blatter: "Bin noch Fifa-Präsident"

WM-Kolumne: Wenn Sepp Blatter sich als Fifa-Präsident sieht

© Bronislav Hava

Somit kann Joseph S. Blatter auch nicht in offizieller Mission unterwegs sein, was Joseph S. Blatter naturgemäß etwas anders sieht. "Ich bin immer noch Fifa-Präsident", hat er jetzt in einem Interview mit RT verkündet, "aber ein suspendierter". Dabei hatte er sein Amt im Mai 2015 höchstpersönlich zur Verfügung gestellt, als die Einschläge im Fifa-Hauptquartier immer näher kamen.


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Er ist wieder da – und verschwand am Mittwochabend so, wie man ihn seit Jahrzehnten kennt: im Aufzug zu seiner Suite. Am Donnerstag hat er vor, weiter Unruhe zu stiften, so wie auf der Ehrentribüne des Luschniki-Stadions, wo er bereits Cristiano Ronaldo zujubelte. "Es fühlt sich an", sagte A…., ähem, Joseph S. Blatter, "wie meine WM". Ist ja auch seine. Ohne die von ihm organisierte Mehrheit im Exekutivkomitee wäre das Turnier möglicherweise doch nach England, Spanien/Portugal oder Belgien/Niederlande gegangen.

Immerhin die WM 2030 sähe Joseph S. Blatter gerne im Vereinigten Königreich, das hat er jetzt verlauten lassen, er würde bestimmt auch mal vorbeischauen, mit dann 94. Blatter-Sympathisanten soll es ja immer noch mehr als genug geben, einige wollten in Moskau sogar Selfies mit ihm. Erholt habe er sich von der schweren Zeit mittlerweile; nicht nur die russischen Fernsehsender erfreuen sich am offenbar senilen Quoten-Bringer. 

Er ist wieder da: Im Roman von Timur Vernes wird sogar eine Dokumentation gedreht über den ungebetenen Gast, der so gerne wieder mächtig wäre. So wie Joseph S. Blatter – der zumindest in seinem Reich immer noch der Fifa-Präsident ist. 

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