Wo ist der Nachwuchs im Kanuslalom?

6.6.2018, 09:48 Uhr
Wo ist der Nachwuchs im Kanuslalom?

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Um den Kanuslalom muss man sich keine Sorgen machen, der kommt ganz gut alleine klar. Der erste Eindruck, wenn man am Samstagvormittag abtaucht unter die Fernabrücke an der Stadtgrenze und die Rednitz dicht bedeckt ist von Kanus und Kindern. Man hört sie ja oft und zu Recht jammern, die Vertreter der Randsportarten wie auch der Kanuslalom eine ist. Zu viel Fußball überall, zu wenige Kinder, die sich begeistern lassen von Sportarten, die anspruchsvoller daherkommen. Manchmal aber feiern sie noch ihre Festtage in den Nischen. Diesmal eben in Fürth, wo der Nürnberg-Fürther Verein SG 83 seine schöne Anlage direkt ans Ufer und ins Hochwassergebiet hinein gebaut hat.

Die deutschen Meisterschaften der Schüler richtet die SG an zwei Tagen aus und so sieht das dann auch aus. Überall Schüler, überall Boote, von einer Krise ist nichts zu sehen. Aus Dresden sind sie gekommen, aus Schwerte, Leipzig, Dormagen und aus der Kanu-Hochburg Augsburg natürlich. Nur aus Nürnberg oder Fürth ist keiner da, und wenn man Uwe Bischoff darauf anspricht, dann hört man das erste Mal eben doch etwas von der Krise, die auch vor dem Kanuslalom nicht haltmacht, weil die Kinder entweder Fußball spielen wollen oder gleich daheim vor dem Bildschirm sitzen bleiben und das dann E-Sport nennen.

Bischoff ist der Abteilungsleiter der SG 83, seit 30 Jahren kümmert er sich. Er macht das, sagt er, in einem eigentlich funktionierenden Verein. Ein halbes Jahr lang haben sie diese Meisterschaft vorbereitet, am Wettkampfwochenende helfen knapp 40 Vereinsmitglieder mit, dass alles funktioniert, sitzen am Ufer und schauen, dass ihnen kein Fehler der Sportler entgeht, schreiben Ergebnislisten, zapfen Bier, grillen Bratwürste. Es läuft, nur eben nicht auf dem Wasser.

Natürlich haben sie auch da Erfolge, größere, als man es von einem Verein diesen Zuschnitts eigentlich erwarten darf, in dem Trainer ehrenamtlich arbeiten und deshalb rar sind. Die Geschwister Plochmann, die beiden Zwillinge Antonia und Amelie sowie ihre große Schwester Annkathrin, haben sich in Kanu-Deutschland längst einen Namen gemacht. Der Verein hat dabei mitgeholfen, vor allem aber, sagt Bischoff, liegt der Erfolg der Plochmanns im Eigenengagement der Familie begründet.

Die starken Plochmanns

Ein Vater, der seinen Töchtern den Sport ermöglichen will, Kinder, die Lust darauf haben, immer besser zu werden, was vor allem bedeutet, immer ein bisschen mehr zu trainieren als die anderen, auch dann auf dem Wasser zu sein, wenn es daheim viel gemütlicher wäre. "Das ist eine Geschichte des persönlichen Ehrgeizes", sagt Bischoff. Sie sind aber der Schülerklasse inzwischen entwachsen, die Plochmanns und ihr persönlicher Ehrgeiz — und bei der SG haben sie ein Problem.

Im Neuaufbau, so haben sie es vor den Meisterschaften angekündigt, befindet sich die Schülermannschaft. Im Neuaufbau heißt hier allerdings konkret: Sie müssen erst einmal Kinder finden, die Lust haben auf diesen Sport, die — auch das wird zur Seltenheit — auch schwimmen können, was natürlich unabdingbare Voraussetzung ist für ein Sportlerleben auf dem Wasser. Leicht, sagt Bischoff, der immer wieder an Schulen seinen Sport anpreist, ist das nicht mit dem Neuaufbau. Zehn Aktive haben sie derzeit noch im Verein, es sollen jetzt irgendwie wieder mehr werden, jüngere Sportler vor allem. Es braucht ja nicht viel, um einzusteigen, sagt Bischoff: ein bisschen Körpergefühl, ein bisschen Disziplin, mit sechs oder sieben Jahren sollte man idealerweise beginnen — der Rest findet sich dann schon.

Der Rest findet sich dann schon, das sagt auch Paul Jork. Der 29-jährige Dresdner, der längst in Rosenheim wohnt, ist bayerischer Landestrainer. Er steht am Rand der Strecke und macht sich natürlich auch Gedanken über seinen Sport, wo sie gerade auf Druck des Internationalen Olympischen Komitees eine Bootsklasse, den Canadier-Zweier, mehr oder weniger beerdigt haben.

Jork ist selbst C2 gefahren, wundert sich über diese Entscheidung, die aber natürlich an diesem Wochenende an der Rednitz erst einmal keine Rolle spielt.

Ihm geht es um den Nachwuchs. "Wir brauchen die breite Masse", sagt Jork mit Blick auf das Wasser. Aus der breiten Masse filtert er dann die heraus, die es in die enge Spitze schaffen können, irgendwann vielleicht einmal Medaillen für Deutschland gewinnen, was ja besonders bei den Olympischen Spielen wichtig ist, weil die Republik sich dann an die Nischensportarten erinnert und fast ein wenig beleidigt ist, wenn die nichts dazu beitragen, dass es im Medaillenspiegel weit nach oben geht.

Jork hat die Strecke auf der Rednitz gesteckt, versucht, die Tore so anzuordnen, dass "sie einen 14-Jährigen fordern und ein Zehnjähriger runterkommt". Das ist gelungen, er schaut einigermaßen zufrieden auf das, was er da sieht, was zwischen den Toren passiert. Die Kinder, sagt Jork, sollen ein eigenes Gespür dafür entwickeln, wie sie am besten die Strecke bewältigen, eigene Lösungen finden.

Wem das hier dann besonders gut gelingt, der bekommt Jorks Aufmerksamkeit, unabhängig davon, ob die körperlichen Voraussetzungen schon den kommenden Spitzenathleten erahnen lassen. Die "Großen, Kräftigen", sagt Jork, fehlen bei diesen Meisterschaften, das ist ein Unterschied zu den vergangenen Jahren.

Trotzdem: "Es gibt die breite Masse noch, aber es wird weniger", sagt Jork. Gegen diesen Trend zu arbeiten, das ist in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren auch die Arbeit von Bischoff und seinen Kollegen bei der SG 83. Wer ihnen am Samstag zugesehen hat da unter der Fernabrücke, der ahnt: Die bekommen das hin.

Weitere Infos und Ansprechparten der Kanuabteilung der SG 83 Nürnberg-Fürth finden Sie auf der Webseite: https://www.sg-1883.de/kanu

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