Wunderknabe beim FCN: Tillman muss sein Talent beweisen

19.11.2018, 10:59 Uhr
Wunderknabe beim FCN: Tillman muss sein Talent beweisen

© Sportfoto Zink / DaMa

Das Gefühl, ein Star zu sein, wollte Timothy Tillman offenbar bis zur letzten Sekunde auskosten. Während seine ebenfalls ausgewechselten Kollegen eine Abkürzung nahmen, um so schnell wie möglich in die warme Kabine zu gelangen, ließ sich der 19-Jährige Zeit. Ganz langsam und mit etwas Abstand zu den anderen schritt er die Werbebande entlang, erst hinter dem Tor, danach vor der Haupttribüne am Schwaiger A-Platz.

Nicht eine Hand ließ er aus. Timothy Tillman suchte förmlich den Kontakt zu den Fans, die ja irgendwie auch seine sind, die Nähe, es schien ihm gutzutun, mal wieder angehimmelt zu werden. Im Alltag passierte das in letzter Zeit ja nicht mehr so häufig; hier und da mal ein Autogramm oder ein Foto nach dem Training, das war’s dann aber auch schon mit der Popularität.

Ein Tor, eine Vorlage

Eher unregelmäßig hat Timothy Tillman seit seinem Wechsel im Sommer von der zweiten Mannschaft des FC Bayern zur ersten des 1. FC Nürnberg gespielt, fünfmal kam er in der Regionalliga Bayern zum Einsatz und außerdem in jedem Testspiel, so auch am Samstag in Schwaig gegen den tschechischen Zweitligisten FK Usti nad Labem (4:2). Zweimal zählte er bislang zum Bundesliga-Aufgebot, in Berlin und gegen Mainz – blieb aber Zuschauer.

Dass sich das Timothy Tillman etwas anders vorgestellt haben könnte, als er sich entschloss, den Traum von einer vielleicht großen Karriere beim deutschen Rekordmeister erst einmal einer phasenweise eintönigen Lehre zum Berufsfußballer zu opfern, sieht man ihm an. Wer ihn darauf anspricht, erhält entweder gar keine oder höchstens einsilbige Antworten. Natürlich wäre der gebürtige Nürnberger gerne unverzichtbar, eine feste Größe. Aber was nicht ist, wird ja vielleicht noch. So ungefähr in sechs, sieben Monaten.

Der Trainer bittet um Verständnis und Geduld; so eine Fortbildung dauert eben, nur wenige Talente meistern den Übergang vom Junioren- in den Männerbereich problemlos. Auch beim 1. FC Nürnberg gab es in den vergangenen Jahren kaum Beispiele für eine nahtlose und vor allem direkte Eingliederung; Niklas Stark profitierte dabei ebenso von seiner außergewöhnlichen Physis wie Lukas Mühl oder Cedric Teuchert, selbst Eduard Löwen musste sich zunächst in der U21 empfehlen. Wer bloß auf seine Fähigkeiten am Ball vertraut, muss sich hinten anstellen.

Das gilt auch für Timothy Tillman. Sein ehemals großer Name hilft ihm gerade auch nur bedingt weiter. In der U17 zählte er noch zu den Wunderknaben Europas, eine halbe Million Euro überwies der FC Bayern für ihn einst an die SpVgg Greuther Fürth, selbst der FC Barcelona zeigte Interesse. Bayern, Barcelona – so etwas kann nicht spurlos an einem jungen Menschen vorübergehen.

Ein "spannendes Projekt" 

Die immensen Erwartungen ringsum und auch an sich selbst scheinen sich nicht zum ersten Mal eher kontraproduktiv auszuwirken beim Versuch, sich endlich oben durchzusetzen. Dass er dem Aufsteiger sofort eine Hilfe sein könnte im Kampf gegen den Abstieg, hatten sie ohnehin nicht gedacht im Sommer, als der Leihvertrag unterzeichnet war. Schon damals sprach Michael Köllner lediglich von einem "spannenden Projekt". 

Am Samstagnachmittag in Schwaig hat Tillman überragende Szenen und abenteuerliche; Mikael Ishak legt er bei seinem Comeback gleich uneigennützig einen Treffer auf, den zweiten erzielt er nach sehenswerter Einzelleistung selbst. Kurz darauf leistet er sich haarsträubende Fehlpässe oder geht Zweikämpfen aus dem Weg. "Er ist nach wie vor ein Jugendspieler", sagt Köllner nach der Einheit am Freitagnachmittag, Tillman habe zwar "eine hohe Veranlagung, wird aber seine Zeit brauchen".

Das Beispiel Rhein

Wie lange noch, ist zumindest absehbar. Simon Rhein, der gegen Frankfurt unlängst in der Bundesliga debütierte, habe ab seiner ersten Einheit mit den Profis genau ein Jahr und einen Tag benötigt, bis er so weit war, sagt Köllner, "das ist ein harter Prozess". Der aber nur dann zu einem erfolgreichen Abschluss führen könne, "wenn sich der Spieler vertrauensvoll in deine Hände begibt".

Aktuell bleibt Timothy Tillman, der in der vergangenen Saison bereits in der U23 des FC Bayern seinen Mann stehen musste, wohl auch gar nichts anderes übrig, als sich zu fügen, wenn auch manchmal zähneknirschend. Das nächste Testspiel findet schließlich erst 2019 statt. Reservisten wie Tillman, sagte Köllner im eisigen Schwaiger Wind noch, "können sich jetzt erst wieder Anfang Januar in Spanien beweisen". 

 

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