Stammtisch der besonderen Art

22.7.2014, 13:00 Uhr
Stammtisch der besonderen Art

© romir

„Ohne Senioren würde in unserer Gemeinde gar nichts mehr gehen“, sagt Pfarrer Berthold Kreile voller Überzeugung. „Sowohl bei den Gottesdiensten als auch bei den ehrenamtlichen Tätigkeiten.“ Deshalb war es für die evangelische Gemeinde praktisch Ehrensache, ihren ersten „Politischen Stammtisch“ anlässlich des Reformationsjubiläums dem Thema „Beruhigt alt werden“ zu widmen.

Altenheimseelsorger Rudolf Koch führte als Moderator durch die Diskussion und schaffte es, die vielen Fachleute, Betroffenen und Angehörigen im Publikum genauso zu Wort kommen zu lassen wie die drei Politiker auf dem Podium: Die Oberasbacher Bürgermeisterin Birgit Huber, Landrat Matthias Dießl und der ehemalige Ammerndorfer Bürgermeister Franz Schmuck.

„Ich mag ans Altwerden gar nicht denken“, gab dieser ehrlich zu. „Ich hoffe, ich kann mich irgendwann gesund hinlegen und am nächsten Morgen nicht mehr aufwachen. In ein Heim, wo ich mit Psychopharmaka ruhiggestellt werde, will ich jedenfalls nicht.“ In Ammerndorf kämpfte Schmuck deshalb für „bezahlbaren, barrierefreien Wohnraum im Ortskern“ — leider bisher vergeblich.

Dagegen steht Oberasbach mit dem Projekt „Demenzfreundliche Kommune“ recht gut da. „Es gibt viele Angebote, vom ambulanten Wohnen über Sing- und Tanzkreise“, meint Bürgermeisterin Huber. „Was noch fehlt, ist eine zentrale Anlaufstelle. Eine Person, die fachlich kompetent ist und die der Seniorenarbeit ein Gesicht gibt.“

Denn gute Vorschläge, was für Senioren verbessert werden könne, gibt es viele. So wünscht sich eine fast blinde Rentnerin mit Rollator eine bessere Schulung des VAG-Personals, „damit ich auch mal wieder über die Grenzen von Oberasbach hinauskomme“, aber auch, dass Zweige, die in den Gehweg ragen, zurückgeschnitten werden.

Ein anderer Besucher hat seine demente Frau dabei, die er seit sechs Jahren betreut: „Es ist wichtig, dass die Angehörigen lernen, auch auf sich selbst zu achten“, betont er. „Wenn ich vor Erschöpfung umkippe, ist weder mir noch meiner Frau geholfen.“ Deshalb sei es wichtig, demente Menschen an Gruppen zu gewöhnen: „Auch wenn sie vielleicht am Anfang nicht hin wollen, weil sie niemanden kennen. Da muss man sie manchmal zu ihrem Glück zwingen.“

Noch günstiger wäre es natürlich, da sind sich alle einig, wenn die Menschen schon vor der Demenz lernen würden, fürs Alter vorzusorgen. Etwa, indem sie ihre Wohnungen barrierefrei umbauen oder sich einen Freundeskreis schaffen: „Für meine Generation, die mit Studenten-WGs aufgewachsen ist, sehe ich da gute Chancen“, meinte die Bürgermeisterin. Viele Vertreter der Pflegeberufe nutzen die Veranstaltung auch, um erneut auf die schlechte Bezahlung ihrer Arbeit aufmerksam zu machen: „Wir können ja nicht streiken wie die VAG“, meint eine Pflegerin. „Aber wir hoffen, dass unsere Appelle trotzdem ankommen.“ „Das tun sie – zumindest bei uns im Landkreis“, betont Landrat Dießl. Da seine Schwester selbst einen ambulanten Pflegedienst leitet, kennt er das Metier sehr gut. „Wir machen uns viele Gedanken über das Thema, etwa mit unserem Projekt ,Mut zur Alternative in der Altenpflege‘ und der Vernetzung der Einrichtungen.“

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