Theilenhofen: Was macht ein Baumwart?

19.7.2017, 06:30 Uhr
Theilenhofen: Was macht ein Baumwart?

© Babett Guthmann

Was macht eigentlich ein Baumwart? "Allerhand!", antwortet Gerhard Kolb zunächst einmal in typisch fränkisch-bescheidener Manier. Im Laufe des Gesprächs stellt sich heraus: Mehr als 200 Bäume hat Gerhard Kolb gemeinsam mit Erwin Reuthelhuber gepflanzt, seit er sein Ehrenamt übernommen hat. Das ist schon eine ordentliche Anzahl, zumal da sehr viele Obstbäume darunter sind, die weiterhin gepflegt und geschnitten werden müssen. Doch für Gerhard Kolb geht es nicht um Obsterzeugung, um Masse statt Klasse. Es geht um Respekt.

Ein gutes Beispiel ist der alte Methusalem-Obstbaum, der an der Ortsverbindungsstraße von Pfofeld nach Theilenhofen kurz vor dem Dorf seine knorrigen Äste in den Himmel streckt. Dieser Baum mit viel Totholz und ein paar mickrigen Früchtchen gehört zu den von Gerhard Kolb besonders geschätzten Exemplaren in seinem Baumwart-Revier rund um Theilenhofen.

Heimat für Insekten

Solch hohe Streuobstbäume sind in der modernen Obstproduktion eine Seltenheit geworden. Während moderne Obstbäume klein und kompakt wachsen und schon im zweiten Jahr Früchte tragen, kommt man bei dem alten Apfelbaum gar nicht in Versuchung, eine Erntebilanz in Zentnerzahlen aufzumachen. – Wenn überhaupt jemand sich die Zeit nimmt, die paar Äpfel zu pflücken. Denn eine lange Lagerzeit haben die meisten alten Sorten auch nicht.

Gerhard Kolb weist auf den ökologischen Nutzen seines alten Freundes hin: Dieser Baum steht für Lebensvielfalt, bietet mit seinem Totholz ein natürliches Insektenhotel und an seinen Blüten haben die Bienen und viele andere auf Nektar angewiesene Insekten einen Landeplatz gefunden. Und Früchte, die nicht von Menschenhand geerntet werden, sind dennoch nicht vergebens gewachsen: Sie bieten für Insekten, Igel und andere Tiere eine weitere Futterquelle.

Ohne Erntestress

Damit keiner auf die Idee kommt, an diesem und weiteren altehrwürdigen Streuobstbäumen herumzusägen, hat Gerhard Kolb eigens ein Schild anfertigen lassen, das die Schutzwürdigkeit deutlich macht: "Methusalem-Baum" steht auf dem am Stamm befestigten Hinweis. Der biblische Methusalem soll übrigens 962 Jahre alt geworden sein, und der Name wird auch für eine 4768 Jahre alte US-amerikanische Grannenkiefer benutzt, den vermutlich ältesten Baum der Erde. Methusalem passt aber auch gut zu dem vielleicht 50, 60 Jahre alten Obstbaum-Opa, der ohne Erntestress und Erziehungsschnitt, wohl aber mit behutsamer Pflege sein Seniorendasein genießen darf – "bis er morsch wird und ein Sturm ihn fällt", so Gerhard Kolb.

Wie wird man eigentlich Baumwart? Streuobstwiesen, Straßen- und Feldbäume sind oft in gemeindlichem Besitz, und wenn sich nicht ein engagierter Gemeindearbeiter findet, der da baumpflegerisch tätig wird, dann verläuft der Alterungsprozess solcher Bäume mitunter im Zeitraffertempo. Oft fehlt es aber auch an Zeit für solche Maßnahmen, und so oft wie Gerhard Kolb regelmäßig eine Runde dreht und nachsieht, ob beispielsweise ein Baum durch einen Verkehrsunfall geschädigt wurde und eine Wunde versorgt werden muss, kann dies die Gemeinde gar nicht leisten.

So ist Theilenhofens Bürgermeister Helmut König froh, dass sich seit 2004 Gerhard Kolb dazu bereit erklärt hat, hier tätig zu werden und dazu die Baumpflanzaktionen im Rahmen der Dorferneuerung zu übernehmen. Auch der Obst- und Gartenbauverein Theilenhofen mit Vorsitzender Jutta Schlund unterstützt den Baumwart und seine Ausstattung.

Seit 2014 darf sich Gerhard Kolb offiziell "Baumwart" nennen, denn damals hat er den recht neuen Ausbildungsgang zum Baumwart in den Landwirtschaftlichen Lehranstalten Triesdorf mit Erfolg absolviert und ist als Fachmann fürs Veredeln, Schnittmaßnahmen, Baum- und Sträucherpflege, Bodenkunde und Obstverwertung auch in den Nachbargemeinden ein geschätzter Ansprechpartner.

Hungriger Holzbohrer

So ein Baumwart muss allerdings auch mal eine Niederlage einstecken und sich seinen Feinden geschlagen geben. So wollte Gerhard Kolb in der Nähe der Schindeiche Theilenhofen gerne Traubeneichen ansiedeln. Dem ungleichen Holzbohrer schmeckten die jungen Bäumchen besonders gut und so war die Neuanpflanzung ruckzuck zu Tode genagt. Gerade läuft ein zweiter Versuch mit Stieleichen.

Zu den Aufgaben eines Baumwarts gehört es auch, das Wissen an Gartenbesitzer und Gemeindemitglieder weiterzugeben. Gerhard Kolb tut dies mit viel Humor: Früher habe man den Leuten geraten, ihre Obstbäume so zu schneiden, dass man einen Hut durch die Krone werfen kann, berichtet er. Gut belüftet sollte ein Baum schon sein, aber es gehe schon um die Obsterzeugung. Also Vorsicht beim allzu großzügigen Ansetzen der Astschere: "Man kann einen Obstbaum auch so zurechtschneiden, dass man eher Holz als Obst erzeugt", meint Gerhard Kolb augenzwinkernd.

"Es macht Spaß"

In seinem eigenen, gar nicht so großen Garten hegt und pflegt der Theilenhöfer gemeinsam mit seiner Frau Rosi eine wunderschöne Obstanlage mit kleinen Spindelbäumen. Sein Lieblingsapfel ist der Topaz: saftig, süß-säuerlich, lagerfähig bis März. Zudem sei diese bei Direktvermarktern und Biobauern beliebte Sorte sehr schorf- und schädlingsresistent und man komme ohne Pflanzenschutzmittel aus. Überhaupt gilt für Gerhard Kolb: "Ein paar Läuse schaden einem gesunden Baum nicht." Abraten möchte er auch vor dem Pflanzen von Kirschlorbeer und Forsythien – beides "tote Sträucher", auf denen kein Insekt krabbeln mag.

Eigentlich ist es nun klar, was den naturverbundenen Ehrenamtlichen und Theilenhöfer Gemeinderat antreibt, dass er nach der Arbeit im Finanzamt Gunzenhausen noch regelmäßig eine Runde mit Leiter und Astschere rund ums Dorf macht. "Es macht Spaß", sagt Gerhard Kolb und betont, wie er auch die Zusammenarbeit mit Erwin Reuthelhuber genießt: "Zu zweit macht es noch mehr Spaß!"

Im Frühjahr gibt es auch ganztägige Einsätze beim Obstbaumschneiden, im Sommer kommt der Sommerschnitt und die Pflege der Laubbäume dazu. Im Herbst stehen dann Neuanpflanzungen an. Und im Winter? Gerhard Kolb lacht: "Obstler trinken!"

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