Tsunami-Trauma: Als die Fluten durchs Wohnhaus schossen

26.12.2014, 12:07 Uhr
Tsunami-Trauma: Als die Fluten durchs Wohnhaus schossen

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Tsunami-Trauma: Als die Fluten durchs Wohnhaus schossen

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Innerhalb von nur 30 Sekunden ist der Meeresspiegel um vier Meter gestiegen. Und das direkt an der Küste, wo normalerweise Touristen im weichen Sand spazieren gehen und mit ihren Kindern plantschen. Dort, wo sonst nur knapp 20 Zentimeter den Unterschied zwischen Ebbe und Flut ausmachen, ist plötzlich alles meterhoch überschwemmt.

Von der heranrauschenden braun-grünen Welle – keine Wasserwand wie in den Hollywoodfilmen, aber dennoch vier bis fünf Meter hoch – wurde sie mitgerissen und durch die massive Holztür ihres Wohnhauses geschleudert, die unter dem Aufprall zerbrach. Erst später fiel ihr auf, dass die gewaltigen Wassermassen durch ihr Haus hindurch geschossen waren, wie ein Bulldozer durch Styropor und die stabilen Steinwände einfach mitgerissen hatten. So beschreibt Delia Zimmler die Vorkommnisse von damals. Auch wenn es bereits zehn Jahre her ist, schildert sie das Szenario, als wäre es erst gestern passiert.

„Während ich mich durch den herumschwimmenden Hausrat kämpfte, dachte ich die ganze Zeit an meine damals erst zweijährige Tochter. Sie war mit meiner Mutter ins Badezimmer geflüchtet, glücklicherweise im ersten Stock“, erzählt Zimmler weiter. Ihre Familie hatte ihr seinerzeit zu Weihnachten einen Besuch abgestattet. 1999 war sie als angehende Lehrerin für eine Studienarbeit über den Buddhismus nach Sri Lanka gekommen. Sechs Monate Aufenthalt waren eingeplant, wegen der Liebe blieb sie dann zehn Jahre auf dem Inselstaat, östlich der Südspitze Indiens.

„Wir hatten wirklich großes Glück. Mein Mann, meine deutsche Familie – alle haben überlebt.“ Auch in der Hotelanlage ihres Mannes, in der sie als Managerin und Tauchlehrerin arbeitete, gab es keinen einzigen Todesfall, da sich fast alle Menschen im Umkreis auf den nahe gelegenen Tempelberg geflüchtet hatten.

Schlechter war es hingegen vielen Einheimischen ergangen, berichtet Zimmler. Unter ihnen gab es viele Tote zu beklagen. Zudem waren durch die Überschwemmung nahezu alle Brunnen verunreinigt, Trinkwasser war plötzlich rar. Auch der Strom blieb sofort weg, weshalb innerhalb weniger Stunden fast alle Vorräte bei 35 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit verdorben waren.

„Wir freuten uns kurz, dass wir überlebt hatten, dann begannen wir zu helfen“, erinnert sich die 42-jährige Lehrerin, die am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium in Oberasbach Englisch und Geschichte unterrichtet. Als Tauchlehrerin konnte sie direkt vor Ort weitere Ersthelfer ausbilden, ihre Familie half nur wenige Tage später von Deutschland aus beim Sammeln von Geld- und Sachspenden.

„Enttäuscht war ich von den großen Hilfsorganisationen. Auf unseren offiziellen Hilfsantrag hin erhielten wir vom THW noch nicht einmal eine Antwort. Und World Vision wollte für PR-Zwecke große Transparente um das Fischerdorf Kosgoda aufstellen. Die hatten dort gerade einmal ein Toilettenhäuschen aufgestellt – private Helfer hatten hingegen schon zehn neue Hütten errichtet“, kritisiert Zimmler das damalige Vorgehen.

Etwa zwei Jahre dauerte es laut ihrem Bericht, bis die Normalität auf Sri Lanka wieder hergestellt war. 2008 kehrte sie der Insel dann den Rücken, um in Deutschland als Lehrerin zu arbeiten. Ihr Studium hatte sie zwischendurch während eines Heimataufenthalts beenden können. Seit 2009 ist sie am Oberasbacher Gymnasium tätig.

Aufgrund der Naturkatastrophe im Jahr 2004 steht heute auf dem gymnasialen Geographie-Lehrplan der zehnten Klassen auch das Thema Tsunami. Mit ihrem sehr authentischen Bericht bereichert Zimmler seit 2010 diesen Unterricht an ihrer Schule. Ihrem Vortrag – ihn unterstützen Bilder, die ihr Vater am Unglückstag gemacht hat – konnte man jüngst auch an der VHS Oberasbach beiwohnen. „Am liebsten wäre es mir natürlich, wenn es den Tsunami nie gegeben hätte“, sagt sie. „Ich habe dabei und in der Zeit danach aber auch sehr viel gelernt. Das möchte ich nun gern weitergeben.“

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