Umzug in Veitsbronn mit Rollator und Lehnsessel

22.8.2015, 06:00 Uhr
Umzug in Veitsbronn mit Rollator und Lehnsessel

© Foto: Kai Barnickel

„Ziehen wir heute um?“ In den vergangenen Wochen mussten die Pflegerinnen in Veitsbronn diese Frage viele Male beantworten. „Manche haben Tag und Nacht gefragt“, erzählt Anette Malter, seit Juli Interimsleiterin der Einrichtung wegen einer Erkrankung der eigentlichen Chefin. Gut 80 Prozent der Bewohner, schätzt Pflegedienstleiterin Heike Wild, leiden unter dementen Ausfallerscheinungen. Ein konkretes Umzugsdatum bedeutet ihnen nichts.

Doch spätestens seit ihre Angehörigen oder die Pflegerinnen die Koffer mit den oftmals nur noch wenigen Habseligkeiten packten, spüren die Bewohner die Veränderungen. Die Nervosität ist seit Tagen greifbar. Wer noch fitter ist, wie eine 80-jährige alte Dame, hat sich das neue Haus schon angesehen. „Ich habe ein sehr kleines Zimmer erwischt“, beklagt sie sich. Dafür hat sie jetzt ein Einzelzimmer, bisher teilte sie sich einen Raum mit einer Mitbewohnerin. Schon bei ihrem Einzug vor zwei Jahren habe sie sich nur schwer eingewöhnt. Wie es wohl im neuen Haus wird, fragt sie sich bang.

Ihre 91-jährige Mitbewohnerin, die ebenfalls schon ihr neues Zimmer inspiziert hat, ist in besserer Stimmung. „Mir gefällt das neue sehr gut. Ich bin zufrieden“, sagt sie.

„Für einige Bewohner ist das Gebäude in der Nürnberger Straße weniger heimelig“, weiß auch Leiterin Malter, denn dort ist selbst der Geruch neu. Deutlich größer wird die Einrichtung außerdem, die zu dem privaten Träger Korian gehört, ein französisches Unternehmen mit 230 Senioreneinrichtungen in Frankreich, Italien und Deutschland. Bislang lebten in dem alten Haus 56 Menschen, künftig werden es 96 sein. „Die Nachfrage ist enorm“, sagt Anette Malter. Die allererste Seniorin ist gleich nach dem Frühstück in die Nürnberger Straße gezogen. Ihre Tochter hat sie die 500 Meter im Rollstuhl gefahren. „Wunderbar“ kommentiert sie, während sie in der hellen Cafeteria sitzt und von dort aus das Umzugsgeschehen beobachtet.

Die Heimleiterin macht schnell ein Foto von ihr mit der Handykamera: „Damit wir später noch wissen, wer als Erste hier war.“ Und schon ruft wieder jemand nach ihr: „Frau Malter, können wir die große Tür öffnen?“ Nein, das geht nicht, denn die Automatik der Glastür funktioniert nicht. Handwerker werden noch eine ganze Weile im neuen Gebäude aktiv sein müssen. Auch weil dort die Abteilung für Demente mit Weglauf-Tendenz nicht komplett fertig ist.

Mit Krankenwagen kommen die Menschen, die nur noch liegend umziehen können. Ihre aufblasbaren Pflegematratzen, die sie benötigen, um sich nicht wundzuliegen, bringen die Sanitäter gleich mit. Elf solcher Schwerstpflegebedürftiger hat die Einrichtung. Sie werden sofort in ihre Zimmer gebracht, die alle bereits eingerichtet und mit Namensschildchen versehen sind.

In manchen Räumen stehen nur die Möbel, die das Heim zur Verfügung stellt, andere sind ganz individuell ausgestattet. „Einige haben es ihrem Vater oder ihrer Mutter gemütlich gemacht“, freut sich die Heimleiterin über die gute Zusammenarbeit mit den Angehörigen. Fotos an den Wänden, geliebter Zierrat im Regal oder ein gemütlicher Lehnsessel am Fenster — dafür ist in den Zimmern zwischen den funktionalen Möbeln Platz.

In einen Kleinbus nach dem anderen steigen, unterstützt von den Pflegerinnen, die Gehbehinderten ein. Ob alle Rollatoren noch in den schmalen Kofferraum passen? Es geht gerade so und der Rollstuhl passt zusammengefaltet auch noch irgendwie dazwischen.

25 Frauen und zwei Hausmeister sind im Einsatz, damit in gut sechs Stunden alle in der Nürnberger Straße angekommen sind. „Wir mussten eine Urlaubssperre mitten im August verhängen“, stöhnt Anette Malter, „aber es hilft ja nix.“ Sie selbst hat in den vergangenen Tagen sogar in dem neuen Haus übernachtet, dort gekehrt, Betten zusammengebaut und an der Umzugslogistik — „zuerst die wichtigen Medikamente“ — getüftelt, damit alles reibungslos klappt.

Zum Schluss gibt es nur noch letzte Gegenstände aus dem Haus in der Puschendorfer Straße zu holen.Es geht zum 31. August wieder an seinen Besitzer zurück. Ein Umbau, das wird deutlich sichtbar, nachdem das Gebäude leerer und leerer wird, wäre nicht mehr möglich gewesen. Zu viele Schwellen und Stolperfallen, zu viel Enge in den Nebenräumen von Büro bis zur Waschküche, ein gewendeltes Treppenhaus. „So ein Gebäude würde heute nicht mehr als Heim genehmigt“, weiß Leiterin Malter.

„Jetzt ziehen wir nicht mehr um“, sagt die erste Bewohnerin heiter lächelnd. Und spätestens, wenn die Nachtschicht übernimmt, geht alles in der Nürnberger Straße wieder seinen geregelten Gang.

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