Verstummen die Chöre im Nürnberger Land?

28.9.2012, 20:00 Uhr
Viele Gesangsvereine im Nürnberger Land wären froh, wenn sie soviele aktive Sänger hätten wie der Gesangsverein Walting

© Steiner Viele Gesangsvereine im Nürnberger Land wären froh, wenn sie soviele aktive Sänger hätten wie der Gesangsverein Walting

Am Montagabend wird es eine außerordentliche Mitgliederversammlung des Gesangvereins 1871 Simonshofen geben, bei der die passiven Mitglieder noch einmal „aufgerüttelt“ werden sollen, sich mehr am Chor zu beteiligen. Denn sonst droht die Auflösung des seit über 140 Jahren bestehenden Ensembles wegen zu wenig aktiver Sänger.

In den letzten 20 Jahren ist die Zahl der passiven Mitglieder von 100 auf 80 gesunken – von den einst fast 30 Aktiven sind heute noch etwa 15 übrig. Derzeit finden sich in Simonshofen nur etwa zwölf Mitglieder zu den Chorproben ein. Jeder, der fehlt, gefährdet die Probe. Man kann die vier nötigen Stimmen – den ersten und zweiten Tenor und den ersten und zweiten Bass – gerade noch abdecken, wenn man drei Leute pro Stimme hat. „Aber wenn dann noch einer wegfällt, geht’s nicht mehr“, sagt Krodel.

In Haimendorf ist die Situation ähnlich, auch wenn die Existenz des Vereins noch nicht bedroht ist. Anton Grüner konnte 1989 zu Beginn seiner Arbeit als Chorleiter mit 25 aktiven Sängern üben. Heute sind es im Schnitt noch etwa 15. Insgesamt besteht der Verein aber nach wie vor aus etwa 100 Mitgliedern.

Walter Neumann aus Schwaig, Vizepräsident des Fränkischen Sängerbunds, erklärt, dass die Gesangvereine des Nürnberger Landes dem Sängerkreis Hersbruck angehören, der bis in die Oberpfalz und den Landkreis Bayreuth reicht und etwas über 100 Vereine umfasst. Im Landkreis selbst gibt es 50 Chöre. „Zurzeit sind die Mitgliederzahlen stabil, sie gingen aber lange Zeit zurück. Es gehörten einst 130 Vereine zum Sängerkreis Hersbruck“, so Neumann.

Überangebot an Vereinen

Doch wo liegen die Gründe für die Schwierigkeiten der Gesangvereine? „Viel zu viele wollen sich im Vereinsleben nicht mehr engagieren“, glaubt der Vorsitzende von Simonshofen. Der Chorleiter aus Haimendorf kann sich dies ebenfalls gut vorstellen: „Keiner will mehr aktiv etwas machen – man lässt sich lieber berieseln.“ Reinhard Müller, der im Vorstand des Gesangvereins Simonshofen sitzt, ist davon überzeugt, dass ein grundlegendes Überangebot an Vereinen besteht. Früher habe es im Dorf nur zwei gegeben: Feuerwehr und Gesangverein. „Und da ist man hingegangen.“

Diesen Verdacht bestätigt auch Grüner, der Haimendorfer Chorleiter: „Es gibt zu viele Möglichkeiten, sich in der Freizeit zu bewegen.“ Müller vermutet auch, dass es daran liegen könnte, dass das Singen „out ist“. Bei Jugendlichen bestehe eher Interesse an neuen Medien als an klassischen oder kirchlichen Liedern oder am Volksliedgut.

In Simonshofen und Haimendorf ist man für neue Ideen durchaus offen. Gerne würde man junge Mitglieder begrüßen, die neue Lieder einbringen und so der „Überalterung“ entgegenwirken. In der Vergangenheit hat man auch versucht, einen Frauenchor zu gründen, um genügend Sänger für einen gemischten Chor zu haben. Zum 140. Geburtstag des Vereins im letzten Jahr wollten die Simonshofener sogar 140 Sänger für einen Dorfchor zusammentrommeln – am Ende kamen nur 64.

Der Vizepräsident des Fränkischen Sängerbunds erzählt, wie der Verband versucht, neue Sänger zu gewinnen: Noch dieses – oder spätestens nächstes Jahr – wird eine Aktion anlaufen, bei der Schulchöre durch Patenschaften der Sängerkreise gewonnen werden sollen. Die Sängerkreise unterstützen die Kinder dann vor allem in ideeller Hinsicht, zu einem kleinen Teil aber auch finanziell. Die Versammlung des Simonshofener Vereins ist auch für interessierte Nichtmitglieder zugänglich. Termin: Montag um 20 Uhr, Gasthaus „Goldener Hirsch“.

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