Von der Musicalbühne Cadolzburg auf die Kinoleinwand

5.9.2015, 16:00 Uhr
Von der Musicalbühne Cadolzburg auf die Kinoleinwand

© Foto: Michael Müller

In Peter Ponnaths Filmstudio in der Melli-Beese-Straße am Fürther Golfplatz herrscht Hochbetrieb. Mit Film-Editor Jens Wolpert bereitet der Regisseur den Drehtag im Bad Windsheimer Freilandmuseum vor. Ständig klingelt ein Telefon: Jemand interessiert sich für eine Werbepartnerschaft, die Hauptdarstellerin Romina Satiro muss wegen eines PR-Termins verständigt werden. Gleichzeitig arbeitet das Zwei-Mann-Team am Dokumentarfilm, der rund um „Mademoiselle Marie“ entstanden ist.

Unter dem Leitgedanken „Eine Stadt erschafft sich ihr Musical“ zeichnete Ponnath mit seinem Team von „telefilm mediaprojekte“ die Proben, die Musikeinspielungen im Tonstudio sowie die Reaktionen des Publikums und der Mitwirkenden nach der Premiere auf. Dabei fasste er den Entschluss: „Dieses Stück muss man verfilmen, das Medium Film kann ein größeres, breiteres, jüngeres Publikum erreichen.“

Moderner Heimatfilm

Er erkannte die Chance, einen modernen Heimatfilm zu drehen, von fränkischen Künstlern gemacht und von Akteuren gespielt, die echtes Fränkisch sprechen. Denn in der deutschen Film- und Fernsehlandschaft, mit Spreewaldkrimis, Rosenheim-Cops oder Schwarzwaldhof, liegt Franken brach. „Dabei gäbe es so viele großartige Stoffe zu verfilmen.“

Zum Beispiel den von der Bäuerin Marie, die seit zehn Jahren auf die Rückkehr ihres Mannes aus der Kriegsgefangenschaft wartet und die den ehemaligen Zwangsarbeiter François, den alle Franz nennen, liebt. Sein Heimatort ist Oradour im Limousin, wo deutsche Soldaten Ende des Krieges ein grauenvolles Verbrechen begangen haben.

Von der Musicalbühne Cadolzburg auf die Kinoleinwand

© Foto: Ulrike Haschke

Seit einigen Wochen nimmt Ponnaths fränkischer Heimatfilm Gestalt an. Nach der letzten Vorstellung in Cadolzburg traten die Akteure von der Bühne ab und stellten sich übergangslos vor die Kamera, eine neue Herausforderung für die Laiendarsteller. „Das Spiel muss natürlicher und zurückhaltender sein“, erläutert Wolpert. „Das Mienenspiel tritt in den Vordergrund, denn bei Großaufnahmen spielt sich alles in den Gesichtern ab.“

Die Dreharbeiten in Gonnersdorf bei Cadolzburg und Castell bei Würzburg sind abgeschlossen. Im Oktober reist das Team nach Oradour, wo die zentrale Szene von „Mademoiselle Marie“ als reine Dokumentation entstehen soll. Die Episode im russischen Gefangenenlager, wo die Insassen Schach um ihr Leben spielen müssen, soll auf der Cadolzburger Bühne realisiert werden. „Es wäre nicht richtig, das in irgendeinem Steinbruch zu machen“, sagt Ponnath.

Um den Bezug zur Gegenwart herzustellen, hat der Regisseur eine Rahmenhandlung entworfen, in der Romina Satiro sich selbst spielt: Eine junge Frau, die Theaterwissenschaften studiert und die Traumrolle der Marie erhält. Auf der Leinwand will sie ihr Talent zur Schau stellen; über das graue Kleid, das sie in den Stallszenen tragen soll, rümpft sie die Nase. Während der Dreharbeiten begreift sie, dass es beim Film um viel mehr geht als die Verwirklichung der eigenen Träume und den Applaus des Publikums. Die Zuschauer werden sie beim Lernprozess begleiten und gespannt verfolgen, wie sich die anspruchsvolle Mischung aus Dokumentarfilm, halbdokumentarischer Rahmenhandlung, realistischen Film- und choreografierten Bühnenszenen zum Ganzen fügt.

Gelingen kann das Projekt nur, weil die Menschen sich dafür begeistern. Die rund 70 Darsteller verlangen kein Honorar. Graf Ferdinand von Castell wollte kein Geld für die Dreherlaubnis auf seinem Weingut. Ein Bauer aus Gonnersdorf verlieh seinen 60 Jahre alten Bulldog für ein Dankeschön. Ein Teil der Produktionskosten wird durch ein Darlehen des Freistaates abgedeckt, eine weitere Summe soll durch crowdfunding beschafft werden.

Viele Unterstützer gesucht

Darunter versteht man die Finanzierung von Projekten, die im Internet vorgestellt werden, durch eine Vielzahl von Menschen. Die Spender erhalten am Ende eine Gewinnbeteiligung oder ein Geschenk mit ideellem Wert. Außerdem setzt Ponnath auf Werbepartner, die im Vor- oder Abspann genannt werden, sowie auf Einnahmen aus dem Verkauf von Fernsehrechten und DVDs.

Doch zuerst sollen die Kinokassen klingeln, wenn der Film im November uraufgeführt wird. Dann kommt „Mademoiselle Marie“ von Cadolzburg nach Fürth und von dort, so hofft der Regisseur, nach ganz Bayern. Und warum sollte der fränkische Heimatfilm nicht über die bayerischen, vielleicht sogar über die deutschen Grenzen hinaus Anklang finden? Denn die kleine Liebesgeschichte von Marie und Franz, in der sich dem Grauen vor den menschlichen Abgründen das Singen, Spielen, Tanzen und Lachen der Menschen entgegenstemmt, ist ja ganz großes Kino.

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