Von Franken nach Tokio und wieder zurück

22.8.2014, 19:52 Uhr
Martina Wagner-Onishi will Deutschland und Japan stärker zusammenbringen. Die Galerie in Lauf ist da nur ein Anfang.

© Krieger Martina Wagner-Onishi will Deutschland und Japan stärker zusammenbringen. Die Galerie in Lauf ist da nur ein Anfang.

Lapislazuli. Es ist nicht irgendein Blau, das die Bilder, die an den Wänden des großräumigen Lofts in der Laufer Barthstraße hängen, dominiert. Es ist das Blau des Meeres, das Blau des Wassers, wenn der Himmel sich in den Molekülen bricht und die Strömung Wellen vor sich treibt. Pulverisiert und verdünnt, überzieht es Leinwände mit einem zarten graublauen Schleier, konzen­triert leuchtet es von Gegenständen für die Teezeremonie – eine der letzten Arbeiten, die der japanische Maler Hiroshi Onishi in den Jahren vor seinem Tod vollendete.

Ein weiterer großer Auftrag, die Ausgestaltung des Tenjuan-Tempels in Kyoto, hingegen blieb unvollendet. 73 Schiebetüren des berühmten Bauwerks sollte der Professor der Tokio University of Art mit der von ihm entwickelten Lapislazulitechnik bemalen. Nur zwölf konnte er gestalten, bevor er im Frühjahr 2011 bei einem Unfall ums Leben kam.

Atomunglück von Fukushima

Das Frühjahr 2011, es war für Japan und für Martina Wagner-Onishi das Frühjahr der Katastrophe. Als am 11. März die Erde bebte und ein gewaltiger Tsunami das Atomunglück von Fukushima auslöste, lebte die 45-Jährige mit ihrer Familie mitten in Tokio. 1998 war Wagner-Onishi ihrem Mann Hiroshi nach Japan gefolgt. Die beiden hatten sich während des Kunststudiums an der Akademie der Bildenden Künste kennengelernt. Hiroshi Onishi war Meisterschüler von Professor Gerd Dollhopf, studierte von 1992 bis 1997 in Lauf.

Eine große Liebe, mit einem tragischen Ausgang: Denn die Katastrophe, die Japan erschütterte, blieb nicht die einzige im Leben der Familie. Nur wenige Tage, nachdem Wagner-Onishi aus Angst vor den Strahlen und den unabsehbaren Folgen des Atomunglücks mit den drei Kindern nach Deutschland zurückkehrt war, verunglückte ihr Mann beim Angeln. Er hatte nicht mitkommen wollen, Aufträge waren abzuarbeiten, er wollte sein Land nicht zurücklassen. Sein Tod beendete eine steile Karriere, der die Universität von Tokio 2012 mit einer Retroperspektive Respekt zollte. Nun sind die Arbeiten in Deutschland. Hunderte von Bildern und Design-Gegenständen hat Wagner-Onishi aus Japan geholt. „Ich habe noch keine Ahnung, was ich damit machen werde“, sagt sie.

Traum: eine Dauerausstellung

Eine Dauerausstellung in einem Museum wäre ihr Traum. Aktuell gibt die im Frühjahr 2014 eröffnete Galerie in der Barthstraße immerhin einem kleinen Teil der Arbeiten einen Raum. Vor kurzem stellte zudem eine ehemalige Schülerin von Onishi in Lauf aus. „Meinem Mann war die Förderung des Nachwuchses sehr wichtig“, erzählt die 45-Jährige und berichtet von Sommercamps, die die Familie gemeinsam mit Studenten in den japanischen Bergen verbrachte. Ende September hat sich Bildhauer Hubertus Hess für eine Ausstellung angekündigt. Ihn verband eine enge Freundschaft mit der Familie.

Doch Martina Wagner-Onishi will es dabei nicht belassen. Schließlich kennt die 45-Jährige den Kunstbetrieb selbst aus dem Effeff, arbeitete in Japan als Kunstdozentin, kümmerte sich um die Begegnung zwischen den beiden Kulturen über die Kunstgeschichte. Ein Ziel, das sie nun auch in Deutschland hat. Im Juli lud sie zu einem Vortrag „Frauenleben in Japan“ in die Galerie ein, zudem sollen Workshops die Kulturvermittlung zwischen den beiden Ländern beleben. Dass es Nachholbedarf auf beiden Seiten gibt, ist sie sich sicher. Die Japaner jedenfalls hätten bis heute ein eher „preußisch geprägtes Bild von Deutschland“, ist ihre Erfahrung nach 13 Jahren in dem Land. Tugenden wie Pünktlichkeit, aber auch Disziplin seien große Vorbilder. Deutschland werde vor allem über seine militärische Stärke wahrgenommen. „Dass sich unser Land nach dem Zweiten Weltkrieg verändert hat, ist bei vielen noch nicht so angekommen“, meint sie augenzwinkernd.

20 Jahre Deutsch-Japanische Gesellschaft

Wagner-Onishi möchte das ändern. Seit 2014 ist sie Geschäftsführerin der Deutsch-Japanischen Gesellschaft (DJG) in Nordbayern, ein rühriger Verein, dessen rund 100 Mitglieder sich um die Begegnung und Kulturvermittlung zwischen den beiden Ländern kümmern. In diesem Jahr feiert die DJG ihr 20-jähriges Bestehen. Im November ist eine Ausstellung in Lauf geplant, zudem soll es einen Empfang geben. Auch der japanische Botschafter ist zu einem Besuch in der Pegnitzstadt eingeladen. Eine gute Gelegenheit vielleicht, ein weiteres Projekt voranzutreiben, für das Wagner-Onishi bereits Ideen entwickelt und erste Kontakte geknüpft hat: die kulturelle Wiederbelebung der Goldenen Straße von Prag nach Nürnberg – und zwar mit der Zielgruppe japanische Touristen. „In Japan kennt man die Romantische Straße und hat genau das Bild von Deutschland. Neuschwanstein, Bier und Sauerkraut.“ Ein Bild, das ihr nie gefiel: „Ich will zeigen, was Deutschland und Europa tatsächlich auf die Beine bringen. In Sachen Kultur, aber auch in Sachen Ökologie und Umwelt.“

2013 ist sie die alte Handelsroute abgefahren und war selbst überrascht, wie viele Anknüpfungspunkte sich mit Japan ergaben, ohne dass sie groß danach suchen musste. Von Pilsen, das eine Städtepartnerschaft mit Takasaki pflegt, über Schloss Ronsberg an der deutsch-tschechischen Grenze, das einst mit der Gräfin Mitsuko Coudenhove-Kalergi eine japanische Hausherrin hatte, die heute in Japan eine kleine Berühmtheit ist, über die „Citta Slow“ Hersbruck, in der sich entschleunigtes Leben erspüren lässt, bis hin zu Lauf. Hier studierte nicht nur Hiroshi Onishi – die Stadt hat mit Hermann Roesler noch einen weiteren, in Japan berühmten Sohn. Der Jurist und Ökonom, der 1834 in Lauf geboren wurde, war ab 1878 Berater des japanischen Außenministeriums und entwickelte das damalige japanische Grundgesetz sowie das Handelsgesetzbuch maßgeblich mit.

Noch braucht das Vorhaben Vorbereitung und vor allem Gehör bei den offiziellen Stellen und Tourismusverbänden. Wagner-Onishi: „Ich möchte und brauche Partner.“ Eine erste einwöchige Testreise ist bereits in Planung, die Mitglieder ihres ehemaligen Kunstkurses in Tokio sind neugierig geworden auf das „andere Deutschland“. Infos zu Kursen sowie geplanten Ausstellungen unter www.ruriko.de

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