Wie kriminell sind Zuwanderer wirklich?

4.7.2017, 18:56 Uhr
Wie kriminell sind Zuwanderer wirklich?

© Archivfoto: Roland Fengler

Drei Experten stellten die bisherigen Erfahrungen von Staatsanwaltschaft, Polizei und Justizvollzug beim Rechtspychologischen Kolloquium vor. Die vielleicht wichtigste Botschaft: Die Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) "sind mit Vorsicht zu sehen", wie Holger Plank, Leitender Kriminaldirektor im Polizeipräsidium Mittelfranken, unterstrich. Aus mehreren Gründen.

Das beginnt schon bei statistischen Problemen. Erst seit April 2016 werden Zuwanderer in einem zentralen Register erfasst, so Plank. Wie viele Flüchtlinge tatsächlich in Mittelfranken leben, wissen die Behörden daher nicht. Offiziell geht man von rund 36 000 Menschen aus. Einen Bevölkerungsanteil der Flüchtlinge in der Region von 2,7 Prozent anzunehmen – und damit einen Anteil von 9,7 Prozent an den aufgeklärten Straftaten zu unterstellen – sei daher "unseriös".

Auch Entwicklungen hinsichtlich der Straffälligkeit von Zuwanderern sind aus der PKS nicht ablesbar, so Plank. Taten von Asylbewerbern werden erst seit 2016 in der PKS unter der Rubrik Zuwanderer separat erfasst, ausgewiesen und ausgewertet. Ein Vergleich aktueller Daten mit Daten aus der Vergangenheit ist also nicht möglich.

Natürlich: Mit den Flüchtlingen sind auch Menschen ins Land gekommen, die sich um unsere Gesetze wenig scheren. Das Gros der Taten geht allerdings auf das Konto einiger weniger: Im ersten Halbjahr 2016 registrierte die Polizei in Mittelfranken 51 Flüchtlinge als Mehrfachtäter – ihnen wurden jeweils zwischen zwei und 36 Straftaten vorgeworfen. Diesen 51 Verdächtigen wurden zwei Drittel der aufgeklärten Fälle zur Last gelegt, an denen laut Polizei mindestens ein Zuwanderer beteiligt war.

Und: Entgegen landläufiger Meinung hat sich die Schwerkriminalität – darunter auch Sexualstraftaten – in der Region durch die Zuwanderer kaum verändert, so Plank. Sie fallen vor allem in drei Bereichen auf: Vermögens- und Fälschungsdelikte (davon 60 Prozent Beförderungserschleichung, als "Schwarzfahren"), Diebstahlsdelikte (darunter knapp zwei Drittel kleine Ladendiebstähle) sowie Rohheitsdelikte. Hier geht es vor allem um Körperverletzungen, die zu vier Fünfteln nicht im öffentlichen Raum, sondern in Flüchtlingsunterkünften passierten.

Auf die Arbeit der Justiz hat all dies große Auswirkungen, berichtete Elisabeth Böhmer, Oberstaatsanwältin bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth. Besonders zu schaffen machen den Behörden dabei Delikte, die auf kulturellen Unterschieden basieren. Dazu gehören zum Beispiel Drogen-Bereiche, die eng mit Migranten verknüpft sind, wie das Kauen von Khat-Blättern. Afrikanern sind sie selbstverständlich, in Deutschland fallen sie unter das Drogenverbot. Oder Ehen mit Minderjährigen. Wenn ein 19-Jähriger mit einer 13-Jährigen verheiratet ist, dann gilt jeder sexuelle Kontakt nach deutschem Recht als sexueller Missbrauch Minderjähriger. Das Bundeskabinett will bekanntlich Kinderehen jetzt grundsätzlich einen Riegel vorschieben.

Problematisch sind für die Justiz auch die Sprachbarrieren – die Landeskriminalämter und das Bundeskriminalamt suchen händeringend nach Dolmetschern, so Böhmer. Die Gerichte seien "nicht optimal" auf Migranten ausgerichtet. Ein jugendlicher Syrer, der zwei Jahre Bürgerkrieg erlebt hat, sei durch einen Freiheitsarrest, wie er im Jugendstrafrecht üblich ist, kaum zu beeindrucken.

Von positiven Erfahrungen mit straffälligen Zuwanderern berichtete der Leiter der JVA Stadelheim, Michael Stumpf. Unter den 1500 Gefangenen befinden sich heute rund 70 Prozent Nicht-Deutsche. Flüchtlinge stellen einen kleineren Anteil. Als größte Gruppe mit 30 Inhaftierten rangieren Afghanen auf Platz 8 der Nationen. Es seien nur "einige wenige", die in der JVA täglich für Probleme sorgten, so Stumpf. Einzelne Flüchtlinge ließen sich von Beamten in Uniform nichts sagen. Andere zeigten sich schnell gewaltbereit.

Der Großteil der Flüchtlinge, die seit 2015 nach Stadelheim kamen, verhalte sich unauffällig. Die JVA bietet nach den Worten Stumpfs unter anderem Schulunterricht an. Dort zeigten sich viele Zuwanderer sehr wissbegierig und fleißig. Sogar in der U-Haft verbesserten etliche überraschend schnell ihre Deutschkenntnisse.

Einig war sich die Diskussionsrunde, zu der die Gastgeber Prof. Franz Streng (Kriminologe) und Prof. Friedrich Lösel (Psychologe) zählten, in einem: Asylbewerber brauchen schnellere Entscheidungen, um Perspektiven zu bekommen. Und deren Kinder müssen aktiv integriert werden, damit nicht am Ende neue Probleme mit Zuwanderern der zweiten Generation entstehen.

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