Windkraft: „Die Rechnung zahlen die Kleinen“

20.9.2014, 21:00 Uhr
Windkraft: „Die Rechnung zahlen die Kleinen“

© dpa

Herr Schellenberger, wie würden Sie die aktuelle Stimmung in der Siedlung beschreiben?

Schellenberger: Durchwachsen. In der äußersten, der dem Windrad am nächsten stehenden Häuserreihe, war der Widerstand überraschend gering. Doch die Angst vor dem möglichen Lärm und vor allem vor dem Schattenwurf ist geblieben. Die rotierenden Bewegungen sind eine Beeinträchtigung. Es gibt Menschen, die werden kirre, wenn sich der Horizont dauernd dreht. Inwieweit dieses tschuff, tschuff, tschuff — das Geräusch, das entsteht, wenn die Rotorflügel am Turm vorbeirauschen — zu hören sein wird, bleibt abzuwarten. Ich tröste mich damit, dass das Windrad nicht allzu effektiv laufen wird und die Belastung infolgedessen auch nicht so groß sein dürfte.

 

Was veranlasst Sie zu dieser Einschätzung?

Schellenberger: Vor unserer Haustür drehen sich seit 2001 zwei Windräder. Bei einer möglichen Jahresleistung von 10 512 Megawattstunden haben sie 2012 tatsächlich nur 1095 Megawattstunden geliefert, also gerade 10,5 Prozent dessen, was sie schaffen könnten. Bei dem neuen Windrad wird mit einer Effektivität von 24 Prozent gerechnet. Selbst auf doppelter Höhe dürfte das nicht herauszuholen sein. Die durchschnittliche Verfügbarkeit aller Windkrafträder in Deutschland beträgt 16 Prozent der Nennleistung, mit der sie beworben werden. Das sollte ehrlicher kommuniziert werden.

 

Inwieweit?

Schellenberger: Die Windausbeute wird immer viel zu hoch angesetzt. Die tatsächliche Leistung bleibt weit dahinter zurück. Im August standen in Deutschland Windräder mit 35 071 Megawatt installierter Leistung zur Verfügung. Tatsächlich produziert wurden im Schnitt 4411 Megawatt, allerdings nicht bedarfsgerecht, sondern stark schwankend zwischen 57 Prozent der Leistung in der Spitze und bis auf 0,38 Prozent abfallend — je nach Wetterlage. Und das ist das nächste Problem: der Flatterstrom.

 

Soll heißen . . .

Schellenberger: Solange wir nicht die nötigen Speicherkapazitäten haben — und davon sind wir weit entfernt — muss hinter jedem Windrad ein konventionelles Kraftwerk stehen. Aktuell sind das hauptsächlich Braunkohle-Kraftwerke, doch die können nicht flexibel auf Stromspitzen oder Flauten aus Wind oder Sonne reagieren, weil sie nicht schnell genug herunter- und wieder hochgefahren werden können. Die Betreiber kommt es billiger, sie laufen zu lassen — mit dem Effekt, dass im Netz Überkapazitäten entstehen, für die wir an der Strombörse schon zahlen mussten, damit sie das europäische Ausland abnimmt. In Irsching steht ein hochmodernes Gaskraftwerk, das flexibel wäre, doch dort bleibt die Turbine kalt, weil Wind und Solar gemäß EEG Vorrang bei der Netzeinspeisung haben. Und das, obwohl die Gestehungskosten, also alle Kapital- und Betriebskosten eingerechnet, die es braucht, um Wind in elektrischen Strom umzuwandeln, erheblich teurer sind. Und deshalb ist es beileibe nicht so, dass Wind und Sonne keine Rechnung stellen.

 

Wie sieht die Rechnung aus?

Windkraft: „Die Rechnung zahlen die Kleinen“

© F.: Ralf Rödel

Schellenberger: Die Differenz für diese Kosten wird über die EEG-Umlage finanziert, und die zahlen samt und sonders die kleinen, privaten Haushalte, denn die Umlage ist an den Verbrauch geknüpft. Je höher der Verbrauch, desto geringer die Umlage, für ganz große Verbraucher fällt sie auf bis zu 0,05 Cent je Kilowattstunde ab. Für den privaten Stromkunden ist sie seit 2008 von 3,5 auf 6,24 Cent gestiegen. Ich habe noch die Aussage von Jürgen Trittin im Ohr, der 2004 als Bundesumweltminister sagte, kein privater Haushalt werde mehr als einen Euro je Monat dafür aufbringen müssen. Heute liegt sie für einen Durchschnittshaushalt bei 15 Euro pro Monat. Dem Investor kann das alles wurst sein, mit Herstellern, Bau- und Wartungsfirmen gehört er zu denen, die an den fünf Millionen Euro, die es kostet, ein Windrad zu bauen, verdient.

 

Nun sind Sie gegen Windkraft, die Stromtrasse will vor Ort auch keiner haben, wie sieht Ihr Weg zur Energiewende denn aus?

Schellenberger: Ich bin nicht gegen Windkraft, aber ich bin gegen Anlagen, die nicht effektiv arbeiten. Um rentabel zu sein, müsste ein Windrad 2500 Stunden im Jahr unter Vollast laufen, das schafft in unserer Region keines. Die Hochspannungs-Gleichstromtrasse seh‘ ich gar nicht so kritisch, weil sie im Vergleich zu Drehstrom, mit dem unser ganzes System läuft, kein sich ständig änderndes Magnetfeld hat. Das Geld, das bei uns in ineffiziente Windräder fließt, hielte ich besser in der Forschung für neue Technologien oder Lösungen für die Speicherung investiert. Ich habe seit 2003 Solarthermie am Dach, das spart mir viel Heizöl. Jede Kilowattstunde Energie, die nicht aus der Erde geholt wird, ist wertvoll. Und noch wertvoller ist die, die erst gar nicht verbraucht wird.

Clemens Schellenberger hat für seinen Siedlerverein unter dem Titel „Energiewende wohin?“ einen Vortrag über den aktuellen Strommarkt und das Geschäft mit der erneuerbaren Energie ausgearbeitet, den er gern vorstellt. Bei Interesse: Telefon (0 91 27) 95 10 10

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