„Wir brauchen eine Lösung aus einem Guss“

9.6.2014, 06:00 Uhr
„Wir brauchen eine Lösung aus einem Guss“

© Thomas Scherer

Eine Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 — schlagen angesichts dieses Vorhabens zwei Herzen in Ihrer Brust, die des Schulleiters und die des Pädagogen, Herr Vollmer?

Reinhard Vollmer: Da sind beide nicht weit voneinander entfernt. Dass sowohl G 8 als auch G 9 für jeden Schüler möglich sein muss, diese beiden Schulzeiten halte ich auch weiterhin grundsätzlich für wünschenswert. Allerdings sagt das angestrebte Volksbegehren der Freien Wähler nicht, wie die Sache neu umgesetzt werden soll. Die Tücken liegen aber im Detail. Und das ist für mich der entscheidende Punkt, den wir mit Blick auf die Erfahrungen aus dem G 8 beherzigen müssen: Es braucht ein Konzept, das im Gesamten umsetzbar ist und auch bereits in den Einzelheiten vorgedacht ist.

 

Welche Probleme sehen Sie in den Details?

Vollmer: Ich erinnere nur an die „Stellschrauben" damals wie die Stundenverteilungen, Anpassungen des Lehrplans oder die Verrechnungen der Abiturleistungen. Künftige Details wären beispielsweise Entscheidungskriterien und -beratung, Mindestklassenstärken sowie die Situation von Wiederholern. Das kann man nicht jeder einzelnen Schule und den vor Ort herrschenden Bedingungen überlassen. Außerdem sehe ich auch das Problem, dass die Strukturen an Gymnasien in Stadt und Land so konträr sind, dass es schwer sein dürfte, einen Kompromiss zu finden.

 

Inwiefern unterscheiden sich die Strukturen?

Vollmer: In den Städten ist der Zulauf an die Gymnasien ungebrochen hoch, mitunter fehlen Räume für die Einführung einer weiteren 13. Jahrgangsstufe. Das spricht für die Beibehaltung des G 8. Auf dem Land gehen Eltern mit Blick auf die Belastung ihrer Kinder und den schulischen Erfolg oft sehr vorsichtig vor. Man versucht, das stressbeladene G 8 mit dem obligatorischen Nachmittagsunterricht, von dem die Kinder nach der Fahrt mit dem Schulbus entsprechend spät nach Hause kommen, zu vermeiden. Die Folge ist, dass Kinder, die eigentlich für das Gymnasium geeignet wären, an die Realschulen abwandern. Hier wäre das G 9 eine Alternative, die sich Eltern und Schüler auch wünschen. Das ist meine Einschätzung als Leiter einer ländlich geprägten Schule, an Stadtschulen mag man das anders sehen.

 

Warum kann dann nicht, wie von den FW gefordert, die Schule vor Ort entscheiden, was künftig angeboten werden soll?

Vollmer: Das halte ich, wie gesagt, für problematisch. Kleinere Gymnasien mit einer doppelten Mittelstufe – also jeweils zwei 8., 9. und 10. Klassen — bräuchten eine kräftige Aufstockung der Lehrerkapazitäten. Ansonsten müssten die Stunden dem jeweiligen Stundenpool entnommen werden und das ginge zu Lasten des Wahlangebots. Das ist mir als Schulleiter aber sehr wichtig, ich möchte da nichts streichen. Wenn die Schule jedoch nur eine Variante anbietet, verprellt sie einen Teil ihrer Klientel. Und auf noch einen Punkt möchte ich hinweisen: Auf welcher Grundlage sollte denn das Schulforum entscheiden, wenn etwa die eine Hälfte der Eltern und Schüler das G 8 will, die andere das G 9? Da gibt es dann keinen Kompromiss, sondern zwei Lager. Eine ungute Situation.

 

Aber wie könnte eine Lösung Ihrer Ansicht nach aussehen?

Vollmer: Für Veränderungen dieser Art bräuchte es nicht nur einen gesellschaftspolitischen Konsens, sondern, auf dieser Basis, auch eine politische Entscheidung, wie lange das bayerische Gymnasium laufen soll, acht oder neun Jahre? Außerdem müssten sauber definierte Übergangsmöglichkeiten geschaffen werden. Ich könnte mir ein G 8 mit Verlängerungsmöglichkeit für einzelne Schüler vorstellen, ein G 8+. Und ein G 9 mit der Möglichkeit, um ein Jahr zu verkürzen, ein G 9-. Wobei ich beim G 8+ das Problem sehe, das zusätzliche Lernjahr zu organisieren, das die einzelnen Schüler zu unterschiedlichen Zeitpunkten benötigen. Beim G 9- könnten entsprechend veranlagte Schüler zu einem festgelegten Zeitpunkt, etwa nach der 8. Klasse, ein Jahr überspringen. Für diese Gruppe könnte man synchron Fördermaßnahmen organisieren. Diese Version hätte auch für unser Haus Charme. Welche Entscheidungen künftig aber auch fallen, fest steht: Wir brauchen eine Lösung aus einem Guss, die für jede Schule umsetzbar ist.

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