Außenhandelsexperte: "EU ist kein Musterknabe"

13.3.2018, 17:33 Uhr
Hunderte Mercedes-Benz-Modelle warten in Bremerhaven auf den Export über den Atlantik. Für amerikanische Käufer könnten sie künftig teurer werden, da Donald Trump mit Strafzöllen auf deutsche Autos droht.

© Ingo Wagner/dpa Hunderte Mercedes-Benz-Modelle warten in Bremerhaven auf den Export über den Atlantik. Für amerikanische Käufer könnten sie künftig teurer werden, da Donald Trump mit Strafzöllen auf deutsche Autos droht.

NZ: Herr Kooths, wie bewerten Sie Trumps Strafzölle auf Aluminium und Stahl?

Stefan Kooths: Das ist schon ein unfreundlicher Akt gegen den Freihandel. Nicht nur als Aggression gegen andere, er schadet damit auch der eigenen Volkswirtschaft. Allen Abnehmern und Weiterverarbeitern von Stahl- und Aluminiumprodukten in den USA wird damit ja auch das Leben schwer gemacht, weil sie jetzt höhere Preise zahlen müssen als ihre ausländische Konkurrenz. Entgegen Trumps Ankündigungen wird seine Politik die USA daher netto eher Arbeitsplätze kosten.

NZ: Welche direkten Konsequenzen ergeben sich aus diesen Zöllen?

Kooths: Das sind eher Nadelstiche. Deutschland hat zwar einen Anteil von 25 Prozent an der europäischen Stahlproduktion, aber wir reden trotzdem nur über zwei Promille der Arbeitnehmer in Deutschland, die von den Zöllen betroffen sind. Für die hiesigen Stahl- und Aluminiumproduzenten ist das natürlich ein Problem, gesamtwirtschaftlich aber eher ein symbolischer Akt.

NZ: Was halten Sie von diskutierten Vergeltungsmaßnahmen wie beispielsweise Zölle auf Harley-Davidson-Motorräder oder Whisky?

Kooths: Nicht nur mit Blick auf den Whisky halte ich das für eine echte Schnapsidee. Was die USA jetzt tun, ist schädlich für die Weltwirtschaft, denn sie verzerren die Stahlpreise. Es ist aber nichts gewonnen, wenn die Europäer jetzt ihrerseits die Preise auf den Märkten für Motorräder oder Whisky verzerren. Das schadet am Ende nicht nur den USA, sondern auch den Konsumenten in der EU. Freihandel ist keine Gefälligkeit, die man dem Ausland einräumt, sondern eine kluge Idee im eigenen Interesse, von denen die Konsumenten auf beiden Seiten profitieren.

EU ist "kein lupenreiner Musterknabe"

NZ: Auch die EU erhebt Strafzölle, zum Beispiel auf Aluminium aus China. Sie nennt das allerdings Anti-Dumping-Maßnahmen. Ist die EU überhaupt glaubwürdig als Hüterin des Freihandels?

Außenhandelsexperte Stefan Kooths.

Außenhandelsexperte Stefan Kooths. © Foto: IfW Kiel

Kooths: Sie wäre wesentlich glaubwürdiger, wenn sie noch konsequenter auf Freihandel setzen würde. Sie hat einen der niedrigsten Außenzölle der Welt, die USA haben aber einen noch niedrigeren. Die EU reagiert auch sehr schnell, wenn sie Dumping vermutet. Gerade im Falle Chinas wäre ich aber vorsichtig, das als Dumpingstrategie zu deklarieren.

NZ: Betreibt die EU nicht auch selbst Dumping, etwa durch die hohen Subventionen im Agrarsektor?

Kooths: Ja, absolut. Es passt leider ins Bild, dass die EU kein lupenreiner Musterknabe der Freihandelsidee ist. Die Politik der EU ist immer wieder durchsetzt von protektionistischen Elementen, und der Agrarsektor ist ein besonders unrühmliches Beispiel dafür. Darunter leiden vor allem Märkte in Afrika, bei denen es noch um viel existenziellere Fragen geht als im transatlantischen Verhältnis.

NZ: Wenn es zum Handelskrieg käme, welche Risiken kämen auf die europäische Volkswirtschaft zu?

Kooths: Die Gefahr ist, dass wir in eine Protektionismus-Spirale hineingeraten, die dann zu einem massiven Konflikt eskaliert, der die Weltwirtschaft gefährden könnte. Auch hier wären wieder vitale Interessen der USA betroffen: So ist die Hälfte der amerikanischen Direktinvestitionen bislang in die EU geflossen. Daher sollte auch der US-Präsident kein Interesse daran haben, der Wirtschaft der EU zu schaden.

Auf Trump zugehen

NZ: Trump droht, auf den Import von Autos der Marken BMW, Mercedes und Porsche Strafzölle zu erheben. Wie sehr würde das diese Unternehmen treffen?

Kooths: Das wäre schon etwas empfindlicher. Vermutlich würde das weniger den Absatz betreffen, als vielmehr in die Gewinne einschneiden. Sich aber ausgerechnet die beiden Unternehmen BMW und Daimler herauszugreifen, ist besonders skurril. Beide haben eine starke Produktionstätigkeit in den USA. BMW hat sogar sein weltweit größtes Werk dort. Dadurch ist BMW zugleich der größte Autoexporteur der USA.

NZ: Wie könnte eine vernünftige Lösung im Zollstreit aussehen?

Kooths: Beide Seiten sollten sich darauf verständigen, dass Zölle im Handel zwischen den Wirtschaftsräumen EU und USA nichts zu suchen haben. Vorstellbare wäre, einen Teil der TTIP-Idee wieder aufleben zu lassen und über einen bestimmten Zeitraum hinweg – zum Beispiel zehn Jahre – die Zölle im bilateralen Handel auf null zu senken. Man könnte also durchaus auf Trump zugehen und sagen: "Ja, wir müssen über Zölle reden – aber eben mit einem anderen Ziel. Nicht über Vergeltungszölle, sondern über einen beiderseitigen Zollabbau."

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