Besuch beim Schuldner in Frack und Zylinder

5.4.2008, 00:00 Uhr
Besuch beim Schuldner in Frack und Zylinder

© Karlheinz Daut

Der Frack und ein vom eigenen Ururgroßvater stammender Zylinder sollen dem Handwerker aus dem Schwabacher Ortsteil Wolkersdorf nämlich bei der Eintreibung ausstehender Rechnungen behilflich sein. So wie das in früheren Zeiten angeblich Brauch war, möchte Uhrlau - ausstaffiert mit der auffälligen Festkleidung - säumigen Schuldnern einen Besuch abstatten und sie notfalls den Tag hindurch als «schwarzer Schatten« begleiten. Wem kein schlechtes Gewissen mehr schlägt, der soll wenigstens noch über das Schamgefühl zum Zahlen bewegt werden.

Uhrlau ist nicht der erste Gläubiger, der in jüngerer Zeit auf diese alte und zweifellos nicht ganz unproblematische Idee verfallen ist. Und der Schreiner sollte sich gut überlegen, ob er sie auch umsetzt. Denn seit Mitte der 90er Jahre liegen bereits zwei Grundsatzurteile der Landgerichte Leipzig und Köln vor, die diese Methode der öffentlichen Bloßstellung von Schuldnern als sittenwidrig einstufen und unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250000 € untersagen.

Für Uhrlau ist das nichts anderes als ein weiterer Beweis dafür, «dass der Staat Handwerker, die für ihre geleistete Arbeit bezahlt werden wollen, völlig alleinlässt«. Vor sechs Jahren kam der Schreinermeister aus Thüringen nach Nürnberg. Einen beruflichen Neuanfang strebte er an. In seiner alten Heimat hatte er es trotz jahrelanger harter Arbeit nicht etwa zu Wohlstand, sondern zu rund 50000 Euro Schulden gebracht. «Weil ich ständig Zahlungsausfälle zu verkraften hatte.«

Zum Schluss nicht bezahlt

Vor allem für Baufirmen und Fensterunternehmer hatte er gearbeitet. Immer wieder passierte das Gleiche. «Die vertraglich vereinbarten Abschlagszahlungen habe ich bekommen, die Schlussrechnung nach Fertigstellung wurde einfach nicht bezahlt.« Zwischen 20 und 40 Prozent des Auftragsvolumens blieben damit offen. Peter Uhrlau behauptet, auf diese Art und Weise im Laufe der Jahre rund 600000 € verloren zu haben.

Warum treibt er das Geld nicht mit Mahnbescheiden, mit Rechtsanwälten oder Inkassobüros ein? «Weil das dann einzigen sind, die in einem solchen Fall ihr Geld sicher bekommen«, sagt er. Gegen Mahnbescheide legten die Schuldner meist Widersprüche ein, argumentierten mit angeblichen Mängeln, reichten Gegenklagen ein und setzten so auf ein unter Umständen vier oder fünf Jahre dauerndes zivilrechtliches Verfahren, das meist mit einem unbefriedigenden Vergleich endet. Für so etwas, sagt Peter Uhrlau, fehle einem Ein-Mann-Betrieb wie dem seinen Geld, Zeit und Kraft. Und oft genug sei ohnehin irgendwann nichts mehr zu holen, weil die Schuldner in der Zwischenzeit Insolvenz anmeldeten, um kurz darauf mit einer neuen GmbH ihre betrügerischen Geschäfte ungerührt fortzusetzen.

Die Insolvenzen, die kleineren und mittleren Handwerksbetrieben dank solcher Praktiken drohen, sind dagegen keine fingierten. Jede vierte Pleite, so der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes, werde durch die schlechte Zahlungsmoral der Auftraggeber verursacht. In vielen Fällen sind diese Auftraggeber unseriöse Bauträgerfirmen, die oft genug auch noch die Käufer ihrer Immobilien mit ins Unglück reißen.

Mit großer Offenheit erzählt Peter Uhrlau, wie ihn die katastrophale Zahlungsmoral vieler Kunden im Laufe der Jahre zermürbt und der permanente berufliche Ärger am Ende auch sein Privatleben ruiniert habe. Wie ein Häuflein Elend sitzt er dann in seinem kleinen Büro, und auch der imposante Frack ändert daran nichts mehr. Mehr und mehr hat sich der Schreiner aus größeren Aufträgen und Arbeiten für Bauträgerfirmen zurückgezogen. «Das ist die Lehre, die man irgendwann zieht.«

Sein neuer «Handwerker-Center«, der Privatkunden die schnelle Lösung aller möglichen Reparatur- und Montage-Wünsche verspricht, und in dem er mit anderen selbstständigen Handwerkern zusammenarbeiten möchte, soll endlich die lange Serie des finanziellen Ärgers beenden. «Privatkunden zahlen ohne Probleme.« Zumindest in aller Regel.

Auch mit ihnen hat Peter Uhrlau nämlich schon in Ausnahmefällen negative Erfahrungen gemacht. Und er erzählt von einer Kundin, die aus lauter Ärger über - wie er versichert - «kleinere Mängel« beim Einbau von Fenstern die Schlussrechnung von 4500 € unbezahlt ließ. Demnächst will er an der Arbeitsstelle der Frau mal in Frack und Zylinder vorbeischauen.