Der Datenschutz im Betrieb wird heikler

11.9.2011, 19:16 Uhr
Der Datenschutz im Betrieb wird heikler

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Das wird ja schon gemacht: Kurz bevor die beste Kandidatin für den Job offiziell den Zuschlag bekommt, begibt sich ihr künftiger Chef mal auf Feinrecherche. Das Unfeine daran: Er schaut bei sozialen Netzwerken wie Facebook und StudiVZ nach, ob er Zugang zu Privatfotos hat. Feiert die Gute am Ende wilde Sexpartys? Lassen ihre Fragen im Netz auf schlimme Krankheiten schließen? Schreibt die Bewerberin kompromittierend über ihren letzten Arbeitgeber?

All solche Dinge, die am Job vorbeigehen, haben die Firmen nicht zu interessieren. Der Gesetzgeber sieht schon länger Handlungsbedarf. Deshalb soll das Bundesdatenschutzgesetz ergänzt werden um einen Beschäftigtenschutz, der von Social Media bis hin zu Überwachungsmedien reicht. Doch beim Entwurf des Kabinetts, der nun beim Bundestag liegt, prallen Welten aufeinander. Im Innenausschuss lieferten sich die Fraktionen hitzige Debatten.

Verschlechterung befürchtet

Größte Bedenken seien von den Gewerkschaften gekommen, weil sie eine Verschlechterung der geltenden Regelungen befürchten, sagt Susanne Dehmel, Bereichsleiterin beim Branchenverband Bitkom. Der IT-Interessenverband sitzt bei Anhörungen ebenso mit am Tisch wie ver.di. Die Gewerkschaft habe auf „Totalopposition“ gemacht, sagt Dehmel.

Zumindest hat ver.di größte Bedenken gegen Teile des Entwurfs. Doch in einem Punkt sind sich Arbeitgeber- wie Arbeitnehmerseite einig. Laut Regierungsentwurf sollen Datenerhebungen aus beruflichen Netzwerken wie Xing und Linkedin legal bleiben, personenbezogene Informationsbeschaffung aus Facebook oder StudiVZ dagegen illegal werden. Diese Unterscheidung, meint Bitkom, „ist heute schon überholt“. Facebook & Co. würden heute sowohl für berufliche als auch private Zwecke genutzt. Dehmel: „Wir erwarten in der Zukunft eine noch stärkere Verschmelzung.“

Die da im Regierungsviertel, so ist aus der Kritik herauszuhören, haben gar keine Vorstellung davon, dass sich Form und Inhalt der Netzwerke schon in wenigen Jahren stark gewandelt haben werden. „Praxisuntauglich“ nennt auch der Nürnberger Arbeitsrechtler Marc-Oliver Schulze die „künstliche Trennungslinie“ zwischen privater und beruflicher Kommunikation. Der Anwalt von der Kanzlei AfA Rechtsanwälte berät Arbeitnehmer und Betriebsräte.

Seiner Erfahrung nach kommt es vor, dass Vorgesetzte personenbezogene Daten im Netz auch dann ermitteln, wenn sie einen Mitarbeiter loswerden wollen. „Und wer lange genug sucht, der findet“, meint Schulze. „Solche Vorgänge werden in der Rechtsprechung zunehmend praxisrelevant.“

Nach seiner Beobachtung finden Unionsparteien und Arbeitgeber den Entwurf zu arbeitnehmerfreundlich. Unternehmensverbände wollten etwa ein Konzernprivileg durchsetzen. So solle es zum Beispiel der amerikanischen Muttergesellschaft erlaubt sein, leichter Zugriff auf Mitarbeiterdaten in Deutschland zu haben.

Reicht Einwilligung?

Strittig ist ferner, ob eine freiwillige Einwilligung des Mitarbeiters reicht, um Daten intern zu übermitteln. Der Hintergedanke: Ist ein abhängig Beschäftigter wirklich frei in dieser Entscheidung? Der Bremer Rechtsprofessor Wolfgang Däubler meint grundsätzlich: nein. Das Arbeitgeberlager hingegen findet es höchst bedenklich, wenn schon Einwilligungen auf freiwilliger Basis nicht mehr gelten sollen.

Was dem Verband Bitkom generell missfällt, so Susanne Dehmel, ist die Aussicht, dass ein verschärfter Beschäftigtenschutz den Arbeitgebern einen Rattenschwanz an Prozessänderungen aufhalst. Die gesamten Abläufe in der EDV müssten daraufhin durchforstet werden, ob sie diesem Aspekt des Datenschutzes gerecht werden oder ob sich der Betrieb womöglich strafbar macht.

Video-Verbot wäre besser

Vertreter der Arbeitnehmerinteressen wie Schulze dagegen finden es verhängnisvoll, was etwa zur Überwachung per Video oder Telefonortung in der Diskussion ist. Geht das durch, würde der Rahmen für Überwachungen ohne Anlass größer, sagt Schulze. „Ich hätte mir ein generelles Verbot gewünscht, außer wenn es sich um eine Straftat handelt. Im Endeffekt würde das Datenschutzniveau gesenkt. Ich halte das für fatal.“

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