Dieser Mann steuert von Forchheim aus die Naturstrom AG

12.1.2017, 08:13 Uhr
Dieser Mann steuert von Forchheim aus die Naturstrom AG

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Es ist kalt. Es ist neblig. Und es regnet leicht. Mit anderen Worten: Es ist kein guter Tag für einen Termin im Freien. Und schon gleich gar keiner, um neue Windkraftanlagen vorzustellen. Denn die verschwinden nach wenigen Metern in den Wolken.

Aber Absagen war für Thomas E. Banning keine Option. Also sind Landrat, Bürgermeister und Gemeinderäte ins oberfränkische Wattendorf gekommen. Die Mitarbeiter der Naturstrom AG stellen die neun Windräder vor. Banning, wie alle mit Helm und Signaljacke, hält sich im Hintergrund - obwohl er der Chef des Unternehmens ist. Er wirkt, trotz der ziemlich widrigen Umstände, sehr gelöst und entspannt.

Wahrscheinlich muss einer so sein, der nach einer ziemlich wechselvollen Manager-Karriere in einem Ökostromversorger seine Bestimmung gefunden hat, der vor etwa 15 Jahren am Rande der Pleite stand. Banning hatte einst 20 000 DM in das Unternehmen investiert und merkte dann aber sehr schnell: "Der Laden lief alles andere als rund - eigentlich hätte man die Bücher zuklappen müssen."

Der Ökobewegung verpflichtet

Die Firma war als erster unabhängiger Ökostromhändler von Menschen gegründet worden, die sich der Umweltbewegung verpflichtet fühlten. Es gab dabei allerdings ein Problem, das Banning heute so skizziert: "Es gab niemanden, der Wissen aus der Energiewirtschaft hatte." Und die großen Konzerne mochten keine Konkurrenz neben sich dulden und legten der Firma Steine in den Weg, wo immer es ging. Ideale Startbedingungen sehen anders aus.

Heute hat die Naturstrom AG etwa 240 000 Kunden, macht 235 Mio. Euro Umsatz und beschäftigt über 330 Mitarbeiter. Sie ist einer der vier empfohlenen Ökostromanbieter der Aktion "Atomausstieg selber machen", die von den großen Umweltverbänden Deutschlands getragen wird. Und Gewinn gibt es auch: Für 2015 wurden 50 Cent für jede der knapp 2,5 Millionen Aktien ausgeschüttet, von denen, direkt oder indirekt, etwa ein Drittel Banning und seiner Familie gehören. Sie werden, eine Besonderheit, nicht an der Börse gehandelt, sondern die Firma bringt Käufer und Verkäufer zusammen. Der Preis liegt bei 25 bis 30 Ã. Seinen Sitz hat das Unternehmen in Düsseldorf, aber gesteuert wird es aus Forchheim. Das ist praktisch, weil Banning in der Nähe von Erlangen wohnt.

Drei Dinge fallen an ihm auf: Sein Vater war Tischlermeister und beschäftigte etwa zehn Mitarbeiter. Banning beschreibt das so: "Ich bin in einem Handwerksbetrieb aufgewachsen mit den positiven Seiten des Unternehmertums. Langfristig zu denken, Kunden und Mitarbeiter in den Vordergrund zu stellen. Das hat mich geprägt." Zudem stammt der 60-Jährige aus Gelsenkirchen, dem Ruhrgebiet also, und pflegt die dort übliche klare Sprache. Sätze schließt er gern mit "so" oder "isso" ab. Und zum dritten sagt er Sachen wie: "Ich will Dinge in einer Weise gestalten, dass die Welt danach nicht schlechter, sondern besser wird." Derartiger Idealismus ist bei Managern nicht alltäglich.

Mit einer solchen Einstellung kommt keine der üblichen Karriere zustande - auch wenn es anfangs danach aussah. Schon während seines Studiums und auch noch danach arbeitete Banning als Unternehmensberater, um dann 1988 zur Verkehrstechniksparte von Siemens zu gehen. Zwei oder drei Jahre wollte er dort das Innenlebens eines Konzerns kennenlernen; es wurden acht daraus.

Sie waren durchaus erfolgreich, erzählt er heute, er war schließlich der jüngste Abteilungsdirektor. Dann aber setzte sich die Erkenntnis durch: "Ich will nicht mehr für Quartalsberichte arbeiten." Dass Geld für Neuentwicklungen nur genehmigt wurde, wenn es binnen zwei Jahren wieder hereingespielt wurde - das erschüttert ihn bis heute. Die Reaktion auf seine Kündigung war eher durchwachsen: "Viele haben mich für bekloppt gehalten."

Nächste Station war der traditionsreiche Uhrenhersteller Junghans, damals in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Den sanierte Banning zwar, um sich dann zeitnah wieder zu verabschieden - die Eigentümer, die Nürnberger Diehl-Gruppe, ließen ihm zu wenig Gestaltungsmöglichkeiten.

1999 gründete Banning schließlich die eco eco AG, die es bis heute gibt. Das doppelte eco steht für ökonomisch und ökologisch, und das ist Programm der Firma: Sie bietet Beratung und Risikokapital für Firmen an, die nachhaltig arbeiten. Dann kam das Investment in die Naturstrom AG - und seit Übernahme des Chefpostens 2002 ist der kurvenreiche Berufsweg ziemlich geradlinig geworden.

Wobei: Gerade die ersten Jahre bedeuteten Sanierung, auch mit Entlassung von Mitarbeitern. Und vor allem immer wieder Ärger mit den Konzernen, denen die Leitungsnetze gehörten und die diese Position nach Kräften ausnutzten. Das änderte der Gesetzgeber 2006; heute wacht die Bundesnetzagentur über einen fairen Zugang. Bannings Fazit: "Alle Ökostromanbieter hatten bis 2006 einen schweren Stand. Aber wir und drei andere haben überlebt, während alle übrigen neuen Anbieter wieder verschwunden waren."

Schub durch Fukushima

Deutlich nach oben gingen die Kundenzahlen dann 2011, nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima: Viele Deutsche vollzogen ihren ganz persönlichen Atomausstieg.

Auf der Baustelle in Wattendorf ist es immer noch kalt und neblig, jetzt bricht auch noch die Dunkelheit an. Banning erzählt, dass die Firma nicht nur die Stellplätze für die Windkraftanlagen gepachtet hat, sondern auch Nachbargrundstücke - damit der soziale Friede im Ort gewahrt wird.

Banning hat jetzt eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen in der Hand. Er wirkt zufrieden, weil er weiß: Widrige Umstände sind kein Hindernis, sondern eine Herausforderung für die Kreativität.

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