Easyjet und Lufthansa lauern auf das Air-Berlin-Erbe

17.8.2017, 11:50 Uhr
Easyjet und Lufthansa lauern auf das Air-Berlin-Erbe

© Britta Pedersen/dpa

Mit der Insolvenz zeichnet sich nun die Zerschlagung von Deutschlands zweitgrößter Airline ab, bei der Spohrs Bedenken zu großen Teilen gelöst werden könnten. Nach Aussagen von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will die Bundesregierung die Erbmasse von Air Berlin in den Händen der Lufthansa sowie zwei weiterer Airlines sehen. Insidern zufolge sind Easyjet und Tuifly beim Millionenspiel dabei, Interesse hat auch Condor geäußert.

Als sicher gilt, dass die bereits an die Lufthansa vermieteten 38 Mittelstrecken-Flugzeuge weiter für deren Töchter Eurowings und Austrian unterwegs sein werden. Spohrs Blick richtet sich darüber hinaus wohl vor allem auf die Langstreckenflotte von Air Berlin. Die 17 Airbus A330 könnten die noch kleine Fernsparte der Lufthansa-Tochter Eurowings pushen. Für Easyjet könnten vor allem die Europa- und Inlandsflüge von Air Berlin attraktiv sein.

Die Aufspaltung könnte auch die deutsche Ferienflieger-Branche durcheinanderwirbeln. Reiseveranstalter wie Tui, Thomas Cook (Neckermann Reisen), DER Touristik oder FTI schicken bisher viele ihrer Kunden mit Air Berlin zu Sonnenzielen etwa ans Mittelmeer. Inzwischen liegt Air Berlins Ferienflug-Geschäft bei ihrer österreichischen Tochter Niki, die in Nürnberg stark präsent ist. Sie hat noch keine Insolvenz beantragt, ihre Zukunft ist aber völlig offen.

Die arabische Fluglinie Etihad hat mit der Pleite von Air Berlin ihre internationale Beteiligungsstrategie offenkundig begraben. Die Airline aus Abu Dhabi hat den Stecker bei Air Berlin schneller als erwartet gezogen. Die Milliardensummen, die sie in Air Berlin und die ebenfalls in der Insolvenz steckende Alitalia gepumpt hat, muss sie wohl abschreiben. Zugleich flog Etihad wegen Air Berlin, Alitalia sowie ungeschickter Treibstoff-Einkäufe 2016 selbst fast 1,9 Mrd. Dollar Verlust ein.

Auffallend ist, dass bei der Verteilung des Air-Berlin-Erbes Europas größte Airline offenbar außen vor ist: Ryanair. Der irische Billigflieger soll vor Wut kochen. Ryanair vermutet hinter der Insolvenz, dem staatlichem Überbrückungskredit von 150 Mio. Ã und der anschließenden Zerschlagung ein "offensichtliches Komplott" der deutschen Airlines mit der Politik.

Was entscheidet Brüssel?

Der nationalen Wettbewerbskontrolle traut Ryanair keine unabhängige Entscheidung zu und legt daher gleich Beschwerde bei der EU wegen unerlaubter staatlicher Beihilfe ein. Dabei stützen sich die Iren auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, der staatliche Beihilfen stark einschränkt, wenn der freie Wettbewerb dadurch nicht mehr gewährleistet ist.

Allerdings lässt das Dokument auch Ausnahmen zu. Wenn eine Förderung mit dem Binnenmarkt vereinbar ist, kann die Kommission der Zahlung zustimmen. Denkbar erscheint das beispielsweise bei Maßnahmen zur Unterstützung einer Region, in der Energie- und Umweltpolitik oder bei Forschung, Entwicklung und Innovation. Übersteigt eine Beihilfe die Grenze von 150 Mio.Euro , ist eine Anmeldung bei der Brüsseler Kommission nötig. Die Bundesregierung hat das getan.

Bis die EU-Wettbewerbshüter den Fall geprüft haben, könnten bis zu zwei Monate vergehen, erklärte die Behörde. Bis dahin darf Air Berlin den Überbrückungskredit erst einmal nutzen. Sollte die EU-Kommission dann allerdings tatsächlich, wie von Ryanair gewünscht, ein Veto einlegen, müsste die Bundesregierung ihre Garantien sofort stoppen und ausgezahlte Darlehen unmittelbar zurückfordern. Der Flugbetrieb von Air Berlin käme praktisch von einem Tag auf den anderen zum Erliegen.

Die meisten Experten halten das jedoch für unwahrscheinlich. Zwar forderte in einem Fall aus dem Jahr 2015 die EU-Verwaltung die Regierung von Estland einmal tatsächlich auf, einen bereits gewährten Kredit über 80 Mio. Euro von der wackelnden Fluggesellschaft Estonian Air zurückzuholen und ein weiteres Darlehen über 40 Mio. Euro zu stoppen. Auch bei der geplanten Sanierung der Cyprus Air bestand Brüssel darauf, die notwendigen 100 Mio. Euro nicht aus der Staatskasse zu zahlen. Andererseits hat die EU bei der Sanierung der italienischen Airline Alitalia staatliche Hilfen auch schon gebilligt.

Das werde bei Air Berlin ebenfalls so sein, so der Tenor vieler Experten. Zum einen, weil die Beihilfe von der Bundesregierung ordnungsgemäß angemeldet wurde. Zum anderen wäre der Schaden für die Fluggäste, die ihre Reisen längst gebucht haben, sehr groß gewesen. Zum Dritten ist die Garantie der Bundesregierung zeitlich befristet, verändert den Wettbewerb also nicht dauerhaft. Und außerdem entspricht die Höhe der Unterstützung einer kurzfristigen Überbrückung, um das Fluggeschäft nicht sofort zusammenbrechen zu lassen — aber nicht mehr.

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