Eigentümer im Interview: So geht es mit Wöhrl weiter

16.9.2018, 05:12 Uhr
Eigentümer im Interview: So geht es mit Wöhrl weiter

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NZ: Herr Greiner, vor fast genau zwei Jahren hat die frühere Rudolf Wöhrl AG Insolvenz angemeldet. Sie sind in das Bietergefecht eingestiegen. Haben Sie das jemals bereut?

Christian Greiner: Nein! Nie, keine einzige Sekunde!

War der erste Impuls ein emotionaler oder ein ökonomischer?

Greiner: Ohne die familiären Bindungen hätte ich Wöhrl wahrscheinlich gar nicht auf dem Schirm gehabt. Es wäre irgendein Konkurrenzunternehmen gewesen. So war die erste Reaktion schon eine emotionale. Schließlich war das Unternehmen immer ein elementarer Teil der Familie.

Apropos Familie. Wie sehr mischt sich Ihr Vater, Hans Rudolf Wöhrl, ein?

Greiner: Mein Vater ist mein bester Freund, mit dem ich mich über die unterschiedlichsten Themen austausche. Ich habe viel von ihm gelernt, vor allem unternehmerisches Denken und Handeln. Oder die Einschätzung von Risiken. Die Firma sieht er eher durch die Augen eines Konsumenten und spricht an, wenn ihm etwas auffällt, gibt konstruktive Hinweise. Aber er mischt sich nicht ein.

Wöhrl schreibt wieder schwarze Zahlen. Sind Sie rundum zufrieden?

Greiner: Wenn man überlegt, wo das Unternehmen herkommt, muss man zufrieden sein. Wir haben bereits im Rumpfgeschäftsjahr nach der Übernahme schwarze Zahlen geschrieben und jetzt auch im ersten vollen Geschäftsjahr 2017/18, das am 31. Juli endete. Das gelang, obwohl das erste Jahr noch stark von Kosten für den Neuanfang belastet war, z.B. für die Verschmelzung von Gesellschaften.

Konkreter: Sind Sie mit der Rendite zufrieden?

Greiner: Grundsätzlich werden im stationären Einzelhandel nicht die höchsten Renditen erzielt. Aber: Wir haben es in kurzer Zeit aus eigener Kraft geschafft, uns so zu entwickeln, dass wir wieder investieren können.

Wie haben Sie das geschafft?

Greiner: Durch Fokussierung. Wir haben bewusst nicht versucht, irgendwelche ganz neuen Dinge anzufangen, sondern haben uns auf den Kern unseres Geschäftsmodells konzentriert: Wir betreiben Modehäuser und müssen dabei effizient sein.

Aber wie haben Sie die Effizienz gesteigert?

Greiner: Wir haben die Kosten reduziert und unser Sortiment fokussiert.

Wo haben Sie gespart? Am Personal? Sie haben die Zentrale in Langwasser aufgegeben ...

Greiner: ... und sind an einen Standort ganz in der Nähe gezogen. Doch trotz der Trennung von Sinn & Leffers, diverser Optimierungen und Ausgliederungen an Dienstleister konnten wir rund 95 der früher etwa 260 Stellen retten. Auch Mietkonditionen für Filialen haben wir neu verhandelt.

Sie haben sich gesund gespart?

Greiner: Auch, aber wir haben zum Beispiel auch den Einkauf optimiert, indem wir wieder die Federführung bei der Sortiments-Zusammenstellung übernommen haben. Vorher hatte man das zu sehr Lieferanten überlassen. Aber wir wissen besser, was der Kunde sucht und wie wir die Flächen optimal aufteilen, so dass eine Wöhrl-Handschrift zu erkennen ist.

Wie viel haben Sie eingespart?

Greiner: Da möchte ich nun kein Preisschild dranhängen. Wichtig ist, dass all diese Einsparungen langfristiger Natur und nachhaltig sind.

Ist die Konsolidierung damit abgeschlossen? Was ist der nächste Schritt?

Greiner: Die Konsolidierungsphase dauert noch an. Nur weil wir eineinhalb Jahre etwas Geld verdient haben, können wir noch nicht zum Angriff blasen. Der Markt bleibt volatil. Gerade sind wir dabei, die Flächenaufteilung in den Häusern zu optimieren und sie auf LED-Beleuchtung umzustellen. LED führt zu einer wertigeren Optik und spart Geld. Und wir sind dabei, Partner jenseits von Textilien für unsere Häuser zu gewinnen, etwa Reisebüros oder Gastronomie-Anbieter. Für einen großen Schritt ist es noch zu früh.

Gibt es den Plan immer noch, weitere Investoren ins Boot zu holen?

Greiner: Nein, aktuell nicht, aber das ist kein abgeschlossener Prozess. Es wäre nur ein Investor sinnvoll, der Wöhrl strategisch weiterbringt.

Wäre es denkbar, Ludwig Beck und Wöhrl enger zu verzahnen?

Greiner: Es gibt Synergien, wir tauschen uns zum Beispiel bei Material- und Dienstleistungskosten aus, die man für beide Seiten optimieren kann. Aber ansonsten sind die Firmen komplett unabhängig voneinander.

Das muss ja nicht so bleiben …

Greiner: … Dagegen sprechen bereits die unterschiedlichen Gesellschafterstrukturen. Und auch unterschiedliche Unternehmenskulturen sollte man nicht unterschätzen. Auf dem Papier sieht das immer wahnsinnig sexy aus. Aber wie schwierig es ist, hat man bei Wöhrl und SinnLeffers gesehen. Spannend wird das Thema auch bei Kaufhof und Karstadt.

Apropos Kaufhof-Karstadt. Wird Ihnen die Fusion das Leben einfacher oder schwerer machen?

Greiner: Ich finde alles schlecht, was die Innenstädte schwächt. Leerstände schaden allen. Wenn ein großes Haus geschlossen wird, verteilen sich die Umsätze ja nicht automatisch auf die anderen Häuser. Bei der Fusion von Karstadt und Kaufhof kommt es darauf an, was mit der Fläche passiert. Wird der Standort insgesamt attraktiver oder nicht? Wichtig ist, dass sich die Änderungen für die Innenstädte positiv auswirken.

Könnten Sie nicht mit einem Online-Shop etwaige Umsatzverluste im stationären Handel ausgleichen?

Greiner: Ich glaube, wir müssen erst einmal das, was wir im Kern tun, erfolgreich machen. Wenn man in den Online-Handel einsteigt, muss man es richtig machen. Voraussetzung wäre ein Modell, das wir finanziell stemmen können, das einen Mehrwert für die Kunden bietet und eine Marge abwirft. Nach meiner Schätzung findet aktuell in 80 Prozent der Textil-Online-Shops in Deutschland keine Wertschöpfung statt. Bei vielen wird nur Geld verbrannt, doch Umsätze ohne Margen helfen wenig.

Verzichten Sie mit der Online-Abstinenz nicht auf jüngere Kunden? Wie definieren Sie ihre Zielgruppe?

Greiner: Wir verzichten auf niemanden. Zielgruppe von Wöhrl ist die ganze Familie. Wir sind eines der wenigen Unternehmen, das Kunden vom Kindesalter bis ins hohe Rentenalter bedient. Wöhrl steht für ein gehobenes Mittelpreissegment. Wir wollen keinesfalls überdrehen und zu exklusiv rüberkommen. Wöhrl ist bodenständig fränkisch, kein Luxushaus, bei dem Kunden Schwellenangst haben müssen.

Guter Service setzt motivierte Mitarbeiter voraus. Hat sich das Verhältnis zu den Arbeitnehmern entspannt?

Greiner: Ich glaube, es hat sich normalisiert. Zu lange war die Kommunikation zwischen Unternehmensführung und Mitarbeitern nicht intensiv genug. Darauf legen wir jetzt großen Wert. Es ist aber klar, dass ein Unternehmen, das einem immensen Konkurrenzdruck ausgesetzt ist, nicht immer über "blühende Landschaften" reden kann. Die Leute sind dankbar, dass wir sie mitnehmen.

Mitarbeiter wollen aber auch gut verdienen – und einen Tarifvertrag …

Greiner: Wöhrl zahlt bereits jetzt gut. Natürlich kann man sich vieles wünschen. Aber ich habe erst einmal die Arbeitsplätze aus der Insolvenz gerettet. Jetzt muss das Unternehmen zeigen, dass es sich tragen kann.

Wo sehen Sie den stationären Textileinzelhandel in einige Jahren?

Greiner: Ich glaube keinesfalls daran, dass der Einzelhandel zugrunde geht, aber es wird zu einer weiteren Konsolidierung kommen. Eine Bereinigung wird es aber auch im Online-Handel geben müssen. Denn der Markt insgesamt wächst nicht.

Wie wollen Sie dann den Umsatz bei Wöhrl steigern?

Greiner: Das ist zum Teil schon gelungen, auch im Nürnberger Haus. Wie müssen die Produktivität in unseren Häusern weiter erhöhen und dafür sorgen, dass ein höherer Anteil derjenigen, die in unsere Häuser kommen, auch etwas kauft. Und die, die etwas kaufen, müssen mehr kaufen. Hier haben wir noch riesiges Potenzial.

Und wie wollen Sie die Frequenz hoch halten?

Greiner: Textilien sind ein reines Emotionsprodukt. Man nimmt sich dafür die Zeit, in die Stadt zu gehen und zu shoppen. Die Menschen gehen ja auch in Restaurants und Bars, obwohl es genügend Lieferdienste gibt. Shoppen ist Freizeitbeschäftigung und muss einen Mehrwert bieten. Dadurch sind die Ansprüche an den Service gestiegen, von den Mitarbeitern wird mehr erwartet. Gut für Wöhrl: Denn Wöhrl stand immer für Service.

Sie sind 39, Vorstand einer Aktiengesellschaft und nun auch noch Eigentümer der Modehauskette von Wöhrl. Was treibt Sie?

Greiner: Ich nehme mir Zeit für das, was Spaß macht. Und mir macht es einfach Spaß, unternehmerisch tätig zu. Das liegt in der Familie. Und die Firma Wöhrl kenne ich schon ewig lange und weiß, welches Potenzial in ihr steckt. Ich mache, was mich interessiert. Einzig meine Leidenschaft für Musik kommt derzeit etwas zu kurz.

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