Eisverkäufer Raia: Mit fruchtigen Grüßen aus bella Italia

10.8.2010, 15:00 Uhr
Eisverkäufer Raia: Mit fruchtigen Grüßen aus bella Italia

© le Claire

Wenn Luigi Raia mit seinem Wagen vorfährt, dann ist plötzlich ein wenig Weihnachten mitten im Hochsommer. Kinderaugen leuchten, Erwachsene erinnern sich sentimental lächelnd an ihre Jugend. Der gebürtige Neapolitaner ist von ganzer Seele Eisverkäufer. Und wenn er nicht gerade in seinem Nürnberger Eiscafé Pelmo bedient, dreht er gerne mit dem Eiswagen die Runde. Viel mehr Freude löst auch der Weihnachtsmann mit seinem Rentier-Schlitten nicht aus.

"Manchmal fühle ich mich wirklich wie Babbo Natale", lacht Raia mit diesem italienischem Akzent, der immer ein bisschen nach Urlaub klingt. Nur, dass es die süße Erfrischung bei ihm natürlich nicht ganz umsonst gibt. 80 Cent kostet die Kugel, 500 bis 600 davon reicht er an Spitzentagen über die Theke, immerhin 14 verschiedene Sorten hat der 48-Jährige auch im kleinen Eiswagen immer dabei. "Als Eisverkäufer weißt Du nie, wann die Leute kommen. Mal stehen sie Schlange, dann ist wieder gar nichts." Ein kleiner Fernseher an Bord hilft in diesen Momenten, die Zeit zu vertreiben.

Raia kennt die Deutschen und ihren Eisgeschmack, schon als 13-Jährigen verschlägt es ihn das erste Mal über die Alpen. Die ältere Schwester mit Job bei Grundig nimmt ihn auf, der kleine Luigi selbst träumt von einer Karriere als Koch. Ein paar Jahre packt er in einem Restaurant in der Südstadt mit an, ehe er mit 20 Jahren doch wieder für eine Weile zurück nach Neapel geht - und dort die Kunst des Eismachens erlernt. Von da an weiß er: Das ist es.

Bewegte Jahre folgen. Raia selbst hat Mühe, die einzelnen Stationen auf die Reihe zu bringen. Er pendelt oft zwischen Deutschland und Italien, ist hin- und hergerissen zwischen der "der guten Organisation und den sauberen Straßen" hier, der "Wärme und der Herzlichkeit zwischen den Menschen" dort. Er heiratet, wird viermal Vater, trennt sich später wieder. "Deutschland hat mir viel gegeben, ist für mich eine zweite Heimat. Aber sterben, sterben will ich in Italien."

"Wir machen alles selber"

2002 wollen entfernte Verwandte ihr Eiscafé Pelmo, benannt nach einem der höchsten Gipfel in den südtiroler Dolomiten, abgeben - und Raia nimmt den Eiskugellöffel in die Hand. Seitdem stellt er zusammen mit seiner neuen Frau Viola die kalte Verführung in der Nürnberger Altstadt her. "Wir machen noch alles selber, auch wenn das viel Zeit kostet", betont er. Früchte und Zucker sind willkommen, Geschmacksverstärker oder Bindemittel tabu. Rund 100 Sorten versteht er zu kreieren.

Stille Verachtung klingt durch, wenn der 48-Jährige über die moderne Konkurrenz spricht. "Der Trend geht gerade zu diesem softigen Milcheis hin. Aber das sind fast alles Industrieprodukte." Die Gründe kennt er selbst natürlich am besten: "Ist doch logisch, da sparst Du bei der Zubereitung Zeit, da sparst Du Geld." Bei etwa 30 Eis-Verkaufsstellen allein zwischen Rathenauplatz und Hauptmarkt ein heißes Argument.

Auch Raia reagiert auf den harten Wettbewerb. Mit dem Verkauf von Pizza fängt er Umsatzrückgänge im Kerngeschäft auf. Der Neapolitaner ist zudem nicht zu stolz, von der Küchenkunst der Franzosen zu profitieren und inzwischen sogar Crêpes zu kredenzen. Das Eis freilich bleibt hundertprozentig tutto italiano. Er weiß, dass das bei "seinen" Deutschen ankommt. "Manche sprechen mich sogar auf Italienisch an, um zu testen, ob ich wirklich Italiener bin."

Ein kleines Mädchen läuft zu Raias Wagen. Für einen besseren Blick in die Kühlbox sorgen Papas starke Arme. Das giftblaue Schlumpfeis soll es sein. Eisverkäufer und Kundin strahlen sich an: Weihnachten bei 26 Grad.