Faber-Castell: Mit Stiften Wirtschaftsgeschichte geschrieben

18.1.2017, 12:00 Uhr
Faber-Castell: Mit Stiften Wirtschaftsgeschichte geschrieben

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Globalisierung? Diesen Begriff, der heute in aller Munde ist, verwendete zu Zeiten des Unternehmers Lothar von Faber (1817-1896) noch niemand. Dass der Weltmarkt viele Möglichkeiten bietet, war dem Steiner Bleistiftfabrikanten, der 1881 in den erblichen Freiherrnstand erhoben wurde, allerdings früh bewusst - und er nutzte diese Chancen.

Angefangen freilich hat alles ganz bescheiden. Nach dem frühen Tod seines Vaters 1839 übernimmt Lothar Faber die Bleistiftmanufaktur, die zu dieser Zeit gerade mal 20 Beschäftigte zählt und alles andere als auf dem neuesten Stand ist. Was der junge Mann schnell ändert.

Musterkoffer unter dem Arm

Bei der Umstrukturierung kommen dem Unternehmer, der die Feinheiten der Kaufmannskunst im Handels- und Bankhaus Cnopf erlernt hat, seine Auslandsaufenthalte in Paris und London zugute. So wendet Lothar Faber das Conté’sche Verfahren der Minenherstellung an und mischt dem Graphit Ton bei. Das bringt nicht zuletzt Kostenvorteile.

Auch wenn man verkaufsfördernde Maßnahmen seinerzeit noch nicht so nennt: Dass geschicktes Marketing im Geschäftsleben die halbe Miete ist, das ist Faber sonnenklar. So entwickelt der findige Unternehmer unter anderem den sechseckigen Markenbleistift mit unterschiedlichen Härtegraden. Der Vertrieb seiner Produkte ist für ihn Chefsache: Mit dem Musterkoffer unter dem Arm erobert Lothar Faber neue Märkte in Deutschland, Russland, Österreich, Belgien, Holland, Frankreich, Italien, der Schweiz und England.

Der große Coup

1849 wagt die Firma A. W. Faber - benannt nach Lothars Großvater Anton Wilhelm Faber - den Sprung über den Großen Teich und eröffnet eine Niederlassung in der Metropole New York.

Nur ein Jahrzehnt später, nachdem Lothar Faber das Ruder übernommen hat, hat sich die Mitarbeiterzahl auf 200 verzehnfacht, das Unternehmen fertigt Stifte für Europa, Amerika und Indien. Die Expansion im Ausland geht weiter, in London und Paris entstehen Filialen. 1856 gelingt Faber der große Coup: Er sichert sich ein Graphitvorkommen in Sibirien und verfügt nun über reiche Mengen des wichtigen Rohstoffs.

Wenige Jahre später erweitert das Steiner Unternehmen seine Palette um Schiefertafeln, Griffel und Zeichenbedarf. 1874 erfindet Faber den Kopierstift. Buntstifte, Tinten und Malfarben werden ins Sortiment aufgenommen, im Ausland weitere Firmenvertretungen gegründet. Für Faber arbeiten inzwischen 1100 Frauen und Männer, aus der kleinen Manufaktur ist das weltweit führende Unternehmen der Branche geworden.

Bei seinem Expansionskurs hat der Unternehmer das Wohl seiner Beschäftigten nie aus den Augen verloren. Bereits 1844 gründet Faber eine Betriebskrankenkasse und baut Wohnungen für seine Arbeiter. Auch in der regionalen Wirtschaft engagiert sich der Fabrikant, dem Nürnberg 1861 die Ehrenbürgerwürde verleiht. So unterstützt er die Gründung des Gewerbemuseums in der Frankenmetropole großzügig und gehört zu den Initiatoren der Nürnberger Lebensversicherungs-Bank, aus der die Nürnberger Versicherungsgruppe hervorgeht.

Am 26. Juli 1896 stirbt Lothar von Faber. Nach seinem Tod geht das Unternehmen auf seine Enkelin Ottilie über - Lothar von Fabers Sohn Wilhelm war 1893 überraschend gestorben. Die Freiin heiratet 1898 Graf Alexander zu Castell-Rüdenhausen. "Lothar von Faber hatte seinerzeit verfügt, dass der Name ,Faber‘ bei der Eheschließung der Firmenerbin in jedem Falle erhalten bleiben müsse. Deshalb entsteht bei der Verbindung von Freiin Ottilie mit Alexander Graf zu Castell-Rüdenhausen der neue Familienname Graf und Gräfin von Faber-Castell", heißt es in der Firmenchronik. Dieser Name wird später auch auf die Firma übertragen.

Das Paar bekommt fünf Kinder, darunter der 1905 geborene Sohn Roland. Er übernimmt nach dem Tod seines Vaters, Graf Alexander, das Unternehmen. "Fünfzig Jahre lang führt er die Firma durch bewegte Zeiten", ist in der Firmenhistorie zu lesen. 1978 stirbt Roland Graf von Faber-Castell.

Andere Pläne

Sein 1941 geborener Sohn Anton-Wolfgang Graf von Faber-Castell übernimmt das Steuer. Eine Karriere im Familienunternehmen hatte er ursprünglich nicht im Sinn gehabt. Sein Vater hatte ihn dafür bereits nach dem Abitur gewinnen wollen, doch der Filius hatte abgewinkt: "Ich kann mir für mein Leben etwas Interessanteres vorstellen, als eine Bleistiftfirma zu leiten", hält er damals schriftlich fest.

Der junge Graf studiert Rechtswissenschaften in Zürich, arbeitet einige Jahre als Investmentbanker in London und New York - und kehrt schließlich doch ins Schloss in Stein zurück. 1978 wird er zum alleinigen geschäftsführenden Gesellschafter der Faber-Castell-Unternehmensgruppe, später zum Vorstandschef der Faber-Castell AG - und baut das Familienunternehmen, das er in achter Generation lenkt, weiter aus.

Als Anton-Wolfgang Graf von Faber-Castell, ein auch sozial, kulturell und ökologisch engagierter Firmenlenker, am 21. Januar 2016 mit 74 Jahren stirbt, zählt das Unternehmen weltweit rund 7500 Beschäftigte, darunter 850 in Stein und 225 im Werk Geroldsgrün bei Hof. Der Fabrikant hinterließ "ein gesundes, dezentral aufgestelltes Unternehmen", heißt es in einer Pressemitteilung im August 2016, in der Faber-Castell Zahlen für das Geschäftsjahr 2015/2016 (Stichtag 31. März) mitteilt: Es geht mit 631 Mio. Euro Umsatz als das beste in die Unternehmensgeschichte ein.

An der Spitze des Unternehmens steht derzeit Mary Gräfin von Faber-Castell; mit ihr war Anton-Wolfgang Graf von Faber-Castell in zweiter Ehe verheiratet. Sein Sohn Charles leitet das Premium-Segment des Unternehmens, das heute in über 120 Ländern vertreten ist und über eigene Produktionsstätten in neun Ländern sowie Vertriebsgesellschaften in 22 Ländern weltweit verfügt. Mit über 2,3 Milliarden Blei- und Farbstiften pro Jahr ist Faber-Castell nach eigenen Angaben der bedeutendste Hersteller holzgefasster Stifte.

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