Frischer Fisch hat pralle Augen

30.11.2011, 21:00 Uhr
Frischer Fisch hat pralle Augen

© Michael Matejka

Am Montag oder Dienstag Frischfisch zu kaufen, ist ungünstig. Denn auch die Fischer, ob in der Bretagne oder in Dänemark, sind am Wochenende an Land und ruhen sich aus. Fazit: Wer auf wirkliche Frische Wert legt, sollte den Fisch erst ab Mittwoch besorgen. Das Ehepaar Wembach kommt an einem Donnerstag zu „Meeresdelikatessen“ in Nürnberg-Buch. Sie kochen gern Bouillabaisse. Dazu brauchen sie natürlich Fisch. An der Theke prüfen sie Merlan, dem Kabeljau ähnlich, aber auch die Crevetten. Reste, die nach dem Filettieren des Fischs übrig bleiben, verwenden sie für einen kräftigen Fonds. In die fertige Flüssigkeit kommen zum Beispiel Rotbarbe und Petermännchen. Auch der Käse lockt die Stammkunden immer wieder hierher. Ferner gefällt es ihnen, dass mitunter „Sonderwünsche“ erfüllt werden, erzählen sie.

Austernliebhaber und -hasser

Die Austern allerdings beachten diese Kunden nicht einmal, die muss man mögen. Bei Austern gibt es nur „Igitt!“ oder „deliziös“. Der Chef, Hans Bruckner, kennt die Kluft zwischen Austernhassern und –liebhabern, „da gibt es keinen Kompromiss“, sagt der 47-Jährige.

Bruckner ist Diplom-Betriebswirt. Seine Karriere begann er als Jungmanager bei Nordsee, entschied sich dann aber für die Selbstständigkeit, als sich im Spezialitäten-Großhandel die passende Gelegenheit bot.

Fisch und Meeresfrüchte sind eine heikle Ware, weiß der Händler. Und dazu das einzige Lebensmittel, das auf Auktionen den Besitzer wechselt. Hochempfindlich ist der Fisch, denn ein Fehler bei der Lagerung oder eine unterbrochene Kühlkette, und schon taugt die ganze Ladung nur noch für den Müll. Auch für den Käufer gibt es einiges zu beachten. Ist eine Auster zum Beispiel schon geöffnet, sollte der Käufer sie wegwerfen. Genießbare Miesmuscheln dagegen schließen sich wieder, wenn sie in kaltem Wasser bewegt werden. Und ob der Fisch in der Theke frisch ist, sieht der Kenner an den prallen Augen und roten Kiemen. Auch die eigene Nase ist ein wichtiger Detektiv: Salzwasserfisch sollte nach Meerwasser duften und in der Regel keinen intensiven Fischgeruch ausdünsten. Bruckner sagt: „Bei unangenehmem Geruch ist vom Verzehr abzuraten.“

Die bisweilen starken Preisschwankungen auf dem Markt haben nicht selten mit Umwelteinflüssen zu tun. Die Überfischung der Meere generell, Stürme, Havarien und Krankheiten können das Angebot an Fisch verknappen. Wie bei den Austern. Eine Art Herpesvirus raffte in den französischen Austernbänken Frankreichs ganze Populationen weg, erzählt Bruckner. Er hofft, dass sich Angebotsmenge und damit auch die Preise bald wieder normalisieren. Solche und andere Ratschläge hat Hans Bruckner auf Lager. In seinem Geschäft verkauft er Frischfisch, Meeresfrüchte, Pasteten, Fischsalate und Käse aus Frankreich in allen Variationen — neuerdings nicht mehr nur an Feinschmecker-Lokale, sondern auch direkt an private Kunden. „Eigentlich ist es selbstmörderisch, einen Fachhandel auf der Privatkundenschiene aufzumachen“, sinniert er. Für ihn ist diese Nische nur eine Ergänzung zum Großhandel, leben könnte er ansonsten nicht davon.

Im Schlepptau der Sushi-Welle

Angezogen hatte die Nachfrage nach verlässlich frischem Fisch vor rund 15 Jahren, als die Sushi-Welle von Japan nach Deutschland herüberschwappte, erzählt Bruckner. Dabei nimmt der Anteil des Fischs aus Zuchtbetrieben zu, während der Wildfang abnimmt. Der Unterschied muss für den Käufer sichtbar ausgewiesen werden, woran sich jedoch nicht alle Händler halten.

Der Vorteil des Zuchtfischs: Er hat in der Regel kürzere Wege, bis er auf dem Teller landet. Und er ist oft billiger: Die Dorade war früher kaum erschwinglich für Otto-Normalverbraucher, heute ist sie das, sagt Bruckner.

Auch beim Zuchtfisch gibt es merkliche Unterschiede: Bio-Lachs zum Beispiel ist teurer, weil er doppelt so lange braucht wie norwegische Massenware, um festes Muskelfleisch zu entwickeln.

Wir wissen das ja von den Starköchen im Fernsehen: Beim Einkauf schon entscheidet sich, ob die Qualität der Ware überhaupt die Chance zu einem Gourmet-Mahl gestattet. Das sei schon wahr, sagt der Experte. Über die Fernsehköche selbst jedoch kann er nur schmunzeln. In seinen Augen sind es Unterhaltungsshows, bei denen das Kochen zur Nebensachen verkommt.

Seit der Katastrophe von Fukushima fragen immer mal wieder besorgte Kunden nach dem Risiko, an „verstrahlten“ Frischfisch von den japanischen Küsten zu geraten. Die kann Bruckner beruhigen. In Sachen Fisch ist Japan ein riesiger Markt mit dem höchsten Pro-Kopf-Verbrauch überhaupt. Anders ausgedrückt: Die Japaner exportieren keinen Fisch. Im Gegenteil, sagt der Händler: „Sie kaufen die Weltmeere leer.“

Mehr Informationen über Meeres-Delikatessen in unserer Rubrik Essen und Trinken!

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