Geld und Gewissen

5.6.2015, 20:22 Uhr
 Geld und Gewissen

© Foto: Eduard Weigert

Es ist völlig egal, welche Bank ein Besucher betritt — Manager und Mitarbeiter werden in jedem Fall treuherzig beteuern, dass just in diesem Institut das Interesse des Kunden unverrückbar im Mittelpunkt steht: Das Wohl des Verbrauchers hat als Verkaufsargument im harten Wettbewerb in der Finanzbranche zuletzt enorm an Bedeutung gewonnen.

Allerdings: „Reden oder auch Leitlinien aufstellen kann jeder“, meint Harald Bolsinger. Worauf es wirklich ankomme, das ist das tatsächliche Handeln, betont der Professor für Volkswirtschaft und Wirtschaftsethik an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt. Und wie ein Geldhaus im Alltag agiere, das könne es nicht selbst bewerten. Dieses Urteil müsse vielmehr von Kunden und externen Stellen kommen, so Bolsinger.

Eine Vorreiterrolle schreibt der Wirtschaftsethiker hier der Nürnberger Evenord Bank zu. Die einst auf das Fleischerhandwerk spezialisierte Bank hat sich selbst ein klares Prinzip verordnet, das „die moralischen Ansprüche der Gesellschaft und unsere Gewinnansprüche“ in Einklang bringen soll, wie Vorstandsmitglied Karlheinz Lorenz erläutert.

Gestartet hat das Geldhaus diese Ausrichtung 2009. Damals erschütterte die Finanzkrise, ausgelöst durch wackelige Immobilienkredite in den USA und auf den Höhepunkt getrieben durch die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers, die Welt. Auch deutsche Banken gerieten an den Rand des Abgrunds und mussten mit Hilfe des Staates, also der Steuerzahler, gerettet werden. Der Beruf des Bankers geriet in Misskredit, der Ruf der Banken war ramponiert.

Die genossenschaftlich strukturierte Evenord Bank will dem schlechten Image mit ihrem neuen Prinzip entgegenwirken. Zertifiziert vom Zentrum für Wirtschaftsethik beinhaltet die Ausrichtung ein „klares Nein zur Gewinnmaximierung zulasten der Kunden“. Konkret bedeutet das zum Beispiel: Anders als in der Branche verbreitet gibt es keine Vertriebsvorgaben für den Verkauf der Finanzprodukte. Die 40 Beschäftigten können frei entscheiden, ob sie ihren Kunden Fonds oder Bausparverträge anbieten. Auch Provisionen werden nicht gezahlt. Alle Mitarbeiter erhalten ein festes Gehalt, betont Vorstandschef Horst Schneider.

Externe Expertise

Noch bevor einige Großbanken — nach dem Startschuss durch die ING Diba — im vergangenen Jahr die von Verbraucherschützern heftig kritisierten Überziehungszinsen abgeschafft haben, hatte die Evenord Bank diese Position aus ihrem Kostenverzeichnis gestrichen. Diese Kredite werden berechnet, wenn Kunden den ihnen eingeräumten Kreditrahmen auf dem Girokonto überschreiten. Mit Zinsen im mittleren zweistelligen Prozentbereich sind sie extrem teuer — gerade in einer Zeit, in der der Leitzins der Europäischen Zentralbank bei 0,05 Prozent liegt.

Ein weiterer Punkt sind die nun definierten Ausschlusskriterien. Um diese festzulegen, hat das Geldhaus Kunden und Beschäftigte befragt. Das Ergebnis: Seit März 2015 sind in der Anlage — sowohl beim Geld der Kunden als auch beim eigenen — und bei Krediten Geschäfte tabu, wenn sie Menschenrechte oder internationale Sozialstandards verletzen oder bewusst die Umwelt schädigen. Auch die Spekulation mit Nahrungsmitteln, Fracking, Gentechnik und Tierversuche für nichtmedizinische Zwecke stehen auf der Roten Liste. Korruption und Steuerhinterziehung gehören ebenfalls zu den Negativ-Kriterien.

Welche Finanzangebote dann noch infrage kommen, dazu holt sich die Evenord Bank die fachliche Expertise von oekom research. Die 1993 gegründete Münchner Rating-Agentur ist spezialisiert auf den sogenannten nachhaltigen Finanzsektor. Zu ihren Kunden zählen bislang vor allem Fondsgesellschaften, Stiftungen und kirchliche Investoren.

Blaupause für die Branche?

Doch die Evenord Bank setzt nicht nur auf Ausschlusskriterien. Vielmehr soll es auch Vorteile für Projekte geben, die der Gesellschaft nutzen. So gibt es einen günstigeren Zins für die Finanzierung energieeffizienter Gebäude oder barrierefreies Wohnen.

Als reine Nachhaltigkeitsbank oder grüne Ethikbank sieht Vorstandschef Schneider sein Haus aber nicht. Die Evenord Bank wolle eine „regional ausgerichtete Universalbank“ und damit ein Partner in „allen finanziellen Belangen“ bleiben. Dabei soll aber stets beachtet werden, welche Auswirkungen das Geschäft auf die regionale Wirtschaft, die Umwelt und die Menschen habe, sagt Schneider.

Mit diesem Ansatz könne die kleine Regionalbank aus Nürnberg zur „Blaupause für die gesamte Finanzbranche“ werden, wünscht sich Wirtschaftsethikprofessor Bolsinger.

 

 

 

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