GfK-Chef setzt auf die digitale Marktforschung

20.2.2014, 06:00 Uhr
Der 47-Jährige geht in die Verlängerung: GfK-Vorstandschef Matthias Hartmann wird bis 2019 im Amt bleiben.

© Stefan Hippel Der 47-Jährige geht in die Verlängerung: GfK-Vorstandschef Matthias Hartmann wird bis 2019 im Amt bleiben.

Ist der ADAC-Skandal der GAU auch für diesen großen Markennamen?

Matthias Hartmann: Der Verein und das ganze Unternehmen ADAC leben von Vertrauen. Wenn das so beschädigt ist, helfen nur das offene Visier und völlige Ehrlichkeit.

Hätte die GfK für das Ermitteln des Gelben Engels nicht das bessere Rüstzeug gehabt?

Hartmann: Ich würde hier lieber generell sprechen: Natürlich ist es unser täglich Brot als Marktforscher, auch Rankings auf solider, belastbarer Basis zu erstellen.

Ist das Vertrauen der Bürger in Ranglisten jetzt völlig perdu?

Hartmann: Wer verantwortungsvoll und sensibel mit Daten umgeht und sie strikt anonymisiert, so wie wir, bleibt weiter vertrauenswürdig. Seit 80 Jahren ist das Verbrauchervertrauen unser Kapital, und wir würden es niemals auf’s Spiel setzen. Ich glaube, dass die Menschen das wissen.

Sie finden zum Beispiel heraus, dass Regensburg mit 55,7 Prozent deutschlandweit die meisten Single-Haushalte hat, Würzburg folgt auf Platz drei und Nürnberg weit abgeschlagen auf Platz 22 mit 47 Prozent. Was machen Sie bei solchen Erhebungen besser als das Statistische Bundesamt?

Hartmann: Wir sind viel schneller, benutzen weitere Quellen und gehen in die Tiefe. Beim monatlichen Konsumklimaindex sagen wir außerdem voraus, wie sich die Kaufneigung der Konsumenten entwickeln wird.

Daten sind Gold wert

Wem nutzt dieses Wissen?

Hartmann: Wir geben zum Beispiel dem Einzelhandel Antworten: Wo lohnt es sich, eine Filiale zu eröffnen? Ein Einzelhandelskonzern erhält so Informationen, wer wo wohnt. Sind es junge Berufstätige, die mehr Bio- und regionale Produkte wollen? Solche Kenntnisse über die demografische Verteilung sind Gold wert. Denn entsprechend passt der Handel sein Sortiment an.

Das GfK-Management selbst sortiert auch um: Künftig wollen Sie Ihr Wissen über das Verbraucherverhalten mehr aus sozialen Netzwerken ziehen. Wie valide sind solche Erkenntnisse?

Hartmann: Natürlich ist nicht jeder Tweet inhaltlich wertvoll, aber unsere neue Partnerschaft mit Twitter ist es durchaus. Die Konsumenten äußern sich über verschiedene Medien. Unsere Aufgabe ist es, das überall, auch mobil, nachzuverfolgen und die Details verständlich zu verarbeiten. Doch einen Sack voll Daten zu haben, nutzt allein ja noch gar nichts. Der Schlüssel ist die richtige Gewichtung, intelligente Auswertung und die beste Qualitätssicherung. Wir müssen aus Big Data Smart Data machen. Das ist unser Weg.

Wollen Sie Google Konkurrenz machen? Und: Worin unterscheiden Sie sich von einem reinen Softwarehaus, einer Datenkrake oder einem Technologiekonzern?

Hartmann: Wir haben gerade einen Auftrag von einem Unternehmen, das größten Wert darauf legt, dass wir die Zielgruppe auch persönlich befragen. Doch diese klassische, projektbezogene Marktforschung geht zurück zugunsten der Verknüpfung digitaler Daten. Letzteres macht heute 30 bis 40 Prozent unseres Umsatzes aus. In weiterer Zukunft wird beides etwa gleichauf liegen.

Werden die GfK-Dienste dann billiger für Ihre Kunden, die Markenartikler, den Handel und die werbetreibende Wirtschaft?

Hartmann: Nicht unbedingt. Aber sicher effektiver. Und wir erschließen uns etwa mit dem Zugriff auf mobile Daten völlig neue Ertragsquellen.

"Wir kaufen Hightech-Firmen"

Lange Jahre wuchs die GfK vor allem dank der Firmenkäufe in aller Welt. Ist damit Schluss?

Hartmann: Unsere Zukäufe sind heute andere. Wir kaufen nicht mehr den klassischen Marktforscher, sondern kleine Hightech-Firmen mit Plattformen, die wir sonst erst mühsam entwickeln müssten. Grundsätzlich jedoch wollen wir stärker organisch mit neuen Geschäften wachsen.

Liegt die Zurückhaltung auch daran, dass Sie vor Weihnachten eine Wertberichtigung in der erstaunlichen Höhe von 112,5 Millionen Euro in den Büchern vornehmen mussten? Abschreibungen auf den Wert von Firmen, die irgendwann beim GfK-Einkaufsbummel erworben wurden?

Hartmann: Im Zuge der Neupositionierung haben wir genauer hingeschaut, was an immateriellen Firmenwerten in der Bilanz stand, wie sich der Markt entwickelt und was zu unserer Strategie passt. Da muss man den Mut haben, alte Zöpfe abzuschneiden. Das macht uns aber weder scheckig noch nervös.

Beschert der GfK aber einen operativen Verlust für 2013. Ist das bitter?

Hartmann: Natürlich sehe ich das nicht gerne. Aber wir sind heute im dritten und damit letzten Jahr des Umbaus. 2014 steht im Zeichen der Umsetzung. Wir bauen die Fernseh-Forschung in Brasilien und Saudi-Arabien auf, expandieren in Handelspanels und der mobilen Datenwelt. In diese und weitere Projekte investieren wir in diesem Jahr noch einmal kräftig einen zweistelligen Millionenbetrag. Hier erwarten wir auch das stärkste Wachstum und weniger in der klassischen Auftragsforschung. Ab 2015 wollen wir dann die Früchte des Umbaus ernten.

"Wir schaffen in Deutschland Arbeitsplätze"

Wächst das Personal mit?

Hartmann: Ja, wir schaffen in Deutschland Arbeitsplätze. 2012 waren es per saldo 150 Stellen, 2013 dann 50 und 2014 schaffen wir voraussichtlich knapp 50.

Sind diese offenen Stellen für typische Google-Mitarbeiter geschaffen?

Hartmann: Dagegen habe ich nichts. Tatsächlich brauchen wir zunehmend Bewerber, die in der digitalen Welt zuhause sind. Unser neuer Strategiechef war beispielsweise bei Google und arbeitet von New York aus.

Mit Ihrem eigenen Vertrag gehen Sie nun in die Verlängerung. Freuen Sie sich auf die nächsten fünf Jahre?

Hartmann: Klar! Ich habe den Umbau mit unserer tollen Mannschaft begonnen und will ihn auch erfolgreich zu Ende bringen.

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