Gründer und Airline-Sanierer: Hans Rudolf Wöhrl wird 70

20.11.2017, 11:40 Uhr
An Ruhestand ist nicht zu denken: Hans Rudolf Wöhrl wird 70.

© dpa/Nicolas Armer An Ruhestand ist nicht zu denken: Hans Rudolf Wöhrl wird 70.

Hans Rudolf Wöhrl weint Air Berlin keine Träne nach. Dass er im Poker um die insolvente Fluggesellschaft am Ende den Kürzeren zog, finde er schade. Aber zu seinen Eigenschaften gehöre es, nicht nachtragend zu sein, meint der Unternehmer aus Franken. Er könne sich umdrehen und nach vorn blicken - "egal, was passiert ist".

Passiert ist im Leben von Hans Rudolf Wöhrl schon eine ganze Menge - wohl mehr, als so manch anderem Altersgenossen lieb wäre. Steile Höhen hat er ebenso erlebt wie Sinkflüge - und so manche schmerzhafte Bruchlandung. Wöhrl feiert am Montag seinen 70. Geburtstag. Es mache ihm einfach Spaß, sich weiter produktiv zu beschäftigen, mit jungen Leuten etwas aufzubauen und etwas Sinnvolles mit seinem Leben anzufangen. "Warum sollte sich das nach dem 70. ändern?", fragt er.

Umtriebig zeigte sich Wöhrl schon früh. Mitten in seiner Lehre als Einzelhandelskaufmann gründete er 1966 in seiner Heimatstadt Nürnberg die Modeboutique Carnaby Shops. Sein Geschäftssinn kommt nicht von ungefähr: Die Eltern Rudolf und Berta führten das Modehaus Wöhrl, das die Söhne Hans Rudolf und Gerhard 1970 übernahmen.

Erbe sei er nie gewesen, betont Hans Rudolf Wöhrl stolz. Sein Vater habe ihnen die Firma nicht geschenkt, sondern verkauft. In seiner kürzlich erschienenen Autobiografie "Wie meine Träume fliegen lernten" schildert er, wie er sich Jahre später nicht zuletzt im Streit mit seinem Bruder immer mehr aus dem Unternehmen zurückzog.

 

Über den Wolken

Seine wahre Leidenschaft gilt seit jeher der Fliegerei. Schon 1969 machte Wöhrl als junger Mann den Pilotenschein. Fünf Jahre später gründete er den Nürnberger Flugdienst (NFD) - "aus dem Nichts und ohne fremde Hilfe" wie zuvor auch Carnaby Shops. Regelmäßig stieg Wöhrl für seine regionale Airline selbst ins Cockpit. Der NFD ist allerdings auch mit seinen härtesten beruflichen Tiefschlägen verbunden - ein Flugzeugunglück mit sechs Toten 1977 und ein weiteres mit 21 Toten 1988. "Es ist furchtbar, wenn man sich verantwortlich fühlt, ohne Schuld gehabt zu haben", sagt Wöhrl im Rückblick.

Überhaupt seien seine größten Rückschläge immer Ereignisse gewesen, "auf die ich keinen Einfluss nehmen konnte, die mich zum ohnmächtigen und hilflosen Zuschauer gemacht haben". Das gilt vor allem für seinen schlimmsten persönlichen Schicksalsschlag: 2001 stürzte das jüngste seiner fünf Kinder - der zwölf Jahre alte Emanuel - vom Dach der elterlichen Villa in Nürnberg und verunglückte tödlich. "Das hat alles überschattet."

2003 meldete sich Wöhrl im Airline-Geschäft zurück, nachdem der NFD elf Jahre zuvor mit einer regionalen Fluggesellschaft zu Eurowings verschmolzen war und er seine Anteile verkauft hatte. Für einen symbolischen Euro übernahm er die kränkelnde deutsche Tochter von British Airways und verpasste ihr ein neues Geschäftsmodell. 2006 verkaufte er dba (ehemals Deutsche British Airways) dann an Air Berlin - wie auch die LTU, an der er zeitweise die Mehrheit hielt.

Häufig muss er sich seitdem den Vorwurf gefallen lassen, Firmen billig zu kaufen, nur um sie dann möglichst schnell mit Gewinn zu verkaufen. Die Kritik kontert Wöhrl auf seine gewohnt markige Art: "Die Leute hören irgendetwas und plappern es nach", schimpft er. Er sei auf zwei Gebieten tätig. Da sei das traditionelle Geschäft, bei dem eine Firma dauerhaft im Bestand gehalten werde. Und eben die Gründung und die Sanierung von Firmen, in denen er Potenzial sehe.

Scheitern gehört dazu

Seien die Firmen einmal auf Kurs gebracht, suchten er und seine Mitarbeiter passende neue Eigentümer. Dies gelinge zwar nicht oft, räumt Wöhrl ein. Doch finde er es besser, bei einigen das Scheitern zu riskieren, als sie in die Insolvenz zu schicken.

Besonders viel Potenzial sah Wöhrl zuletzt in Air Berlin, wollte die zahlungsunfähige Fluggesellschaft für bis zu 500 Millionen Euro ganz übernehmen. Daraus wurde aber nichts, die Lufthansa bekam am Ende den Zuschlag für den Großteil der Flotte. Wöhrl witterte von Anfang an ein abgekartetes Spiel, in dem die Bundesregierung ihre Finger habe.

Inzwischen sehe er all seine düsteren Prognosen für Air Berlin nicht nur erfüllt, es sei sogar schlimmer gekommen. "Zig Tausende verlorene Jobs in Deutschland, ein Monopol auf vielen Strecken, und das alles mit Hilfe des Staates. Ich bin schockiert, dass es dazu kommen konnte", teilt er der Deutschen Presse-Agentur auf Nachfrage mit.

Da er ja nicht nachtragend sei, habe er sich keiner Klage wegen der Niederlage im Air-Berlin-Poker angeschlossen. Auch über das "viele verlorene Geld und die vertane Arbeitskraft" ärgere er sich nicht, so Wöhrl. "Aus und vorbei - morgen wird sich eine neue Chance bieten."

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