Helmut Fischer: Mister Puma auf dem Sprung

9.1.2012, 15:00 Uhr
Helmut Fischer: Mister Puma auf dem Sprung

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Ein Dokumentarfilm, für den er wichtige Requisiten besorgte, hat Helmut Fischer erst vor einigen Monaten sein „Lebenserlebnis“ (so der 62-Jährige) wieder vergegenwärtigt: die Olympischen Spiele und das furchtbare Attentat von München 1972, das er als Grenzschutz-Beamter erlebte.

Im Olympischen Dorf gab es damals zwei Sportshops: einen von adidas und einen von Puma. Letzteren leitete sogar eine Bekannte. Irmgard Hacker, die Tante des heutigen Herzogenauracher Bürgermeisters. Diese Bekanntschaft brachte Puma bald so nicht gewollte, aber doch weltweite Aufmerksamkeit und änderte Fischers Lebenslauf.

Getarnte Scharfschützen

Nach dem Anschlag auf die israelische Olympiamannschaft sollten Scharfschützen als Athleten getarnt in Stellung gehen. Die Polizisten wurden gefragt, ob jemand einen aus den Herzogenauracher Läden kenne. Grenzschützer Fischer kannte Frau Hacker — und die Polizisten trugen prompt Trainingsanzüge der Puma-Kollektion mit markanten, sieben Zentimeter breiten und weltweit gesehenen Streifen. Für den Dokumentarfilm brauchten die Puma-Werbeleute nur in die aktuelle Kollektion zu greifen. Jene Streifen sind heute wieder im Produkt-Programm. Auch damit hat vor allem Helmut Fischer zu tun.

Angeheuert von Armin Dassler

Nach dem Ende der Spiele, vor allem unter dem Eindruck dieses ersten Terroranschlags in Deutschland, hatte Fischer genug vom Grenzschutz. Er sattelte völlig um, wurde Programmierer und landete als Operator bei Siemens. Um sich zwei Jahre später bei der Firma zu bewerben, wo die Frau arbeitete, die er inzwischen lieben gelernt hatte. Gründersohn Armin Dassler, Nachbar der Familie Fischer, stellte ihn ein und gab auch nach, als Helmut Fischer die Werbefachschule besuchen wollte, denn der damals zweitgrößte Sportartikler der Welt hatte keine Werbeabteilung.

Seit 1982 leitete diese Helmut Fischer. Sein Assistent Jochen Zeitz wurde später Marketingleiter — „der einzige wirklich gute“ (Fischer) — und Vorstandsvorsitzender.

Dazwischen lag der Niedergang der Firma und die Tiefpunkte in der Laufbahn Helmut Fischers. Puma hatte seine Schuhe auf die Billigschiene gesetzt, die Marke war auf Ramschniveau gesunken. 1988 musste Armin Dassler auf Druck der Deutschen Bank auch seinen Aufsichtsratsposten in der keineswegs freiwillig gegründeten AG räumen und das Bankhaus übernahm 1989 voll die Kontrolle.

Einer wie Helmut Fischer, für den Puma Teil seiner Herzogenauracher Heimat ist, der als Heimatvereinler und bekennender Franke Historisches liebt, konnte nicht anders: Aus dem Müllcontainer rettete er nicht nur die Fotos und Gemälde aus den alten Chefbüros, die alten Kataloge und Muster, sondern auch Schuhe, die „man doch nicht einfach wegwerfen kann“, kurz, die Geschichte von Puma. Boris Beckers Siegschläger von Wimbledon, gewidmet „für Armin“, hatte ihm Dassler noch selbst geschenkt.

Sein Lieblingsschuh war auch dabei: Der Fußballschuh für die Weltmeisterschaft 1958 in Schweden, den unter anderem Pelé getragen hatte, signiert von den brasilianischen Helden. Nach wie vor ist Pelé von den Hunderten Weltstars, mit denen Fischer um Verträge und Kollektionen verhandelt hat, für ihn der größte Sportler. Fischer mietete für die Schätze eine Garage. Genau aus dieser Garage stammt der Grundstock für die Renaissance und den Wiederaufstieg der bekannten Marke.

Um das von Marketingchef Jochen Zeitz eingeführte Schnürscheiben-System Puma Disc im Sportschuh-Sektor durchzubringen, fehlten noch die Mittel. Doch auf einer Messe im kalifornischen Anaheim erlebte Zeitz, wie schwarze Jugendliche den Puma-Stand nach einem alten Basketball-Modell förmlich überrannten. Die Lifestyle-Idee war geboren. Noch heute ist der nach Walt „Clyde“ Frazier benannte Schuh Pumas am zweithäufigsten verkaufter.

Fischers „Andenken-Garage“ konnte nachliefern: Modekönigin Jil Sander bestellte den Fußball-Oldie „King“ als Designerstück und schaffte es, den einstigen Preiswert-Schlappen für 400 Mark zu verkaufen. Aus dem alten Rennradschuh „Sprint“, den Fischer gerettet hatte, wurde ebenfalls ein Lifestyle-Treter für Modebewusste, und unter dem baldigen Chef Zeitz ging es modisch Schlag auf Schlag.

Lifestyle als Erfolgskonzept

Damals genau die Strategie, das Unternehmen im Zeichen der Raubkatze wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Doch heute, zum Abschied, ist Helmut Fischer froh, dass Franz Koch, Nachfolger von Jochen Zeitz in der Unternehmensleitung, wieder mehr auf eine Kollektion für den Leistungssport setzt. Jüngstes Signal in diese Richtung: Mit Deutschland-Chef Matthias Bäumer durfte Helmut Fischer seit 2009 mit Borussia Dortmund um den jetzt in Kraft tretenden Rundum-Ausrüstervertrag verhandeln.

Mit dem BVB-Trainer und Ex-Nike-Mann Jürgen Klopp ist Fischer jetzt per Du. Und auch andere Hürden hat der Ur-Herzogenauracher trotz aller Puma-Liebe längst überwunden. Beim ersten „Peace one day“-Event 2010 sah man ihn im Trikot mit drei Streifen am Ärmel.

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