Hochkonjunktur: Deutschlands Wirtschaftsboom dauert an

14.12.2017, 15:56 Uhr
Privater Konsum trägt maßgeblich dazu bei, dass die deutsche Wirtschaft weiter wächst.

© Frank Rumpenhorst/Archiv (dpa) Privater Konsum trägt maßgeblich dazu bei, dass die deutsche Wirtschaft weiter wächst.

Die deutsche Wirtschaft setzt trotz der schleppenden Regierungsbildung ihren ungewöhnlich langen Aufschwung fort und geht mit Volldampf ins nächste Jahr. Davon sollen auch die Beschäftigten profitieren: Die Einkommen legen nach aktuellen Konjunkturprognosen zu, auch der Beschäftigungsboom hält an. Gleichzeitig gibt es Warnungen vor den Risiken eines Umschwungs. Die Produktionskapazitäten seien bereits mehr als ausgelastet.

"Die deutsche Wirtschaft brummt", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest am Donnerstag in Berlin. Die Wirtschaft befinde sich auf dem Weg in die Hochkonjunktur. Ähnlich äußerten sich die Experten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). "Die deutsche Wirtschaft fährt unter Volldampf", sagte Konjunkturchef Stefan Kooths. Die Wirtschaft habe aber ihren nachhaltigen Wachstumspfad verlassen.

Privater Konsum bleibt tragende Stütze

Damit steigen aus Sicht der Kieler auch die Risiken eines Konjunkturumschwungs. Gleich mehrere Wirtschaftsforschungsinstitute erhöhten ihre Konjunkturprognosen für das kommende Jahr. Die Ifo-Forscher erwarten nun statt wie bisher 2,0 Prozent ein Wachstum in Deutschland von 2,6 Prozent. Für das zu Ende gehende Jahr 2017 rechnen sie mit einer Steigerung des Bruttoinlandsprodukts um 2,3 Prozent. Viele Branchen florierten.

Tragende Stütze bleibe der private Konsum, der begünstigt werde durch mehr Beschäftigung, höhere Arbeits- und Transfereinkommen und Steuerentlastungen. Auch in der Bauwirtschaft laufen die Geschäfte glänzend. Vor allem die Industrie profitiere von verbesserten Konjunkturaussichten der Weltwirtschaft

Mangel an qualifiziertem Personal

Das IfW rechnet im kommenden Jahr nun mit 2,5 Prozent Wachstum. Die Kieler Ökonomen hatten mehrfach vor den Gefahren einer Überhitzung der Konjunktur gewarnt. "Ein Boom mag sich gut anfühlen, er trägt aber den Keim der Krise in sich", sagte IfW-Experte Kooths. "Je weiter die ökonomische Aktivität über das Normalmaß hinaus zulegt, desto größer werden die Risiken für eine Anpassungsrezession." Für die Unternehmen werde es zunehmend schwieriger, qualifiziertes Personal zu finden. "Die Anzahl der Betriebe, die dadurch ihre Produktion beeinträchtigt sehen, ist auf ein Rekordniveau gestiegen", heißt es im IfW-Bericht. Auf der Gewinnerseite finden sich die Arbeitnehmer, deren Effektivlöhne um drei Prozent steigen dürften.

"Wegen zunehmender Knappheiten sitzen immer mehr Beschäftigte bei Lohnverhandlungen am längeren Hebel und können sich so über merkliche Kaufkraftzuwächse freuen", sagte Kooths. Auch das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) warnte. Es sei denkbar, dass die Produktionskapazitäten in einigen Wirtschaftszweigen nicht mehr ausreichten und dass Preissteigerungen mehr und mehr an die Stelle einer realen Produktionsausweitung treten würden. Das IWH rechnet für dieses und das nächste Jahr mit einem Wachstum von jeweils 2,2 Prozent - wie bereits das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ."Der Aufschwung ist breit aufgestellt", sagte IWH-Vizepräsident Oliver Holtemöller.

Harter Brexit bleibt Risiko

Die gute Entwicklung werde auch dadurch begünstigt, dass "Abwärtsrisiken" an Bedeutung verloren hätten. So sei ein befürchteter Wachstumseinbruch in China ausgeblieben, und bei Wahlen in Europa hätten Rechtspopulisten weniger Stimmen geholt als befürchtet, sagte Ifo-Konjunkturexperte Timo Wollmershäuser. Nach wie vor gebe es aber Risiken. Dazu zählten eine wirtschaftliche Abschottung der USA sowie ein "harter Brexit" - ein Bruch zwischen Großbritannien und der EU, etwa ohne eine Zollunion.

Ifo-Chef Fuest warnte eine neue Regierung davor, die Staatsausgaben zu erhöhen. Die Versuchung der Politik, "Geschenke" an die eigene Klientel zu verteilen, sei groß. Stattdessen müsse die "Gunst der Stunde" für steuerliche Entlastungen genutzt werden, vor allem unterer und mittlerer Einkommen. Notwendig sei auch eine Unternehmens-Steuerreform. Das IfW warnte, die neue Bundesregierung sollte nicht dazu beitragen, die Konjunktur weiter zu befeuern.

Stärker als im laufenden sowie erwartet im kommenden Jahr war das Bruttoinlandsprodukt zuletzt in den Jahren 2010 und 2011 gewachsen - allerdings kam die Wirtschaft damals aus einer tiefen Rezession nach der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise. Ohne diese Sondereffekte ist das Wachstum 2017 und 2018 das stärkste seit einem Jahrzehnt.

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