Hohe Kaufkraft: Warum Nürnberg so viele Kunden anzieht

23.4.2018, 14:13 Uhr
Die Nürnberger Innenstadt lockt viele Kunden - auch von außerhalb.

© Stefan Hippel Die Nürnberger Innenstadt lockt viele Kunden - auch von außerhalb.

Uwe Werner gerät ins Schwärmen, wenn er über Nürnberg spricht. Ein "hervorragender Handelsstandort" mit großer Tradition sei die Stadt. Werner muss es wissen. Er ist im Handelsverband Bayern als Bezirksgeschäftsführer für Mittelfranken tätig und beschäftigt sich tagtäglich mit dem Einzelhandel in der Frankenmetropole. "Als Standort ist die Stadt nahezu einzigartig in Deutschland", sagt der Handelsexperte. "Das liegt vor allem daran, dass es im Umkreis von gut 160 Kilometern keine vergleichbare Großstadt gibt", erklärt Werner.

Auch Menschen, die deutlich jenseits der Stadtgrenze wohnen, kommen gerne zum Einkaufen nach Nürnberg. Ein Phänomen, dass hier so ausgeprägt ist wie nirgendwo sonst in Deutschland. Dass die Stadt wie ein Einkaufsmagnet wirkt, zeigt der hohe Zentralisierungsgrad. Diese Kennziffer beschreibt, wie viel Kaufkraft ein Ort an sich bindet. Je höher sie liegt, desto mehr Menschen pendeln von außerhalb in die Stadt und kaufen dort ein.

Nürnberg ist bundesweit Spitze

Mit einem Wert von 131,1 ist Nürnberg bundesweit Spitze. Keine andere deutsche Großstadt hat eine derart starke Sogwirkung. Allerdings hat die Stadt gegenüber dem Vorjahr leicht an Magnetwirkung eingebüßt. "Man merkt eben, dass Fürth, Erlangen oder Neumarkt aufgeholt haben und selbst über große Einkaufszentren verfügen", kommentiert Handelsexperte Werner.

Hohe Kaufkraft: Warum Nürnberg so viele Kunden anzieht

© NZ-Infografik

Dennoch lockt die Nürnberger Innenstadt weiter viele Kunden. Und das, obwohl das verfügbare Einkommen der Nürnberger gut vier Prozent unter dem durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen des Regierungsbezirks Mittelfranken liegt. Zwar gibt es in der Noris viele gut bezahlte Arbeitsplätze, die entsprechenden Arbeitnehmer wohnen aber häufig im Umland und nicht in der Stadt selbst. Zum gemütlichen Bummeln durch die Breite Gasse oder die Königstraße finden sie - und damit auch ihr Geld - aber wieder den Weg in die City. Doch nicht nur im Stadtzentrum, auch anderswo klingeln bei den Händlern die Kassen. Laut Verbandschef Werner erfreuen sich die Stadtteile Eibach und Zerzabelshof sowie die Einkaufszentren "Mercado" und "Franken-Center" ebenfalls großer Beliebtheit. Problematisch sei einzig die Südstadt, wo es keinen gesunden Branchenmix gebe.

So kommt es, dass die Einzelhändler im Jahr 2016 gut 7800 Euro pro Einwohner an Umsatz erwirtschaftet haben. Auch hier liegt Nürnberg im bundesweiten Vergleich weit vorne - nur in München und Düsseldorf sind die Kunden noch konsumfreudiger. Der Gesamtumsatz des Einzelhandels in der Noris liegt etwa bei vier Milliarden Euro jährlich - ein Anstieg von über acht Prozent innerhalb der letzten zehn Jahre.

Dass in Nürnberg gute Geschäfte zu machen sind, hat sich sogar bis in die Niederlande zur Warenhauskette Hema herumgesprochen. Sie bietet ein breit gefächertes Sortiment - von Büromaterial, über Kinderkleidung bis hin zu Deko-Artikeln. Alles im unteren Preissegment. Das Unternehmen, das insgesamt 700 Filialen betreibt, eröffnete vor gut einer Woche ein Ladengeschäft in der Breiten Gasse. Es ist der erste Hema-Shop in Bayern. Die Entscheidung für Nürnberg ist kein Zufall. "Wir haben festgestellt, dass viele unserer Online-Kunden aus Nürnberg kommen", erklärt eine Sprecherin.

Sehr hoher Anteil von Handelsketten in der Innenstadt

Mit Hema besitzt nun eine weitere große Einzelhandelskette eine Filiale in Nürnberg. Über 70 Prozent aller Geschäfte im Stadtgebiet werden inzwischen von Handelsketten betrieben. Dieser Prozentsatz setzt sich zusammen aus regionalen Filialisten, wie etwa der Bäckerei Beck, nationalen Ketten wie dem Modehaus Breuninger und internationalen Händlern wie Zara. In Nürnberg ist die Handelsstruktur so stark von Handelsketten geprägt wie in kaum einer anderen deutschen Großstadt. "Ein wichtiger Grund ist, dass das Verhältnis zwischen Mieten und Zentralität hier noch stimmt", sagt Uwe Werner. Daher ziehe es viele große Filialisten in die Frankenmetropole. Für die kleinen inhabergeführten Fachgeschäfte ist das nicht selten ein Problem. Sie hätten oft Schwierigkeiten, mit den Angeboten der großen Ketten zu konkurrieren, erklärt Werner.

Für erhöhten Konkurrenzdruck sorgt auch der blühende Online-Handel. Aktuell werden rund zehn Prozent des Handelsumsatzes via Internet generiert. Rechnet man Lebensmittel, die die Kunden meist noch traditionell im stationären Handel kaufen heraus, liegt der Wert bereits bei 20 Prozent. Ein Nische ist der Online-Handel also schon lange nicht mehr. "Wer nicht im Netz präsent ist, existiert nicht", macht Bezirksgeschäftsführer Werner deutlich. Doch auch für kleine, hoch spezialisierte Fachgeschäfte läge bisweilen eine Chance im Online-Handel. "Die können ihre Ware dadurch auch ins Ausland verkaufen und so Kundengruppen erschließen, die sie als reines Ladengeschäft nie erreicht hätten."

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© Foto: Stefan Hippel

Und auch auf eine andere Weise kann der stationäre Handel vom Internet profitieren. Während Ladeninhaber früher oft über Kunden geklagt haben, die sich bei ihnen beraten lassen, um das Produkt ihrer Wahl dann günstig im Internet zu bestellen, hat sich der Trend mittlerweile gedreht. "Heute informieren sich die Menschen oft im Internet, kaufen dann aber im Fachgeschäft", stellt Verbandsfunktionär Werner zufrieden fest.

Auch deshalb ist ihm um den Handelsstandort Nürnberg nicht bange. Etwa 25.000 Beschäftigte arbeiten im Nürnberger Einzelhandel. Gut 20 Millionen Euro nimmt die Stadt jährlich an Gewerbesteuer dadurch ein. Zahlen, die angesichts der guten Konjunktur eher noch steigen dürften. Eine Gefahr sieht Werner aber doch. Sie schlummert im 18.500 Quadratmeter großen Gebäudekomplex an der Fürther Straße. "Sollte im alten Quelle-Areal ein Einkaufszentrum entstehen, würde das eine Schwächung der Innenstadt bedeuten."

Nürnberg ist als Standort nahezu einzigartig. Aber Fürth, Erlangen und Neumarkt haben aufgeholt.

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