Industrie beklagt "Streikexzess" - Druck auf GDL wächst

19.5.2015, 17:42 Uhr
Auch am Nürnberger Hauptbahnhof wird es wegen des Streiks zu massiven Zugausfällen kommen. Die Folge beim letzten Streik: Es blieb teilweise menschenleer am Gleis.

© dpa/Nicolas Armer Auch am Nürnberger Hauptbahnhof wird es wegen des Streiks zu massiven Zugausfällen kommen. Die Folge beim letzten Streik: Es blieb teilweise menschenleer am Gleis.

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Politik drängt auf Schlichtung

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) plädiert kurz vor dem angekündigten Beginn für eine Schlichtung im Tarifstreit. Gabriel sagte am Dienstag, er finde es "einfach bedauerlich“, dass bislang keine Schlichtung eingeleitet worden sei.

Dieser Weg habe in Deutschland gute Tradition. "Mein Rat, meine Bitte, meine Aufforderung geht immer dahin, dieses Instrument zu nutzen". Dass ein Streik wirtschaftliche Beeinträchtigungen mit sich bringe, sei aber kein grundsätzliches Argument dagegen.

Als Konsequenz aus den neuen Streiks bei der Bahn pocht die CSU auf verpflichtende Schlichtungsverfahren. Dies solle für Arbeitskämpfe in besonders sensiblen Bereichen der Daseinsvorsorge und der Infrastruktur gelten, sagte Generalsekretär Andreas Scheuer am Dienstag in München. Im Streikfall müssten zudem verpflichtende Notdienstpläne vereinbart werden, mit denen eine Mindestversorgung der Bevölkerung sichergestellt werden.

Der Fahrgastverband ProBahn lehnte eine Zwangsschlichtung hingegen ab. "Wir befürchten, dass da erst recht die Widerstände in der GDL hochkochen“, sagte Verbandssprecher Gerd Aschoff im Sender SWR Info. Er denke, der "Druck der Öffentlichkeit“ werde die GDL zu einer Kursänderung bewegen.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warf der GDL vor, "den international guten Ruf des Logistikstandortes Deutschland“ aufs Spiel zu setzen. "Die Industrie und ihre Arbeitnehmer sind diesem Streikexzess schutzlos ausgeliefert", beklagte Geschäftsführungsmitglied Dieter Schweer. Es sei mit volkswirtschaftlichen Schäden "von bis zu 100 Millionen Euro am Tag“ zu rechnen.

Kirchenvertreter begrüßen Streik

Voraussichtlich wird der Streik auch das verkehrsreiche Pfingstwochenende betreffen. Dies bezeichnete die Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke (SPD), als "starkes Stück". Reisen lebe auch von Planbarkeit, gab sie im "Tagesspiegel" vom Dienstag zu bedenken.

Wenn die Züge still stehen, bleiben vielleicht auch mehr Schäfchen zu Hause: Kirchenvertretern wäre der neunte Lokführerstreik der Gewerkschaft GDL auch an Pfingsten kein Dorn im Auge. "Das ist gut, da bleibt man kontemplativ zu Hause und kann sich dem Herrgott widmen", sagte Matthias Rabbe, Sprecher der Katholischen Arbeitnehmerbewegung KAB, am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. "Wir wollen sowieso den Sonntag schützen. Die GDL hilft uns da ein wenig."

Das Streikrecht sei ein wertvolles Gut. Und die KAB kämpfe dafür, dass das Pfingstfest seine religiöse Bedeutung erhält. "Der Sonntag ist der Tag der Muße und Ruhe, und wenn jetzt die Züge still stehen, wird der Herrgott schon wissen, warum er das macht."

"Der Bischof wünscht sich natürlich, dass die Menschen Pfingsten in der Diözese und der Gemeinde feiern", sagt auch Uwe Renz, Sprecher der Diözese Rottenburg-Stuttgart.

Gespräche laufen weiter

Die GDL hatte bereits für Dienstagnachmittag zum Ausstand im Güterverkehr aufgerufen. In der Nacht zum Mittwoch sollen dann auch die Personenzüge stehen bleiben. Das Streikende ist bislang offen und soll nach GDL-Angaben erst 48 Stunden vorher bekanntgegeben werden.

Mit einem neuen Ansatz haben Bahn und GDL bei einem Geheimtreffen in Frankfurt die rechtlichen Bedingungen einer möglichen Schlichtung ausgelotet. Über Ergebnisse der andauernden Gespräche wurde bis zum Nachmittag nichts bekannt. "Wie kommen wir in die Schlichtung? Welche Themen sind der Schlichtung zugänglich? Wir müssen die Diskussion um das Beschneiden von Grundrechten beenden, denn darum geht es nicht", hatte Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber im ARD-"Morgenmagazin" mögliche Themen genannt.

Die GDL wollte den Fortgang der vertraulichen Unterredung nicht kommentieren. Als unabhängige Instanz nahm der frühere Richter am Bundesarbeitsgericht, Klaus Bepler, teil. Als damaliger Vorsitzender des vierten BAG-Senats hat er die geänderte Rechtsprechung zur möglichen Tarifpluralität im Jahr 2010 entscheidend geprägt.

Zuvor hatte der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky ebenfalls im "Morgenmagazin" gesagt, wenn eine Schlichtung begonnen werden, sei eine schnelle Lösung denkbar. Er halte es für möglich, den Arbeitskampf "innerhalb einer kurzen Zeit von zwölf bis 14 Stunden zu beenden".

Zugleich betonte der Gewerkschaftschef erneut, die Frage, ob "Tarifverträge gleich, widerspruchsfrei und konkurrenzfrei sein müssen", dürfe nicht Teil der Schlichtung sein. Die Bahn will in den separat geführten Verhandlungen mit der GDL und der konkurrierenden Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) unterschiedliche Regelungen für gleiche Berufsgruppen verhindern.

Die Deutsche Bahn und EVG wollen am Donnerstag einen Tarifabschluss unter Dach und Fach bringen. Während dann aller Voraussicht nach die Lokführer der kleineren Konkurrenzgewerkschaft GDL streiken, treffen sich die Verhandlungsführer von EVG und Bahn in Berlin, um letzte Fragen zu klären. Eine Einigung ist zum Greifen nah, doch auch die EVG schließt angesichts mehrerer Knackpunkte auch einen Streik nicht aus.

Weber sagte, er gehe zuversichtlich in das Gespräch, weil er davon ausgehe, dass auch die GDL eine Einigung wolle. Sie wollten mit dem Experten zum Beispiel darüber reden, wie man in eine Schlichtung kommen könne. Erst am Wochenende war ein weiterer Annäherungsversuch der GDL und der Bahn gescheitert.

DGB-Vorsitzender übt scharfe Kritik

Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann hat das Vorgehen der GDL scharf kritisiert. Wer nach acht Streiks "noch immer nicht auf die Zielgerade kommt, der weckt Zweifel, dass er an dieser Alternative ernsthaft interessiert ist", sagte Hoffmann dem Berliner "Tagesspiegel".

Der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky wolle "augenscheinlich" das Gesetz über die Tarifeinheit abwarten, "um dann im Zusammenhang mit dem schwelenden Konflikt gegen das Gesetz klagen zu können", sagte der DGB-Chef weiter. Weselsky instrumentalisiere die Beschäftigten der Bahn und die Kunden der Bahn gegen das Gesetz.

"Das geht zu weit, um es vorsichtig zu sagen", sagte Hoffmann der Zeitung. Die meisten Fragen seien zwischen Bahn und Gewerkschaft längst geklärt, auch die Frage der Bezahlung der Lokrangierführer. "Hier ging es zuletzt nur noch um die Verteilung von Zulage und Entgelt", sagte Hoffmann. Da aber 300 verbeamtete Lokrangierführer wegen des Beamtenrechts keine Zulage bekämen, schlage Weselsky an dem Punkt nicht ein.

"Das zeigt aber den Irrsinn: Wegen 300 Beamten breche ich doch keinen Streik vom Zaun und lege das halbe Land lahm", kritisierte der DGB-Chef.

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