Kempf: "Der Dieselbetrug verdient die gerechte Strafe"

21.2.2018, 21:06 Uhr
NN-Talk vor gut gefüllten Rängen im Maritim-Hotel. BDI-Chef Professor Dieter Kempf (l.) mit NN-Chefredakteur Alexander Jungkunz.

© Foto: Stefan Hippel NN-Talk vor gut gefüllten Rängen im Maritim-Hotel. BDI-Chef Professor Dieter Kempf (l.) mit NN-Chefredakteur Alexander Jungkunz.

Der langjährige Datev-Vorstandsvorsitzende nahm  Stellung zu Forderungen im Koalitionsvertrag, zur neuen reformfeindlichen Wirtschaftspolitik Chinas bis hin zum Dieselskandal. Ein informativer und zugleich höchst unterhaltsamer Abend im Maritim-Hotel, moderiert von NN-Chefredakteur Alexander Jungkunz.

Es sind drei Charakteristika Dieter Kempfs, die immer wieder an die Oberfläche kommen: Der Diplomkaufmann ist firm bei Steuern und IT. Kein Wunder für einen, der 20 Jahre lang die Nürnberger Genossenschaft Datev mit heute über 7000 Beschäftigten geführt hatte. Zweitens graust es den 65-Jährigen vor dem Machtgehabe der Chinesen. Und drittens hat der gebürtige Münchner eine Schwäche für Autos, vor allem für Oldtimer, unter die er sich als leidenschaftlicher Autoschrauber immer wieder gerne gelegt hat. Gleichwohl kein Widerspruch dazu, dass er  Dienstagabend einer von nur zwei Personen im Saal war, die im Alltag ein Elektroauto fahren.

Vom Thema E-Auto ist es nicht weit zum Dieselskandal, der inzwischen fast alle deutschen Hersteller in Turbulenzen bringt. Rückblick: Begonnen hatte alles 2015 mit einem heißen Herbst für Volkswagen. Umweltbehörden in den fernen USA hatten öffentlich gemacht, dass es bei Abgasmessungen von VW-Modellen nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Kempf findet den Vorgang immer noch unfassbar: "Die Amerikaner haben zwei Jahre lang bei sich selbst gesucht, warum sie in eigenen Tests schlechtere Messwerte als VW bekamen und bei der Fehlersuche Volkswagen um Hilfe gebeten." Heute ist die Wahrheit längst bekannt, dass VW mittels illegaler Software in großem Stil Abgastests von Dieselautos manipulierte. "An der Stelle der Amerikaner wäre ich auch stinksauer gewesen", sagt Kempf.

Führende Stimme der Industrie 

Genauso versteht er, dass Autokäufer empört sind, die einen gebrauchten Euro-5-Diesel erworben haben und den Wertverlust hinnehmen müssen, während die Wolfsburger amerikanische Kunden entschädigen mussten.

Fazit: Statt perfekter Ingenieurskunst habe der Konzern "perfekte Methoden der Unehrlichkeit" entwickelt und so dem Ruf der gesamten deutschen Industrie geschadet. "Der Dieselbetrug verdient die gerechte Strafe." Trotzdem sei es falsch, den Diesel generell zu verdammen. Vielmehr sollten alle Alternativtechnologien weiterentwickelt werden und nicht nur der Elektromotor. "Technologien lassen sich nicht von der Politik diktieren", ist Kempf überzeugt. Abwegig findet er den Vorschlag von VW-Konzernchef Matthias Müller, umgekehrt Benziner staatlich zu fördern.

Überhaupt sähe es der Industrie-Boss lieber, würden die führenden Köpfe der Dax-Konzerne in der Öffentlichkeit nicht einen so vielstimmigen Chor veranstalten. Schließlich ist er, Kempf, die führende Stimme der Industrie, obwohl er selbst gar kein Industriegewächs ist, sondern aus der Dienstleistungsbranche kommt.

Allerdings aus einer dominanten wie der IT-Wirtschaft, deren Expertise wie von keiner anderen im Aufbruch zu Industrie 4.0 gebraucht wird. Und so gefällt es dem Manager gar nicht, wenn Kollegen wie Telekom-Chef Timo Höttges in Sachen Digitalisierung Sätze loslassen wie: Verglichen mit dem Silicon Valley "haben wir die erste Halbzeit verloren, aber in der zweiten haben wir noch alle Chancen offen".

Kempf lässt das allenfalls bezogen auf den Endverbraucher gelten. "In der Industrie dagegen ist kein Land bei der Digitalisierung so weit wie wir." Freilich müsse die Notwendigkeit zur Transformation noch mehr in den Mittelstand hineingetragen werden.

Für mindestens so wichtig hält es der Verbandschef, die digitale Bildung zu fördern. Zudem zu erreichen, dass mehr Jugendliche überhaupt einen Schulabschluss in der Tasche haben. Denn: "Das Bildungsproblem von heute ist das Armutsproblem von morgen." Ein bedingungsloses Grundeinkommen jedoch sei kein Gegenkonzept, vielmehr hieße das, "dass wir uns aus der Verantwortung stehlen".

Bedenklicher Rechtsruck

Bedauerlicherweise verliere Deutschland ohne gewählte Regierung wertvolle Zeit, um die drängendsten Probleme anzugehen, während die AfD (mit "zutiefst undemokratischem Programm") im Wahlvolk Sympathien gewinne. Teile des neuen Koalitionsvertrags bewertet Kempf als Arbeitgeber-Vertreter (und Lobbyist) naturgemäß ablehnend: Etwa, dass die Arbeitgeber wieder die Hälfte der Krankenversicherungsbeiträge schultern sollen bis hin zum Anspruch auf befristete Teilzeitbeschäftigung.

Viel zu gelassen verhalte sich die deutsche Politik auch gegenüber China, dem Land, das hier Unternehmen wie den Augsburger Roboterhersteller Kuka kauft, das Umgekehrte aber bestenfalls als Joint Venture erlaubt. Kempfs Motto heißt gleiches Recht für alle: "Es muss uns erlaubt sein, ein chinesisches Stahlwerk zu kaufen."

"Ab und zu die Sau rauslassen"

Der Wahl-Nürnberger empfiehlt der Stadt, mehr für sich zu trommeln, die Bewerbung als Kulturhauptstadt sei eine gute Gelegenheit. Kempfs Befund: "Die Nürnberger haben einen fatalen Hang, sich selbst kleinzumachen." Mehr Werbung tue Not. "Ich sage nur: Brust raus, Bauch rein, ab und zu die Sau rauslassen."

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