Kopfschmerzen und Depressionen sind Gift für Firmen

20.6.2012, 05:00 Uhr
Kopfschmerzen und Depressionen sind Gift für Firmen

© dpa

Bei den Gesundheitsausgaben je Einwohner belegt Deutschland laut dem US-Auslandsnachrichtendienst CIA derzeit Platz vier im internationalen Vergleich, bei der Lebenserwartung dagegen nur Platz 24. Noch deutlicher wird die Diskrepanz bei einem Blick auf die beschwerdefreie Lebenserwartung in Europa: Während deutsche Männer im Durchschnitt ihren 56. Geburtstag und deutsche Frauen ihren 57. Geburtstag ohne größere Wehwehchen erreichen, setzen beispielsweise bei den Schweden altersbedingte Beschwerden erst 13 beziehungsweise elf Jahre später ein.

„Wir haben hier Nachholbedarf“, resümiert Gesundheitsexperte Bernhard Badura angesichts der Daten des Statistischen Amts der EU. „Wenn sich herumspricht, in Deutschland werden die Menschen verschlissen, dann ist das nicht gut für unser Image.“

Chefs lösen Beschwerden aus

Schließlich seien Unternehmen in Zeiten des Fachkräftemangels zusehends darauf angewiesen, Mitarbeiter aus dem Ausland anzuwerben. Auch sei es eine logische Folge des demografischen Wandels, dass Belegschaften immer älter und damit chronische Krankheiten sowie Fehlzeiten mehr werden. Unverständlich findet es der emeritierte Professor aus Bielefeld deshalb, dass bislang die meisten Unternehmen das Thema Gesundheit nur randständig behandeln. Vielmehr müsse es in einem Atemzug mit Produktivität und Führung genannt werden, forderte Badura in einer Veranstaltung der Vereine Plattform Mittelstand und Zentrifuge.

Denn Studien hätten gezeigt, dass Mitarbeiter, die krank zur Arbeit kommen, dem Unternehmen letztlich viel mehr kosten als jene, die zu Hause bleiben und sich auskurieren. Besonders drastisch seien die Folgen bei Kopfschmerzen und Depressionen. Selbstredend leisten gesunde Mitarbeiter mehr als kranke. Gleichzeitig könnten Vorgesetzte ihre Untergebenen nicht nur demotivieren, sondern bei ihnen sogar physische und psychische Beschwerden auslösen, berichtete Badura. Beispielsweise hinge das Auftreten von Depressionen eng mit dem Verhältnis zum unmittelbaren Chef zusammen. „Depressive Führungskräfte stecken ihre Mitarbeiter regelrecht an“, sagte der Unternehmensberater. „Denn negative Emotionen übertragen sich.“

In Befragungen hat er außerdem herausgefunden, dass die meisten Vorgesetzten ihre Untergebenen zu wenig wertschätzen. Das geschehe meist nicht aus böser Absicht, sondern aus Unwissenheit und Zeitmangel. Dabei könne jeder zumindest eine Minimalqualifikation in Führungsaufgaben erwerben. Um ein guter Vorgesetzter zu sein, müsse man stets Vorbild sein, sich konsequent verhalten und motivieren.

„Teuer und ungesund“

„Führung nur mit finanziellen Anreizen und Hierarchie ist wenig effizient, teuer und ungesund“, bilanzierte der Referent. Wirkungsvoller und günstiger sei es dagegen, an die innere Motivation der Mitarbeiter zu appellieren. Höchstleistungen würden in einer vertrauensvollen, wertschätzenden und von Begeisterung geprägten Atmosphäre erbracht.

Wie es um die Kultur im eigenen Unternehmen bestellt ist, lasse sich am besten durch Mitarbeiterbefragungen herausfinden, skizzierte Badura. Können Arbeitnehmer nicht sagen, worauf sie in ihrem Unternehmen stolz sind und was es besonders gut kann, sei das kein gutes Zeichen. Ebenso wenig wenn Vorgesetzte nicht mal wissen, dass ein Viertel der Belegschaft langzeitkrank ist.

„Man muss wissen, dass nicht nur Investoren und Kunden ein Unternehmen beobachten, sondern auch die Mitarbeiter“, mahnte der emeritierte Professor. Immer größeren Wert legten die Beschäftigten dabei auf ihre Entwicklungsmöglichkeiten, eine gute Work-Life-Balance, und dass sie sich mit dem Unternehmen identifizieren können.

Über diese Stellhebel lasse sich das Wohlbefinden der Mitarbeiter steigern, skizzierte Badura. Hier sieht der Professor neben dem Vermeiden von Krankheiten einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor der Zukunft.
 

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