Kult-Status der Bionade verwässert

6.2.2011, 16:00 Uhr
Kult-Status der Bionade verwässert

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Außenseiter, politisch korrekte Kult-Limo, Gegenentwurf zu Coca-Cola – Bionade hat in der Öko-Szene einen nahezu tadellosen Ruf, oder besser: hatte. Erst wurden 2008 die Preise drastisch erhöht, dann übernahm der Nahrungsmittelriese Oetker die Mehrheit.

Jetzt fiel noch ein Tropfen ins Fass: Das Unternehmen aus Ostheim in der Rhön weigerte sich, anders als in den vorherigen Jahren, eine Demonstration gegen grüne Gentechnik und das anschließende Konzert „Rock for Nature“ in Berlin mit ein paar Flaschen Limonade zu unterstützen. Die Szene ist empört und fragt sich spätestens jetzt: Ist das noch unsere Limo?

Jahrelang hatte das Unternehmen an seinem Image gebastelt. Auf seiner Homepage erzählt Bionade die Geschichte vom Braumeister, der jahrelang, von vielen belächelt, im Badezimmer an der neuartigen Brause bastelt. Eine rein biologische, nach Reinheitsgebot gebraute Limonade, frei von Gentechnik. Den Kunden in der alternativen Szene gefällt, wie es die kleine Brauerei mit der geballten Marktmacht von Coca-Cola & Co aufnimmt und sich behauptet.

Kompromisse eingegangen

Werbesprüche wie „Das offizielle Getränk einer besseren Welt“ passten zur Klientel, etwa 2008 zu den Gegnern des G8-Gipfels in Heiligendamm. Der Siegeszug begann. 2002 wurden zwei Millionen Flaschen verkauft. 2007 waren es schon 200 Millionen.

2009 stieg die zu Oetker gehörende Radeberger-Gruppe mit einem Anteil von 70 Prozent bei Bionade ein. Damals sagte Bionade-Geschäftsführer Peter Kowalsky: „Wir wollen nicht, dass Bionade so etwas wie eine kleine Szene-Limo in Deutschland bleibt.“ Seitdem, so wird in der Szene vermutet, soll es etwas weniger revolutionär zugehen. Für den Erfolg muss Bionade nämlich Kompromisse eingehen. Um die Limo etwa auch in Freibädern verkaufen zu können, werden nun auch Kunststoffflaschen angeboten. Das kommt bei Umweltschützern nicht gut an.

Auf Facebook wird mittlerweile offen von Verrat an denen gesprochen, die Bionade groß gemacht hätten. Die zentrale Zielgruppe werde verprellt, warnt ein gewisser Sebastian im Bionade-Diskussionsforum.

„Das Engagement von Bionade hat sich nicht im geringsten verändert“, versichert Geschäftsführer Kowalsky. Man bekomme aber so viele Anfragen, dass nicht alle erfüllt werden könnten. Bionade werde den Einsatz gegen grüne Gentechnik ohne Abstriche fortsetzen, sagt er und spricht von Missverständnissen. Und der Oetker-Konzern weist jede Einflussnahme von sich. „Damit hat Dr. Oetker nichts zu tun“, beteuert Konzernsprecher Jörg Schillinger in Bielefeld.

„Extrem sensibel“

In der offiziellen Stellungnahme auf Facebook räumt Bionade aber ein, dass man sich seit einigen Jahren auf die Themen Kinder und Jugendliche konzentriere. „Vor dem Hintergrund unserer neuen Sponsoringstrategie können wir eine Reihe von Veranstaltungen und Konzerten, so auch ,Rock for Nature‘, nicht mehr mit Freiware unterstützen.“

Marketingexperte Thorsten Hennig-Thurau rät dem Unternehmen zur Vorsicht. „Bionade hat es hier mit einem Kundenklientel zu tun, das extrem sensibel ist. Diese Kunden reagieren anders, als wenn das Unternehmen die Unterstützung für ein Golf-Turnier einstellt“, warnt der Forscher von der Universität Münster. „Spätestens seit den ersten Unmutsäußerungen nach dem Inhaberwechsel hätte man hellhöriger werden müssen.“

Zudem sei die Macht der Verbraucher in Zeiten sozialer Netzwerke im Internet gestiegen. „Der Kunde definiert die Marke mit — via Facebook, YouTube und Twitter. Es kann immer mal sein, dass Unternehmen ihre Marke anpassen, neu positionieren wollen“, sagt Hennig-Thurau. „Das kann sich mittelfristig als richtig erweisen, auch wenn es zuerst negativ aufgenommen wird.“ Eine solche Umpositionierung sei aber „ein sehr heikler Prozess.“

...und tschüß

Trotz Schwerstarbeit der Bionade-PR-Abteilung haben sich manche aus der alternativen Szene von „ihrer“ Limo verabschiedet. Philipp, Öko-Landbau-Student in Witzenhausen, sagt: „Für mich heißt das, Bionade nicht mehr zu kaufen.“ Und ein Elmo kündigt im Internet an: „Dann trinke ich doch lieber unscheinheiliges Zuckerwasser statt Alibi-Brause im Weiße-Weste-Portefeuille einer Global Player Family.“