Nürnberger Gastwirte fürchten ein Kneipensterben

21.6.2012, 12:00 Uhr
Nürnberger Gastwirte fürchten ein Kneipensterben

© Hagen Gerullis

„Die kleine Kneipe in unserer Straße“, schmalzte Peter Alexander einst in den 70ern durchs Radio, „da wo das Leben noch lebenswert ist.“ Ein Jahr nach seinem Tod 2011 aber scheint der Schlagersänger widerlegt — zumindest im Urteil der Verbraucher: Die Zahl der Kneipen in Deutschland geht seit Jahren zurück; bundesweit von fast 48000 noch 2001 auf zuletzt 36000, speziell in Bayern von 6120 auf gut 4620.

Genaue Zahlen für Nürnberg hat man beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband Dehoga nicht, doch wäre man sowohl hier als auch in der Szene selbst überrascht, hätte sich die Frankenmetropole bisher dem Trend entziehen können. „Mit Sicherheit gibt es auch bei uns ein Kneipensterben“, sagt Geraldo Vicethum, Wirt des „Singularis Porcus“ — lateinisch laut Asterix für „Wildschwein“ — in der Südstadt.

Fleischer, Bäcker, Tankstellen

Es kommen einfach weniger Gäste. Supermärkte, Fleischer, Bäcker, auch Tankstellen und die Systemgastronomie, sprich Ketten à la McDonald’s und Nordsee: Klassische Kneipen sähen sich einer immer größeren Konkurrenz ausgesetzt, klagt der Dehoga. Kleine Snacks und Getränke gibt es heute fast an jeder Ecke. Steigende Energiekosten und in einigen Fällen auch das Rauchverbot haben den Wirten das Leben ebenfalls nicht eben erleichtert.

Ein Teil der Probleme sei allerdings auch hausgemacht, gibt Stefan Rottner zu. Natürlich, die Essgewohnheiten der Verbraucher hätten sich geändert, überhaupt das ganze Ausgehverhalten, sagt der Dehoga-Kreisvorsitzende Nürnberg. „Der Branche insgesamt aber geht es eigentlich gut.“ Es gebe einen gesunden Kern, etwa die Hälfte aller Kneipen sei etabliert, seriös und ordentlich geführt.

„Der Rest jedoch bewegt sich mehr so im Halbfeld“, kritisiert Rottner. „Da gibt es relativ viele, die schnell auf- und wieder zumachen.“ Der örtliche Dehoga-Chef sieht den Hauptgrund dafür in der mangelnden Qualifikation der gescheiterten Wirte. „Viele gehen an die Geschichte zu blauäugig ran, vieles ist da nicht zu Ende gedacht.“

Kneipier Vicethum ist branchenfremd — was es braucht, einen Betrieb erfolgreich zu führen, weiß er aber aus dem Effeff. „Ich bin gelernter Einzelhandelskaufmann“, sagt der Singularis-Porcus-Wirt. „Ob ich nun Backsteine, Käse oder eben Bier verkaufe, ist für einen Kaufmann doch egal.“ Mit der Kneipe habe er sich seinen Traum von der Selbstständigkeit verwirklicht. „Hier bin ich mein eigener Chef.“

Dass die Kneipe nicht per se zum Aussterben verdammt ist, davon ist Vicethum überzeugt. „Man muss aber ein gutes Konzept haben.“ Er setze, etwa mit der Musikauswahl, auch auf ein jüngeres Publikum und vor allem den persönlichen Kontakt mit der Kundschaft. „Ich bin überzeugt, der Wirt gehört zum Erlebnis dazu. Deshalb muss ich präsent sein, mich auch mal einen Moment dazusetzen.“

Wie singt Peter Alexander doch weiter: „Man redet sich heiß und spricht sich von der Seele, was einem die Laune vergällt.“

 

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