"Sehr schade": Siemens-Chef besorgt wegen Trump

1.2.2017, 17:35 Uhr
Siemens Chef Joe Kaeser freut sich über einen Gewinnsprung. Doch die politische Entwicklung der USA besorgt ihn sehr.

© Rainer Jensen/Archiv (dpa) Siemens Chef Joe Kaeser freut sich über einen Gewinnsprung. Doch die politische Entwicklung der USA besorgt ihn sehr.

Steigende Gewinne, eine angehobene Jahresprognose, doch ein Auftragseinbruch als Wermutstropfen: Siemens-Chef Joe Kaeser konnte viele Aktionäre mit der aktuell insgesamt guten Verfassung des Konzerns begeistern. "Machen Sie den Rest des Jahres so weiter wie im ersten Quartal", waren die ermunternden Worte eines Aktionärsprechers. Tatsächlich haben sieben von neun Geschäftsfeldern die angestrebte Zielmarge erreicht, eine streift sie beinahe, nur die Antriebstechnik verfehlt den Zielkorridor bei weitem.

Insgesamt aber stieg der Gewinn im ersten Quartal um 26 Prozent. "Siemens bleibt auf einem profitablen Wachstumskurs; das kann nicht jeder Wettbewerber zurzeit von sich behaupten", sagte Kaeser auf der Hauptversammlung in München mit Blick auf schwächelnde Konkurrenten wie Alstom. Der Auftragsknick war vorhergesehen worden, weil sich der vorherige Auftragsboom in dieser Höhe nicht wiederholen lasse. Siemens rechnet im laufenden Geschäftsjahr mit einem erhöhten Überschuss von mehr als sechs Milliarden Euro.

Nachfolge im Aufsichtsrat geregelt

Auch die Nachfolge für Aufsichtsratschef Gerhard Cromme ist geregelt – der frühere SAP-Co-Chef Jim Hagemann Snabe soll im Anschluss an die Hauptversammlung 2018 an die Spitze des Kontrollgremiums gewählt werden.

"Herr Snabe verfügt über eine tiefe industrielle Expertise bei Software und Digitalisierung", erklärte Cromme. "Mit der Empfehlung stellen wir die Weichen für eine langfristige Nachfolgeplanung und Kontinuität im
Siemens-Aufsichtsrat."

Bereits am Vorabend hatte das Unternehmen überraschend die Zahlen für das Auftaktquartal des Geschäftsjahres (30. September) bekanntgegeben und die Gewinnprognose deutlich in die Höhe geschraubt. Siemens-Chef Joe Kaeser zeigte sich allerdings besorgt über die politische Entwicklung in den USA.

"Es besorgt uns schon, es besorgt mich persönlich, dass wir Töne hören, die bisher zu unserer Wahrnehmung dieses Landes nicht passten", sagte Kaeser am Mittwoch vor Beginn der Hauptversammlung des Unternehmens in München. Die USA stünden für eine Tradition von Freiheit, Weltoffenheit und Integration von Menschen unterschiedlicher Religionen und Herkunft. Zwar sei das Streben nach mehr Sicherheit verständlich. Es wäre aber "sehr schade", wenn man die Errungenschaften aufgeben würde, sagte Kaeser. "Es wird Zeit, dass sich das großartige Land rückbesinnt auf das, was es groß gemacht hat."

Digitalisierung voranbringen

Trump will eine Mauer zu Mexiko bauen und hat ein Einreiseverbot für Bürger aus sieben überwiegend muslimischen Ländern verhängt. Kaeser ließ durchblicken, dass man sich auch auf mögliche Auswirkungen von Trumps Politik auf das wichtige US-Geschäft vorbereite. Zugleich mahnte er auch zu Besonnenheit und bekräftigte, dass Trump aus seiner Sicht einen "sehr guten Beraterstab" habe. "Man sollte nicht Besonnenheit mit Unterwürfigkeitsgesten verwechseln", sagte Kaeser, der selbst während seines Berufslebens jahrelang in den USA tätig war.

Die Entscheidung zu der Cromme-Nachfolge wurde von Aktionärsvertretern und auch von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat begrüßt. Snabe sei der richtige Mann für das Amt, sagte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz.

Siemens-Gesamtbetriebsratschefin und Aufsichtsratsvize Birgit Steinborn erklärte, Snabe verfüge über "große Erfahrungen im IT-Sektor und kann mit seiner Kompetenz das Unternehmen in der Digitalisierung voranbringen und die industrielle Basis, wo viele Beschäftigte arbeiten, stärken und weiterentwickeln."

Zugleich betonte sie: "Ich gehe davon aus, dass er auch die Interessen der Arbeitnehmer und die Mitbestimmung als wesentlichen Bestandteil des Unternehmens berücksichtigt." Auch Siemens-Aufsichtsrat und IG-Metall-Vorstandsmitglied Jürgen Kerner erklärte: "Basis einer verlässlichen und langfristigen Zusammenarbeit mit Herrn Snabe ist die Weiterentwicklung der guten Mitbestimmungskultur bei Siemens. Also offensiv auf die Akzeptanz und damit Kompetenz von Betriebsräten und IG Metall zu setzen."

Für Orderschub gesorgt

Im ersten Geschäftsquartal stieg der Überschuss des Unternehmens unter dem Strich um ein Viertel auf 1,9 Milliarden Euro. Der Erlös stieg um ein Prozent auf 19,1 Milliarden Euro, ohne Wechselkurseffekte und Zu- wie Verkäufe gerechnet wäre er um 3 Prozent geklettert. Der Auftragseingang ging um 14 Prozent auf 19,6 Milliarden Euro zurück - hier fehlten die großen Kraftwerksaufträge aus Ägypten, die im Vorjahreszeitraum für einen Orderschub gesorgt hatten.

Auf Jahressicht peilt Siemens nun je Aktie einen Gewinn von 7,20 Euro bis 7,70 an. Damit könnte der Konzern unter dem Strich bis zu 6,55 Milliarden Euro verdienen. Zuvor hatte Kaeser lediglich mit 6,80 bis 7,20 Euro Gewinn je Aktie gerechnet. 

Die Details der Börsenpläne für die Medizintechnik-Sparte hielt sich die
Siemens-Führung weiter offen. Zwar betonte Kaeser, dass die Börsenpläne einen anderen Verlauf nehmen sollten, als im Falle von Osram, nannte aber keine Einzelheiten. Die ehemalige Licht-Tochter war nicht über einen klassischen Börsengang in die Selbstständigkeit gestartet, vielmehr bekamen die Aktionäre für ihre Siemens-Aktien Papiere von Osram ins Depot gebucht. Siemens ist mittlerweile noch mit 17,5 Prozent an Osram beteiligt.

Die Medizintechnik hingegen solle bei Siemens gestärkt werden, sagte Kaeser. Siemens hatte die Börsenpläne für die ertragreiche Sparte im November angekündigt und will sie damit für den hohen Investitionsbedarf wappnen.

Auch Siemens-Finanzvorstand Ralf Thomas hatte bereits erklärt, dass das Geschäft auch künftig "unter dem Dach von Siemens" bleiben solle.

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