Sturm in der Windenergiebranche fegte Arbeitsplätze hinweg

1.11.2013, 00:00 Uhr
Sturm in der Windenergiebranche fegte Arbeitsplätze hinweg

© Rolf Nachbar/Imo

Vor der japanischen Küste bei Fukushima entsteht – quasi als demonstrativer Gegenpol zur dort außer Kontrolle geratenen Atomkraft – der weltgrößte schwimmende Meereswindpark. In Russland arbeiten Experten an einem überdimensionalen Muldenkipper für den Tagebau, wie er bisher noch nie gebaut worden ist. Und in der irischen See erzeugt das bisher weltweit einzige Gezeitenkraftwerk zuverlässig und berechenbar Strom. Allesamt technische Projekte der Superlative, die eines gemeinsam haben: In ihnen steckt Technologie aus der 1500-Seelen-Gemeinde Gremsdorf nahe Höchstadt/Aisch.

Gut ein Fünftel des Kernortes wird hier von der mittelständischen Imo GmbH & Co. KG dominiert: Riesige Hallen, in denen Stahlrohlinge zu Wälzlagern veredelt werden. Herauskommen drehbare Verbindungen, die zum Teil mit eigenem Antrieb ausgestattet sind — eine Technologie, die Imo sich in den frühen 90er Jahren weltweit hat patentieren lassen.

Hoher Weltmarktanteil

Die oft tonnenschweren Produkte der Mittelfranken finden sich etwa in Getränkeabfüllanlagen, in Röntgengeräten, in riesigen Hafenkränen oder in Tunnelbaumaschinen. Und eben auch in Windenergieanlagen rund um den Globus. „Wir bauen die Lager für kleine Windtürme, wie sie neben ostfriesischen Bauernhöfen stehen. Aber auch die Komponenten für große Offshore-Anlagen“, erklärt Mitgeschäftsführer Werner Schröppel — und kommt als gelernter Maschinenbauer kurz ins Schwärmen: Die Kugeln, so beschreibt er, auf denen diese Lager laufen, sind groß wie Boccia-Kugeln.

Der Windenergiebereich macht heute mehr als 50 Prozent des Imo-Umsatzes aus, der Exportanteil liegt bei über 70 Prozent. „Wir haben schon über 70000 solcher Lager in alle Erdteile geliefert“, berichtet Schröppel nicht ohne Stolz. Zusammengezählt liefern diese Anlagen inzwischen so viel Strom, wie in ganz Deutschland an Windenergie erzeugt wird — etwa 30 Gigawatt. Entsprechend liegt der Marktanteil von Imo heute bei rund zwölf Prozent weltweit. Der fränkische Mittelständler zählt sich zu den drei größten einer Branche, die hauptsächlich von Großkonzernen beherrscht wird.

Doch dieses jüngste Standbein des 1988 gegründeten Unternehmens hat seine Tücken. Auf Boomphasen, die den Gremsdorfern ein gigantisches Wachstum bei Umsätzen und Arbeitsplätzen sowie mehrmals Auszeichnungen vom Freistaat als „Bayerns Best 50“ brachten, folgten völlig unvermittelt Zeiten der Flaute — mit teils dramatischen Folgen für die Gremsdorfer.

Beispiel US-Markt: Im Jahr 2012 wurden hier noch über 8000 Windkraftanlagen mit zusammen über 13 Gigawatt Leistung installiert — was auch dem kleinen Zulieferer Imo aus Mittelfranken Aufwind bescherte. Doch dann war plötzlich unklar, ob und wie die Obama-Regierung die Windkraft weiter fördern würde. Die Folge: Die Investoren zogen sich scharenweise zurück, im ersten Halbjahr 2013 wurde in den USA nur noch eine einzige Anlage installiert.

Zuvor sorgte die globale Finanzkrise dafür, dass Investoren keine Geldgeber fanden, um in diese Energie zu investieren. Und zusätzlich haben noch die Asiaten, speziell die Chinesen, damit begonnen, eigene Fertigungen für Windkraftanlagen aufzubauen und so den Markt unter Druck zu setzen. „Bis vor eineinhalb Jahren waren wir dort noch groß im Geschäft. Doch die chinesische Industriekonkurrenz hat inzwischen eine Dominanz erreicht, so dass uns heute nur noch das Geschäft mit Spezialanlagen bleibt“, berichtet Schröppel.

Die weltweiten Verwerfungen führten zu einer branchenweiten Konsolidierung. Was das in der Praxis bedeutet, mussten vor allem die Beschäftigten in Gremsdorf leidvoll erfahren. Um zu überleben, musste Imo die Mitarbeiterzahl von in der Spitze 1300 auf derzeit noch 500 mehr als halbieren. In ähnlichem Umfang brach der Umsatz auf zuletzt noch 75 Mio. € ein. Mit Hilfe der Banken und externer Berater überstand das Unternehmen die Branchenflaute.

„Heute ist die Finanzierung für drei Jahre gesichert, der Umsatz stabilisiert sich und die Experten sagen bei den Neuanschlüssen für Windkraftanlagen im kommenden Jahr weltweit ein Wachstum von fast 40 Prozent voraus — da wollen wir kräftig partizipieren“, gibt sich Imo-Geschäftsführer Schröppel wieder optimistisch. Er geht davon aus, dass auch die Zeiten des Stellenabbaus in Gremsdorf vorbei sind.

Dazu wollen die Gremsdorfer sich wieder stärker auf ihr Industriegeschäft konzentrieren, ohne aber die Windenergie zu vernachlässigen. Denn Schröppel ist sicher, dass die Kosten für den Einsatz von Windnenergieanlagen schrittweise sinken werden. „Der Tag ist nicht mehr weit, an dem sauberer und umweltfreundlicher Windstrom mit Kohlestrom gleichzieht“ — und dann wird dieser Geschäftszweig noch mehr frischen Wind in die Imo-Auftragsbücher bringen.

Asse im Ärmel

Und wenn der Energieerzeugung mit Hilfe des Windes politisch doch die Puste ausgeht? Dann hat man in Gremsdorf noch ein paar Asse im Ärmel: Neben der Technologie für Gezeitenkraftwerke gehört dazu das Solartracking. Bei diesem Verfahren werden Solarpaneelen auf eine Anlage montiert, die sich drehbar nach der maximalen Sonneneinstrahlung richtet. Eine teure, aber vielversprechende Technologie.

Aber auch die hat einen Haken: Mit dem Preiseinbruch bei Solarelementen lohnte sich plötzlich der Aufwand für die nachführbaren Anlagen nicht mehr. Diese Solartechnik fristet derzeit ein Schattendasein.

Das könnte sich allerdings ändern. Gerade sind Folienlinsen im Kommen, die das Sonnenlicht bei deutlich verringertem Volumen der Anlagen viel effizienter ausnützen. Diese Folienlinsen arbeiten allerdings nur dann effektiv, wenn sie immer nach der Sonne ausgerichtet werden — und da kommen dann wieder die Gremsdorfer mit ihrer Solartracking-Technologie zum Einsatz.

Keine Kommentare