Unternehmer sorgen sich um die Türkei

25.7.2016, 17:00 Uhr
Unternehmer sorgen sich um die Türkei

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Adil Kaya macht sich allergrößte Sorgen. Der Chef des Nürnberger Telekommunikationsunternehmens Sigos hat viele Kontakte zu seinem Ursprungsland. Nicht nur geschäftliche. Als Gründer des inzwischen bestens etablierten Nürnberger Filmfestivals Türkei Deutschland ist er darüber hinaus mit vielen Schauspielern und anderen Künstlern befreundet.

Seine Sorge um das Land am Bosporus treibt den Manager allerdings nicht erst seit vergangenem Freitag um. Er merkt schon seit Jahren, dass „bei vielen Firmen eine unterschwellige Angst um sich greift, weil Andersdenkende abgesetzt oder versetzt wurden“. Doch seit Freitag sei diese Furcht viel größer und konkreter geworden.

Und die Spaltung im Volk trete deutlicher zutage: „Die gefühlte Polarisierung in der Gesellschaft ist stark gestiegen.“ Doch vor wem müssen Türken oder Kurden in der Türkei Angst haben? „Im Prinzip haben jetzt etliche vor der zivilen Mehrheitsgesellschaft mehr Angst als vor den Maßnahmen des Staatsapparates. Insgesamt geht leider die berühmte anatolische Toleranzkultur für Vielfalt verloren. Nicht nur AKP-Anhänger oder die Regierung, sondern auch liberale Menschen werden intoleranter, so dass die Kluft in der Gesellschaft größer wird.“

Mögliche Folge: Das Abwandern eines Teils der Intelligentia des Landes. „Einige Bekannte von uns sind bereits auf der Suche nach Auswegen im Ausland. Das sind bestens ausgebildete Leute, die auch im Ausland willkommen sind. Das wird sicherlich zur Abschwächung sowohl unserer privaten als auch wirtschaftlichen Beziehungen führen.“

Kaya macht sich auch Gedanken im Hinblick auf sein Unternehmen. „Sigos bewegt sich zwar in der relativ krisensicheren Hightech-Branche.“ Generell aber gedeihe die Wirtschaft nur in einem demokratischen Rechtsstaat. „Ressentiments in der Gesellschaft und Rechtsunsicherheit behindern immer auch die Wirtschaft. Unser Handelsvolumen mit der Türkei wird sicher beeinträchtigt werden. Das Land braucht eine Perspektive mit Hoffnung auf eine Rückkehr zur Toleranzkultur, worauf man früher so stolz war“.

Erdal Çeç gedenkt des in Nürnberg geborenen Deutsch-Türken, der vor einem Jahr nach Ankara gezogen war. In der Putschnacht war er mit anderen Gegnern des Aufstands auf der Straße und wurde erschossen. Çeç selbst ist Vorstand des Deutsch-Türkischen Unternehmervereins in der Metropolregion (Tiad). Weil darin alle Auffassungen vertreten sind, will er in dieser Funktion zu den Zuständen in der Türkei keine Stellung beziehen. Vorsicht. „Alles ist politisch.“

Doch Çeç hat private Ansichten und Erfahrungen. Als kaufmännischer Leiter eines Bauunternehmens hält er sich mehrmals im Jahr in der Türkei auf und beobachtet, dass die Hotels bereits früher, nach den Terroranschlägen, leerer geworden sind. „Statt mit 20 sitzt du nur noch mit acht Gästen im Frühstücksraum.“ Nun hoffe man, mehr Inländer nach Bodrum und Antalya locken zu können.

Zweite Entlassungswelle?

Immerhin dürfen inzwischen die Russen wieder in die Türkei fliegen, Putin hat sein Verbot aufgehoben. Doch sie werden den Ausfall nicht wettmachen können, fürchtet der Nürnberger Touristik-Unternehmer Ersin Uðurlu. Der Chef von Seda Reisen merkt schon seit vielen Monaten die Unruhe in der Branche. „Es fehlen Kunden. Hotelmitarbeiter haben Angst, arbeitslos zu werden. Es gibt schon viele Entlassungen. Jetzt kommt eine noch größere Kündigungswelle.“ Das türkische Statistikamt vermeldet einen Stellenrückgang in der Hotellerie um fast 20 Prozent. Ferner fällt ihm auf, dass Hotels urplötzlich einen neuen Namen tragen. „Auch Fünf-Sterne-Hotels werden an ausländische Investoren verkauft.“

Doch Investoren werden vorsichtiger. DIHK-Präsident Eric Schweitzer warnt: Der Putschversuch „schlägt unmittelbar auf die Geschäfte der deutschen Wirtschaft in der Türkei durch.“ Die Aussichten hätten sich bereits eingetrübt, der Kapitalabfluss aus dem Land habe eingesetzt.

Ersin Uðurlu hört von seinen Bekannten in der Heimat, dass die Leute ganz normal Alltagsdinge einkaufen. Aber mit größeren Anschaffungen hielten sich die Bürger zurück. Uðurlu: „Ich bin trotz allem optimistisch. Der Putschversuch war jetzt ein Tiefpunkt, mehr geht nicht.“