Vor Gipfel: Das sagen Vertreter der Region zur Wohnungsnot

20.9.2018, 19:40 Uhr
Gute Wohnungen sind vielerorts knapp und teuer, und wer eine will, muss sich ins Zeug legen. Die Bundesregierung hat das Problem erkannt und eine "Wohnraumoffensive" ausgerufen. Beim Wohngipfel am Freitag sollen Verbände und Politik gemeinsam beraten.

© Lothar Ferstl/dpa Gute Wohnungen sind vielerorts knapp und teuer, und wer eine will, muss sich ins Zeug legen. Die Bundesregierung hat das Problem erkannt und eine "Wohnraumoffensive" ausgerufen. Beim Wohngipfel am Freitag sollen Verbände und Politik gemeinsam beraten.

Stephan Doll, DGB-Geschäftsführer in Mittelfranken: Es war höchste Zeit, dass dem Thema Wohnungsnot und bezahlbares Wohnen in Berlin endlich die Bedeutung zukommt, die es verdient. In Artikel 106 der bayerischen Verfassung steht: "Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung." Als DGB Mittelfranken sind wir der Meinung, dass die wichtigste Maßnahme zur Linderung der Wohnungsnot die Förderung des Baus günstigen Wohnraums durch den Staat ist. Wir benötigen für Bayern eine Verdoppelung der finanziellen Mittel für den sozialen Wohnungsbau und eine Förderung des genossenschaftlichen Wohnungsbaus.

Ich finde es wichtig und richtig, dass auch das Thema Bauland und Verhinderung von Bodenpreisspekulation eine Rolle spielen soll. Der Wohnungsgipfel ist ein erster Schritt, auf den noch viele folgen müssen.

Gunther Geiler, Geschäftsführer des Mieterbundes Nürnberg und Umgebung: Wir erwarten klare Worte, was konkret die Regierung tun will, um die im Koalitionsvertrag blumig angekündigten 1,5 Millionen neuen Wohnungen zu schaffen. Vor allem fehlen günstige Wohnungen! Die kann man nicht einfach so neu bauen. Steuervergünstigungen, die Investoren gewährt werden, müssen auch beim Mieter ankommen - durch Beschränkungen der Miethöhe. Bestehende günstige Wohnungen müssen weiterhin günstig bleiben und dürfen nicht durch Modernisierungs-Mieterhöhungen unbezahlbar werden. Die Frage der Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit muss ernsthaft diskutiert werden.

Und es braucht eine wirkliche Mietpreisbremse ohne Ausnahmen, stattdessen mit Sanktionen – sonst bleibt es bestenfalls eine warme Empfehlung. Völlig unzureichend sind die angedachten Neuregelungen im Mietrecht, zum Beispiel bei der Modernisierungsumlage. Wir fordern eine Begrenzung dieser Umlage auf vier Prozent statt der geplanten acht Prozent.

Gerhard Frieser, Chef des Eigentümerverbandes Haus & Grund Nürnberg: Für Hauseigentümer muss der Wohnungsgipfel ein Gipfel der Vernunft werden. Der Wissenschaftliche Beirat beim Wirtschaftsministerium hat gerade entgegen vieler Regierungsideen zahlreiche Verbandspositionen bestätigt. Das Fazit: Für mehr bezahlbaren Wohnraum braucht es Vorschriften, die das Bauen günstiger machen, nicht verteuern. Die Mietpreisbremse hat sich in der Praxis wirkungslos gezeigt und gehört reformiert. Klimaziele und der altersgerechte, barrierefreie Umbau von Wohnungen werden durch eine reduzierte Modernisierungsumlage von elf auf acht Prozent sabotiert. Regulierungswahn wird in der Praxis neuen Wohnraum und Sanierungen verhindern.

Hannes Zapf, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau und Sprecher der Aktion "Impulse für den Wohnungsbau" in Bayern: Steigende Mieten und Immobilienpreise sind längst zum sozialen Sprengstoff geworden. Den Wohngipfel-Akteuren bleiben genau zweieinhalb Stunden, um Lösungen für ein Defizit zu finden, das gigantisch ist: über eine Million fehlende Wohnungen. Der Wohnungsbau ist kein Sprinter, er ist eine wirtschaftliche Marathondisziplin. Mit einer Sonderabschreibung für die Dauer dieser Legislaturperiode oder einem zeitlich begrenzten Baukindergeld ist der notwendige Effekt – nachhaltiger Aufbau von Kapazitäten – nicht zu erreichen.

Die Politik muss aufhören, von Urnengang zu Urnengang zu denken und zu handeln. Notwendig sind verlässliche und wirksame Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau und zwar für die Dauer von mindestens drei Legislaturperioden. Es wäre fatal, wenn der Wohngipfel am Ende wenig mehr als ein schärferes Mietrecht und beispielsweise ein höheres Wohngeld bringen würde. Beides baut nämlich keine Wohnungen.

Jobst Dentler, Geschäftsführer der Fürther GS Schenk GmbH: Um möglichst schnell vor allem bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, sehe ich unter anderem folgenden Weg: Den geförderten Wohnungsbau den öffentlich-rechtlichen Wohnungsbaugesellschaften, Baugenossenschaften, kirchlichen Trägern etc. zwingend zuweisen und nicht wettbewerbsverzerrend in den Markt der Bauträger eingreifen. Da die Kirchen und Genossenschaften das Gros an Baulandflächen seit jeher besitzen und diese dadurch sowieso "sozialisiert" sind, sollten die Flächen für den geförderten Wohnungsbau bereitgestellt werden anstatt hierauf wiederum wettbewerbsverzerrend Eigentumswohnungen der vorgenannten Wohnungsbaugesellschaften errichten zu lassen.

Die Vorgabe mancher Kommunen, wonach Bauträger bei neuen Vorhaben einen bestimmten Anteil geförderter Wohnungen schaffen müssen, um eine Baugenehmigung zu erhalten, sollte ersatzlos zugunsten der vorgenannten Maßnahmen aufgegeben bzw. überarbeitet werden. Die Quoten sind per se viel zu hoch. Hilfreich wäre auch ein "Einfrieren" der Energieeinsparverordnung (EnEV) auf den Stand 2016.

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