Werbe-Profi Spix: „Angst ist ein Kreativitätskiller“

11.8.2010, 17:01 Uhr
Werbe-Profi Spix: „Angst ist ein Kreativitätskiller“

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Unsereiner hat das Glück, an uninteressanten Werbeplakaten achtlos vorübergehen zu können. Uli Spix kann das nicht. Fortwährend drängen sich ihm beim Betrachten Fragen auf: „Wieso dieser Titel? Hinkt die Aussage? Das fragt man sich leider die ganze Zeit. Ist eine Berufskrankheit.“

Er ist 38, verheiratet, gebürtiger Rheinländer und neu in Nürnberg: Der Werbe-Profi Spix ist neuer Kreativdirektor der Nürnberger Kommunikationsagentur Schultze, Walther, Zahel. Und er kann sich vorstellen, in der Noris Wurzeln zu schlagen.
Spix hat viele Agenturen durchlaufen, sowohl in fester Anstellung als auch als freier Mitarbeiter: Große Namen sind darunter, etwa Springer & Jacoby, Scholz & Friends, Jung von Matt und Kolle Rebbe. Auf der Kundenseite betreute er Kampagnen etwa für Europcar, DEA, Compaq, SAT.1 und Mobilcom Austria.

Das Diven-Gehabe ist out

Bei seinen vielen Arbeitgebern hat Spix einige Exzentriker kennengelernt, Kreative, „die sich für Stars oder große Künstler halten und sich wie Diven benehmen“. Ein Erfolgsrezept sei dies jedoch nicht. Wer heute nicht teamfähig ist, habe schlechte Karten. Das Werkeln „im Elfenbeinturm ist dem Miteinander im Team gewichen“, sagt Spix.

Und dass Teams gegeneinander aufgestachelt und ausgespielt werden? Das komme in der Branche durchaus vor, nur: die angestrebten Höchstleistungen bringt diese Strategie nicht hervor. Im Gegenteil, der interne Kampf verbrennt viel Energie, die man besser in die Aufgaben stecken sollte. Eine weitere unerwünschte Folge ist die hohe Fluktuation in jenem Betrieb, der den Stress auch noch fördert.

„Angst ist ein großer Kreativkiller, ebenso das Laisser-faire“, merkt Hans-Heinrich Walther an, einer der drei Geschäftsführenden Gesellschafter der Agentur mit 64 Mitarbeitern.

Überhaupt kursierten viele falsche Vorstellungen vom Beruf derer, die Werbe- und Imagekampagnen auf Zeitungsseiten, Plakaten und als Fernseh-Spots entwerfen. Es sei nicht damit getan abzuwarten, so Walther, „dass einen die Muse küsst. Wir sind nicht beim Malkurs. Kreativität lässt sich trainieren und messen. Wichtig ist das Gespür dafür, wie eine Zielgruppe tickt.“

Im Falle eines neuen Auftraggebers freilich ist die Zielgruppe so breit wie ein Boulevard: Das Germanische Nationalmuseum (GNM) will mit seinen Pfunden wuchern und Publikum in die Sammlung locken. Eine interessante Aufgabe für Spix und seine Kollegen. Auf Plakaten ist etwa seit einigen Wochen die berühmte „Schubladen-Dame“ zu sehen. Die Botschaft des Plakats mit dem Titel „Lustspiel“: Das Original ist im GNM zu bewundern. Oder das Ursprungsmanuskript des Struwwelpeters, für das geworben wird mit dem Spruch: „Erziehungstipps — täglich außer Montag“.

Gute Werbung, da ist man sich bei SWZ einig, ist eine, die aneckt, die neugierig macht. Kurzum: „Wenn das Ups! passiert, ist die Kommunikation gelungen“, sagt Spix. Er sucht weder die Kuschelatmophäre noch die ausgefahrenen Ellbogen. Und er weiß, dass es harte Arbeit ist, „Auftragskommunikation“ zu konzipieren. „Interessant, ungewöhnlich und unterhaltsam muss Werbung sein, sie muss zu einem zweiten und dritten Blick verführen, dann ist sie erfolgreich. Doch es lauern auch Fallen. Vorsicht vor „Vampireffekten“: Der große Sympathieträger — ob Spitzensportler oder Schauspielerin — darf nicht ablenken vom beworbenen Produkt oder dem Hersteller, sondern soll die Marke stärken.

Den größten Spaß hatte Spix an dem Auftrag einer karitativen Organisation, die sich für Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien engagiert hat. Der gute Zweck, lächelt er, erhöht den Spaßfaktor und erübrigt die Sinnfrage.

In Kunst die Note eins

War es auch die Freude am Zeichnen und kreativen Tun, die ihn zu seiner Berufswahl ermuntert hat? „Alles, was mit Bildern zu tun hatte, hat mich schon immer interessiert“, sagt Spix. Und wie um ihn zu bestärken, prangte auf seinem ansonsten „mittelmäßigen Abiturzeugnis“ eine eins im Fach Kunst. Das führte ihn an die Berliner Hochschule der Künste, wo er sich gegen ein Leben als freier Künstler und für die Werbung entschieden hatte.

Vor seinem Start in Nürnberg hatte er ein Zwischenspiel in Hamburg gegeben und davor lange Jahre in Wien und Berlin gearbeitet. Nach diesen europäischen Metropolen „genießen meine Frau und ich in Nürnberg die Stadt der kurzen Wege“, sagt Spix.

Und womit vergnügt sich der Privatmann Spix? Schwitzen mit Kieser-Training zur Muskelstärkung, Weiterbildung in Sachen Psychologie und gepflegtem Kochen. Das hält Körper und Seele zusammen. Die Shows der Starköche im Fernsehen allerdings findet er fad, zu inflationär rauschen sie über die Bildschirme.

Hundedame als Markenzeichen

Zu den Neubürgern in Nürnberg gehört auch ein Vierbeiner. Das Ehepaar Spix hat seine Hündin Flora mitgebracht — „mein Markenzeichen“, sagt der Experte für Markenführung. Er habe schon Begegnungen erlebt, bei denen er nur an seinem Cockerspaniel erkannt wurde. Seine „entspannte Hundedame“ nimmt er auch gern mit auf die Arbeit. Uli Spix: „Flora ist eine Art Kommunikationsbrücke. Selbst Meetings laufen unverkrampfter, wenn sie dabei ist.“